Die Stadt Rüthen im Kreis Soest am Nordrand des Sauerlandes hatte aus Anlass ihrer 800-Jahr-Feier für den 14. und 15. März die Archivarinnen und Archivare aus Westfalen in ihre Mauern geladen. Um das gewählte Thema den technischen Möglichkeiten entsprechend zu präsentieren, konnte jeder Referent direkt im Internet recherchieren, während das Publikum über eine große Leinwand den Bildschirm verfolgte.
In seiner Eröffnungsansprache hob Dr. Norbert Reimann, der Leiter des Westfälischen Archivamtes, hervor, dass die Stadt Rüthen, deren Überlieferung bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht, auch heute ein hauptamtlich besetztes Archiv unterhält. Mit Blick auf das Tagungsthema wies er auf das Tempo des technischen Fortschritts im Bereich der Datenverarbeitung hin und machte auf den Einfluss aufmerksam, den diese Entwicklung auf den Einsatz neuer Technologien im Archiv wie auf die archivische Sicherung ausschließlich digital verfügbarer Informationen hat. Auch wenn keine endgültigen Lösungen zu erwarten seien, müsse nach schrittweisen Lösungsansätzen gesucht werden, die zumindest der gegenwärtigen Situation gerecht würden und für die künftige Entwicklung offen seien. Für die Stadt Rüthen begrüßte Herr Bürgermeister Rudolf Schieren die Teilnehmer und gab einen knappen Überblick über die Geschichte der Stadt.
Im einleitenden Referat berichtete Dr. Gudrun Gersmann von der Universität München anhand des Projektes ,,Ein Server für die frühe Neuzeit" über die Möglichkeiten, das Internet für die historische Forschung zu nutzen. Zugleich eröffnete sie Perspektiven, wie die archivische Arbeit direkt in historische Forschung eingebunden werden kann.
Die erste Arbeitssitzung, die von Frau Katharina Tiemann moderiert wurde, behandelte die Probleme, die die Archivierung digital gespeicherter Überlieferung stellt. Dr. Carsten Müller-Boysen vom Landesarchiv Schleswig zeigte auf, inwiefern digitale Dokumente mit herkömmlichen vergleichbar sind, so dass sie auch archivfachlich entsprechend behandelt werden könnten und sollten. Mit großem Interesse, wenn auch nicht ohne Widerspruch, wurde seine These aufgenommen, dass es in Zukunft nicht in allen Bereichen möglich sein werde, die Überlieferungsbildung wie bisher weiterzuführen, wenn die Unterlagen in einer nicht archivfähigen Form vorlägen.
Herr Frank von Orlikowski vom ACS Dortmund bot einen Einblick in den augenblicklichen Stand des Dokumenten-Mangements aus der Sicht der Industrie. Dabei zeigte sich vor allem, dass in der Fachsprache der Bürokommunikation der Teminus ,,Langzeitarchivierung", mit dem auch gegenüber Verwaltungen operiert wird, die unveränderbare Speicherung von Informationen für einen in der Regel mehrjährigen, aber begrenzten Zeitraum bedeutet. Angesichts der dadurch drohenden Missverständnisse betonte Dr. Reimann, dass die Archive deutlich machen müssten, dass ihre Aufgabe darin bestehe, archivwürdige Informationen auf Dauer, d.h. ohne jede zeitliche Begrenzung, verfügbar zu halten.
Herr Manfred Bals vom Systemhaus Dortmund berichtete über die Einführung digitaler Informationssysteme in der dortigen Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit den betroffenen Einrichtungen. Die Diskussion machte deutlich, wie wichtig es ist, dass sich die Archive bereits im Vorfeld der Umsetzung in diese Diskussion einbringen müssen, wenn ihre Belange berücksichtigt werden sollen.
Abschließend stellte Frau Brigitta Nimz M. A. vom Westfälischen Archivamt den gegenwärtigen Diskussionsstand aus der Sicht der Archive dar. Sie berichtete, in welchen Bereichen der Verwaltung vernehmlich digitale Techniken eingeführt werden und wie die Archive sich daran beteiligen können. Ferner zeigte sie auf, in welche Richtung die archivfachlichen Überlegungen hinsichtlich einer archivischen Sicherung digitaler Informationen gehen. Dabei wurde deutlich, dass eine endgültige Lösung der damit verbundenen Probleme derzeit noch kaum absehbar ist.
Zum Abschluß des Tages lud die Stadt Rüthen die Teilnehmer zu einem Abendessen.
Die Arbeitssitzung des zweiten Tages unter der Leitung von Herrn Rickmer Kießling befasste sich mit den neuen Möglichkeiten, die sich den Archiven durch die Digitalisierung und die Nutzung des Internets bieten. Dr. Frank Bischoff vom Staatsarchiv Münster berichtete über den derzeitigen Stand des Projekts ,,NRW-Archive im Internet". Anhand von Statistiken konnte er aufzeigen, welch hohe Nachfrage dieses Internet-Angebot bereits in den wenigen Monaten seines Bestehens gefunden hat. Er appellierte an die Zuhörer, die dort gebotenen Informationen zu vervollständigen und entwickelte Perspektiven im Hinblick auf die Weiterentwicklung dieses Projekts, insbesondere die geplante Digitalisierung der Findbücher.
Findbücher im Internet waren auch das Thema von Dr. Karsten Uhde von der Archivschule Marburg. Er stellte verschiedene bereits im Internet verfügbare Findbücher sowie das von der Archivschule Marburg entwickelte Modell vor und entwickelte Perspektiven im Hinblick auf eine internationale Vernetzung von Findbüchern im Internet.
Frau Anja Gussek-Revermann vom Stadtarchiv Münster stellte zwei Projekte des Stadtarchivs Münster vor, die das Ziel haben, stadtgeschichtliche Informationen über das Internet anzubieten. Ziel dieser Projekte ist es, über die Leser gedruckter Medien hinaus durch den Einsatz des Internet neue Kreise für Stadtgeschichte zu interessieren und mit fundierten Informationen zu versorgen. Die vorgestellten Projekte beeindruckten durch ihre Professionalität.
Herr Ulrich Biroth vom Kreisarchiv des Märkischen Kreises stellte mit dem dortigen Bildarchiv einen Bereich klassischen Archivgutes vor, der sich in besonderer Weise dazu anbietet, mit digitalen Techniken verarbeitet, erschlossen und benutzbar gemacht zu werden. Bieroth betonte, dass die Digitalisierung nach der Überwindung der technischen Anfangsprobleme hier die Lösung vieler Probleme erleichtere, die die Archive wie auch für die Benutzer gemeinhin vor große Schwierigkeiten stellten.
Abschließend bot Herr Hans-Jürgen Höötmann vom Westfälischen Archivamt einen Überblick über die Möglichkeiten, die sich aus dem Einsatz digitaler Techniken für den Benutzerbetrieb eines Archivs ergeben. Er wies darauf hin, dass die Einführung digitaler Techniken auch in kleineren Einzelschritten möglich sei, so dass der erforderliche Finanzaufwand begrenzt bzw. über einen längeren Zeitraum verteilt werden könne.
Nach der Mittagspause wurden aktuelle Fragen der Archivpflege in Westfalen-Lipppe behandelt. Herr Kießling wies auf eine Tagung zur archivischen Quellenlage über Zwangsarbeiter hin. Dr. Conrad berichtete über aktuelle Arbeitsprojekte und -vorhaben zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges und des Bergwesens im Herzogtum Westfalen. Frau Nimz M.A. referierte den aktuellen Stand der Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste - Fachrichtung Archiv.
Während des zweiten Tages stellten die Firmen Document-Mangement-Service/Dortmund, Lippischer Kombi-Service/Detmold und Optimal-Systems/Hannover im Foyer des Tagungssaales ihre Angebote vor.
Seinen Dank zum Abschluß des Archivtages verband Dr. Reimann mit dem Hinweis, dass die Referate diesmal nicht nur wie gewohnt im nächsten Heft der Zeitschrift ,,Archivpflege in Westfalen und Lippe" (Heft 53) gedruckt, sondern schon vorab über die Homepage des Westfälischen Archivamtes zugänglich gemacht werden sollen.