QUELLE | ![]() | ||||||||||||||||
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DATUM | 1914-11-15 - 1914-11-17 ![]() ![]() | ||||||||||||||||
URHEBER/AUSSTELLER | Stegemann, Johannes | ||||||||||||||||
EMPFÄNGER | Stegemann, Wilhelm | ||||||||||||||||
AUSSTELLUNGSORT | Ailles/Frankreich, In Deckung hinter dem Schützengraben | ||||||||||||||||
GEOPOSITION | ![]() ![]() | ||||||||||||||||
TITEL/REGEST | Feldpostbrief von Johannes Stegemann an seinen Bruder Wilhelm über Danksagungen für Pakete, den Tod des Vaters, die Beschreibung der Kampfhandlungen und der Stellungen samt Zeichnung | ||||||||||||||||
TEXT | In Deckung hinter dem Schützengraben bei Ailles, südöstl. Laon, d. 15.11.14. Lieber Bruder! Zunächst meinen lieben Dank für deine Fürsorge. Habe die 2 Pakete Zigarren u. die Zeitun- gen erhalten u. mich sehr gefreut, daß du so für mich sorgst. Deine Taschenlampe darfst du behalten, da mir Klemens u. Tony schon lan- ge eine geschickt haben. Auch die Zeitungen brauchst du nicht mehr zu schicken, da ich fast jeden Tag die Münstersche Zeitung bekomme. Aber ich sage dir nochmals meinen herzlichen Dank für Deinen guten Willen. Ab u. zu ein paar gute Cigarren aber, nehme ich gern entgegen. [Seite 2] Nun zunächst ein ernstes u. trau- riges Wort. Vor einigen Tagen bekam ich ein paar Beileidsschreiben zu dem Tode unseres lieben Vaters. Von Hause wollten sie es mir auch schreiben. Der Brief ist aber noch nicht angekommen. Darum weiß ich noch nicht Näheres; aber es ist ja schon viel zu viel, zu wissen, daß wir nun Waisen sind. Besonders für Dich ist es am schlimmsten. So jung u. schon soviel Leid, aber lieber Willy als fromme Christen müssen wir sagen: ,,Der Herr hat es genommen." Und wenn man vernünftig, jetzt wo der erste große Schmerz vorüber ist, nach- denkt, so muß man sagen, daß [Seite 3] unser Vater doch mit seinem hohen Alter nicht mehr weit vom Tode fern war, ,,Alte Leute müssen sterben", das ist der Welten Lauf. Ja er hätte noch am Leben blei- ben können u. besonders schmerzt es mich, daß ich Ihn in seinen letzten Lebenstagen nicht mehr gesehen habe, daß Joseph u. ich nicht mitgehen konnten Ihm das letzte Ehrenge- leite zu geben, aber Gott hat es an- ders gewollt u. wer weiß, ob ich überhaupt noch jemals sein Grab besuchen kann, der schreckliche Krieg schlägt überall seine tiefen Wunden u. manche Träne ist in dieser bösen Zeit schon geflossen. [Seite 4] Ein zweifaches Gebot gibt uns das Grab unseres Vaters. Betet für mich, u. ahmt mir nach. Beides wol- len wir erfüllen, für ihn beten u. auch besonders so zu werden wie er war, so willensstark, so charak- tervoll, so genügsam, so fromm wie er. Wenn wir das werden, dann wird er vereint mit unserer lie- ben Mutter Freude an uns haben u. uns durch seine Fürbitte bei Gott halten. Bei Kerzenschein in einer Höhle am Bergabhang schreibe ich diesen Brief. Vor uns etwa 800m befin- det sich unser Haupt Schützengraben, Laufgräben im Zickzack führen zu ihm hin. [Seite 5] Forts[etzung] am 16.11 Nachmittags Im Schützengraben am 17.11. Konnte gestern nicht weiterschreiben, da ich Arbeit hatte, für meine Gruppe Brot u. Liebesgaben zu empfangen. Dann mußten wir uns fertig machen u. unser Zug spazierte durch den Laufgraben in den Haupt- schützengraben. Der Boden ist lehmig u. von dem Regen der letzten Tage derart schlammig geworden, daß der Dreck bald oben in die Stiefel kommt. Vom Hauptschützengraben sind Laufgräben (Sappen genannt[)] nach vorne gegraben u. vorne ist ein neuer Schützengraben von zwei Gruppen besetzt. Wenn [Seite 6] der Feind angreift ziehen sich diese beiden Gruppen zu- rück zum Hauptschützengraben. Davor sind Drahtverhaue u. darin stehen Maschinengewehre. Wenn also der Franzmann angreifen sollte, dann hageln ihm die "Blauen Bohnen["] derart um die Köpfe, daß er sich schleunigst wieder verduftet. [Skizze der Grabenanlagen] Stellung d. Franzosen Wald Abhang 2 Gruppen Abhang Draht 600 m Posten Hauptschützengraben Laufgräben 1000 m Abhang Unsere Deckungen [Seite 7] Habe dir da in Eile unsere Stellung gezeichnet. Von unserer vordersten Stellung können wir die Franzosen sehen u. die anderen Kompagnien liegen den Franzosen auf höchstens 80 m gegenüber. Der Wald wird besonders hartnäckig verteidigt u. durch das Fernglas können wir die Leichen der Franzosen u. Zuaven[1] herumliegen sehen. Unsere Artillerie, die hinter uns steht, feuert über uns hinweg in die französische Stellung hinein. Die Franzosen haben einen Schützen- graben hinter dem andern mit Draht- hindernissen usw. noch besser als unsere. [Seite 8] Und wenn wir mal stürmen müssen, dann kostet es viel Blut. Die Hauptkämpfe spielen sich des- halb auf den Hügeln ab, u. wenn es uns gelingt, da herum zu kommen, dann muß der Franzmann zurück oder sich gefangen nehmen lassen. Und hoffentlich kommt das bald. Und danach der Friede, damit wir Weih- nachten zuhause sind. Das gebe Gott. Mit den herzlichsten Grüßen Dein Bruder Johannes [1] Zuaven = Soldaten nordafrikanischer Herkunft in der französischen Armee. | ||||||||||||||||
PROVENIENZ | ![]() | ||||||||||||||||
BESTAND | Nachlass Heinrich Stegemann | ||||||||||||||||
SIGNATUR | Nr. 1 | ||||||||||||||||
MATERIAL | Papier | ||||||||||||||||
SPRACHE | deutsch | ||||||||||||||||
ÜBERLIEFERUNGSART | Original | ||||||||||||||||
PROJEKT | ![]() | ||||||||||||||||
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN |
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DATUM AUFNAHME | 2014-03-07 | ||||||||||||||||
DATUM ÄNDERUNG | 2014-04-03 | ||||||||||||||||
AUFRUFE GESAMT | 2957 | ||||||||||||||||
AUFRUFE IM MONAT | 23 | ||||||||||||||||
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