Digitale Informationstechniken im Archiv lautet die Thematik des 52. westfälischen Archivtages. Das damit vorgezeichnete vielfältige und umfassende Themenspektrum findet seinen entsprechenden Widerhall in der Tagungsfolge, in deren Verlauf sich die Aufgabenstellung der Archive in ihrem natürlichen Ablauf dokumentiert. Denn nach den Fragen hinsichtlich der Auswirkungen der Digitalisierung in der Verwaltung und den Anforderungskatalog an die Archive im Umgang mit dieser Entwicklung sowie den exemplarisch dargestellten Möglichkeiten, die sich den Archiven aufgrund der neuen Techniken hinsichtlich der Außendarstellung durch neue Formen der Informationsvermittlung auf ganz unterschiedlichen Ebenen bieten, kommt man unweigerlich auf ein zentrales Aufgabenfeld, dem die Archive als Dienstleister für die interessierte Öffentlichkeit in besonderer Weise verpflichtet sind - und das ist die Benutzerbetreuung vor Ort im Lesesaal.
In einer Kurzinformation des Westfälischen Archivamtes (WAA) steht der bemerkenswerte Satz Ziel aller Tätigkeit von Archivaren ist die Bereitstellung der verwahrten historischen Informationen für eine Auswertung durch Interessierte. Vereinfacht und verkürzt heißt das: Benutzung ist das oberste Ziel! Sofern dieses Ziel von Archiven verinnerlicht ist, hat das natürlich auch Konsequenzen auf die Arbeitsumgebung für die Benutzer. Der unaufhörlich wachsende Einfluss der Informationstechnologie auf grundlegende Arbeitsverhältnisse macht vor den Archiven nicht halt und die bisherige Entwicklung hat uns eindrucksvoll gezeigt, dass die Archive von den Veränderungen, die die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft mit sich bringt, nicht verschont werden. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung nun auf den Öffentlichkeitsbereich der Archive, insbesondere auf die Ausgestaltung des Lesesaalbereiches? Kann die Einbindung neuer technischer Arbeitsmöglichkeiten in den Betriebsablauf des Lesesaals die archivische Dienstleistung und somit auch die öffentliche Wahrnehmung verbessern?
Ein Referat zu einer solchen Fragestellung gestaltet sich insofern schwierig, als ein Ende der technischen Innovation noch nicht abzusehen ist und man immer den Spagat vollbringt zwischen dem derzeitigen Status quo, der zudem in den einzelnen Archiven sehr unterschiedliche Formen aufweist, und den prognostizierten Entwicklungstendenzen, deren Dimensionen noch nicht abschließend zu erkennen sind. Allerdings gebietet es das Interesse an der vitalen Weiterentwicklung des Archivs und der Akzeptanz seitens der Benutzer, aber auch der eigenen Verwaltung, dass sich die durch die Fülle der technischen Möglichkeiten geänderten Rahmenbedingungen auch auf die archivische Tätigkeit im Benutzerbereich auswirken.
Im folgenden sollen die Auswirkungen der digitalen Informationstechnologie auf den Lesesaalbetrieb beleuchtet werden, wobei als Grundlage die Konzeption der Lesesaalgestaltung im WAA dient, die aufgrund des Aufgabenbestandes insbesondere in der Archivpflege einen gewissen Vorbildcharakter tragen soll, die aber perspektivisch im Hinblick auf einen weiteren Ausbau der Serviceleistungen im digitalen Bereich durchaus noch erweiterungsfähig ist. Die Darstellung wird die Gestaltung der Arbeitsplätze für die Benutzer sowie die Funktion des Internets zur Verbesserung des Arbeitsumfeldes im Lesesaal umfassen. Außerdem wird vorgestellt, wie durch die technischen Möglichkeiten die bislang gegensätzlichen Ansprüche zwischen der archivischen Bestandserhaltung einerseits und dem Verlangen der Benutzer nach Erstellung von Arbeitskopien andererseits zu einer gemeinsamen Lösung geführt werden können. Es folgen Anmerkungen zu den Integrationsvoraussetzungen bei der maßvollen Umsetzung der geschilderten Möglichkeiten, denn eine Realisierung hängt selbstverständlich entscheidend von den unterschiedlichen verwaltungsinternen Vorgaben und den Anforderungen der potentiellen Benutzer ab. Darauf hinzuweisen ist schließlich, dass in diesem Beitrag nicht detaillierte technikspezifische Ausführungen zu erwarten sind, sondern grundlegende Überlegungen zur strukturellen Beschaffenheit eines modern ausgerichteten technischen Lesesaalbereiches, wie er in nicht allzuferner Zeit vermutlich Standard sein dürfte.
2. Gestaltung der Einzelarbeitsplätze im Lesesaal
Die Funktion des Lesesaals als Vorzeigestube des Archivs, die den Benutzern den bleibenden Eindruck von der Institution Archiv vermittelt, dürfte unbestritten sein. Und der Grad der Serviceleistungen, die hier erbracht werden, ist einer der bestimmenden Faktoren, die maßgeblich sind für das Erscheinungsbild des Archivs und der damit verbundenen Außenwirkung.
Unter dieser Prämisse ist eine benutzerfreundliche Gestaltung der Einzelarbeitsplätze eine Selbstverständlichkeit. Die durch die technische Entwicklung bedingten Veränderungen der Arbeitsweise und Arbeitstechniken müssen ihren Niederschlag am Arbeitsplatz des Benutzers finden. Hier sind zwei Faktoren entscheidend: Zum einen die Bereitstellung von Arbeitstischen mit ausreichender Grundfläche, die es erlauben, neben den Archivalien auch bequem Findmittel und das Arbeitswerkzeug der Benutzer, und das heißt nach den Beobachtungen und Erfahrungen im Lesesaal des WAA eine eindeutig zu beobachtende Trendwende weg vom Papierblock hin zur Arbeit mit Notebooks, zu platzieren. Und damit korrespondiert unmittelbar die Notwendigkeit, Stromanschlüsse und wenn möglich auch Netzanschlüsse direkt am Arbeitstisch anzubieten. Im WAA haben die Benutzertische eine Größe von 120 x 80 cm, sie sind höhenverstellbar und entsprechen somit ergonomischen Anforderungen, die insbesondere im EDV-Zeitalter nicht nur für die Festarbeitsplätze der Bediensteten sondern natürlich auch für die Benutzer zu beachten sind. Der Stromanschluss liegt in einer Kabelwanne des Arbeitstisches. Zusätzlich ist optional jeder Arbeitsplatz mit einem Netzanschluss ausgestattet, der über Kabelschächte im Boden mit dem Nezt des WAA verbunden werden kann. Allerdings ist die unmittelbare Nutzung des Netzanschlusses durch die flexible Einbindung von Notebooks der Benutzer an das Netz des WAA derzeit aus technischen Gründen noch nicht möglich, wird jedoch durchaus für die Zukunft in Erwägung gezogen. Voraussetzung für eine Realisierung ist eine ausgefeilte Verteilung von Zugriffsrechten auf das Netz des WAA für die Benutzer, wodurch ihnen ausschließlich die Nutzung der Bibliotheks- und Bestandsdateien sowie der auf dem CD-ROM-Server vorgehaltenen CD-ROMs ermöglicht wird und sie zwar einen Lesezugriff mit den entsprechenden Recherchemöglichkeiten aber keinen Schreibzugriff besitzen. (Fussnote 2)
Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass dieser doch recht hohe Standard insbesondere durch den Neubau des Archivamtes ohne größere Probleme im finanziellen und technischen bzw. bautechnischen Bereich realisiert werden konnte. Natürlich ist auch in gewachsenen Lesesälen die Installation der Technik an den Einzelarbeitsplätzen der Benutzer möglich, allerdings sind hierbei dann - wie auch bei einem Neubau - grundsätzliche Überlegungen zur funktionellen Gestaltung des Lesesaales und darüber hinaus des zukünftigen gesamtarchivischen Arbeitsablaufes notwendig. Gemäß den obigen Ausführungen sollte unabdingbar die Möglichkeit bestehen, an allen Arbeitsplätzen einen Computer anzuschließen. Wie aber sieht es darüber hinausgehend konkret mit einem Netzanschluss aus, mittels dessen die Benutzer online in den archivischen Findmitteln und auch in den Bibliothekskatalogen recherchieren können? Besteht für eine solche Option ein Bedarf? Liegen bereits Findmittel und Kataloge in elektronischer Form vor oder bestehen zumindest konzeptionelle Planungen in diesem Bereich, die bis zur Retrokonversion der konventionellen Bestandsaufnahmen reichen können? Der Faden soll hier bewusst nicht in die Richtung einer denkbaren Nutzung digitalisierter Bestandsdaten, seien es nun digital erzeugte und verwaltete Unterlagen oder aber zwecks Nutzungskomfort digitalisiertes Archivgut aus dem konventionellen Bereich, weitergesponnen werden, denn hier bedarf es sicherlich neben dem theoretischen Ansatz noch verstärkter praxisorientierter Erfahrungen. Es ist aber ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sich die Infrastruktur des traditionellen Lesesaales aufgrund der sich wandelnden vorbeschriebenen Rahmenbedingungen zwangsläufig mittelfristig ändern wird und auch ändern muss. Und bei der Diskussion um angemessene Reaktionen auf den Einsatz der elektronischen Aktenführung sollte perspektivisch auch immer bedacht werden, wie diese Materialien den Benutzern zur Verfügung gestellt werden können.
3. Das Internet als Medium zur Verbesserung des Arbeitsumfeldes für Benutzer
Der gesellschaftliche Systemwandel, den unsere Generation unmittelbar erlebt und deshalb die bahnbrechenden Auswirkungen auch nicht weder mit der notwendigen Distanz reflektieren noch endgültig einschätzen kann, hat zur unabweisbaren Folge, dass die Informationsangebote der Archive kundenorientiert gestaltet werden müssen und dass vom Archiv als Service-Einrichtung professionelle Dienstleistungen erwartet werden.
Den Archiven ist lange Zeit, oftmals auch nicht zu Unrecht, ein verstaubtes Image nachgesagt worden. Gemälde von Carl Spitzweg mit Szenen aus dem Leben von Sonderlingen in der Zeit von Biedermeier und Restauration mussten häufig für eine Charakterisierung herhalten und die traditionell eher retrospektiv geprägte archivische Arbeitsweise und Arbeitsorganisation hat wesentlich zu dieser öffentlichen Einschätzung beigetragen. Vielleicht liegt hier auch einer der Gründe, weshalb sich die Archive oftmals noch damit schwer tun, in ihren Lesesälen den Benutzern einen Internet-Zugang zur Verfügung zu stellen bzw. sich grundsätzlich mit den Möglichkeiten, die das Internet für die Archive bietet, auseinanderzusetzen.
Nach den Ausführungen von Frank M. Bischoff in einem Beitrag zum Wandel der archivischen Informationsvermittlung (Fussnote 3) stellt sich indes nicht die Frage, ob eine aktive Beteiligung am World Wide Web sinnvoll ist, sondern vielmehr welche Informationen die Archive im Internet anbieten sollten. Das Angebot von Informationsdienstleistungen im Internet durch Archive für den potentiellen Nutzer - sozusagen als Außendarstellung - impliziert allerdings konsequenterweise, dass auch dem Benutzer vor Ort die Möglichkeit geboten wird, Informationen mit Hilfe des Mediums Internet schnell und zielgerichtet abzurufen. Arbeitsorganisation und Serviceerwartungen der Benutzer sind einem Wandel unterworfen, dessen Auswirkungen auch die Archive Rechenschaft tragen müssen. (Fussnote 4) Aus diesem Grund bietet das WAA im Benutzerbereich für erweiterte Recherchemöglichkeiten einen Internet-Zugang an. Nicht verkannt wird dabei die Tatsache, dass es für einen Großteil der Benutzer noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit bedeutet, sich dieses Mediums bei ihrer Arbeit zu bedienen. Problembehaftet sind die bei der jetzigen Benutzerstruktur in Teilen noch stark ausgeprägten psychologischen Herausforderungen des Internets, die sich in fehlender Akzeptanz, verursacht durch Berührungsängste sowie der Unkenntnis der Nutzungsmöglichkeiten einerseits und im Erlernen des Umgangs mit Informationsüberflutung andererseits, manifestiert. Dieses Problem, das wegen der stetig expandierenden Internetnutzung zeitlich begrenzt sein dürfte, versucht das Archivamt mit einem Verzeichnis von Internetadressen zu begegnen. Dieses Verzeichnis ist aufgeteilt in einen archivischen und einen bibliothekarischen Teil. Im archivischen Teil finden sich beispielsweise die Adressen des Projekts Archive in Nordrhein-Westfalen im Inter;net, des Vereins deutscher Archivare, des Vereins deutscher Wirtschaftsarchivare, der Archivschule Marburg, der Fachhochschule Potsdam, der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung und des Projekts Archivnet, das sich als Forum für den archivfachlichen Erfahrungsaustausch versteht. Der bibliothekarische Bereich enthält u.a. die Adressen der Universitäts- und Landesbibliothek Münster, der Datenbank zur aktuellen Geschichtsliteratur (die von der Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen betrieben wird), sowie des Karlsruher Virtuellen Katalogs, in dem die UB Karlsruhe ca. 60 Millionen Bücher und Zeitschriften weltweit nachweist.
Die über den Benutzer-PC des Lesesaals bereitgestellten Informationen aus den verschiedenen Internetadressen können über den eigens dafür installierten Drucker von den Benutzern im Bedarfsfall an Ort und Stelle ausgedruckt werden.
Angefügt werden soll an dieser Stelle noch, dass den Benutzern der PC auch bereitgestellt wird, um direkt in den bereits elektronisch erfaßten und nicht mit Sperrvermerken versehenen Archivbeständen sowie im Bibliotheksbestand des Archivamtes recherchieren zu können. Diese effektive Informationsvermittlung zu den Beständen setzt aber umfangreiche Vorarbeiten und auch Finanzmittel voraus, benennen möchte ich hier nur die Übertragung von konventionellen Findbüchern oder Katalogen in eine digitale Form - also die Retrokonversion, sei es nun in manueller oder automatischer Form.
4. Nutzung neuer (Reproduktions-)Technologien zur Ausweitung und Verbesserung archivischer Dienstleistungen im Lesesaal
Der Stellenwert von Öffentlichkeitsarbeit braucht an dieser Stelle nicht näher erläutert zu werden, die Akzeptanz der Kommunalarchive steht und fällt mit der Quantität und Qualität öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen und der Bereitschaft, den Benutzern optimale Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Ein Grundproblem hierbei ist stets die Frage nach dem Einsatz des Fotokopierers. Der oftmals verständliche und nachvollziehbare Wunsch der Benutzer nach Arbeitskopien aus Archivalien bedingt einen Zielkonflikt mit dem Interesse und dem gesetzlichen Auftrag der Archive, das Archivgut zu erhalten. Egal, ob nun eine eher restriktivere oder liberalere Haltung der Archive gegenüber den Kopierwünschen von Benutzern vertreten wird, es bleibt stets ein Spannungsverhältnis zwischen dem Ansinnen der Benutzer nach effektiven und komfortablen Nutzungsmöglichkeiten und dem Bestreben der Archive nach dauerhafter Sicherung und Bestandserhaltung.
Einen Ausweg aus dieser Konfliktsituation kann die konsequente Nutzung moderner Technologien bieten. Waren bisher Fotokopierer und Reader-Printer die beherrschenden Medien im technischen Lesesaalbereich, wird diese Rolle zukünftig von Buch-Scannern und Mikrofilm-Scannern übernommen werden.
Während der Mikrofilm-Scanner den Benutzern in erster Linie verbesserte, d.h. vielfältigere Benutzungsmöglichkeiten bietet, indem die eingescannten Mikrofilme und Mikrofiches mittels einer speziellen Scansoftware am PC digital weiterbearbeitet werden können, ermöglicht der Buch-Scanner einen Interessenausgleich und tragfähigen Kompromiss zwischen der Erwartungshaltung der Benutzer und deren Wünschen nach Reproduktionen auf der einen und dem Bestreben der Archive nach Überlieferungssicherung auf der anderen Seite. Dabei spielen zwei Faktoren eine wesentliche Rolle: Zum einen erfolgt die Belichtung von oben, so dass man die Kopiervorlage nicht um 180 wenden muss, zum anderen ermöglicht der Scanner in Verbindung mit der erforderlichen Software auch bei voluminöseren Aktenbänden oder Amtsbüchern eine relativ problemlose Reproduktion. Selbst schwierige sperrige Vorlagen, bei denen die Falz derart gewölbt ist, dass sich eine Reproduktion über einen Fotokopierer von selbst verbietet (abgesehen davon, dass an den Innenseiten der Vorlage mehr oder minder gravierende Informationsverluste bei einer etwaigen Kopierung nicht zu vermeiden wären), können aufgrund der Scansoftware mit Funktionen wie Wölbungs- und Bundstegkorrektur weitestgehend ohne Informationsverluste reproduziert werden.
Allerdings ist hier hinzuzufügen, dass der Kopiervorgang einiger Übung und zumindest im Anfangsstadium auch einiger Zeit bedarf, denn gerade bei Archivalien ist jede Vorlage strukturell unterschiedlich geformt und bedarf deshalb häufig einer manuellen Einstellung von Schärfe und Belichtung. Ein Problem, das sich ausweitet, wenn ggf. der Benutzer selbst seine Kopien erstellen soll. Hier werden ganz neue Anforderungen an die Benutzer, aber auch an die Archivbediensteten gestellt und es obliegt der Lesesaalorganisation, den jeweiligen örtlichen Umständen gemäß auf diese Herausforderung zu reagieren.
Hervorzuheben ist jedoch, dass durch dieses schonende Kopierverfahren eine mechanische Beschädigung der Kopiervorlagen bei sachgemäßer Handhabung nahezu ausgeschlossen ist und der bei Kopiervorgängen oftmals zu beobachtende Substanzverlust an Archivalien vermieden wird.
Durch die Einbindung von Hard- und Softwarekomponenten kann die Leistungsfähigkeit des Buch-Scanners maßgeblich gesteigert werden. So können mit dem Anschluss des Scanners an einen Server-PC und der Einbindung eines Dokumenten-Management-Systems die digitalen Daten bearbeitet und anschließend gedruckt, kopiert, auf Festplatte, Diskette oder CD-ROM abgespeichert bzw. geschrieben und darüber hinaus ins Internet gestellt werden. Da über die Anwender-Software die Scans indiziert werden können, besteht beispielsweise auch die Möglichkeit, häufig genutzte Archivalien systematisch digital abzuspeichern und den Benutzern als Arbeits- oder Reproduktionsvorlage online zur Verfügung zu stellen.
Kurz angedeutet werden soll auch die Perspektive, sowohl den Microfiche-Scanner als auch den Buch-Scanner durch Einbindung eines Dokumenten-Management-Systems beispielsweise für Editionsprojekte, sachthematische Inventare etc. zu nutzen - ein Aspekt, der nicht nur für die Archivbenutzer sondern auch für die Archive und deren publizistische Öffentlichkeitsarbeit interessant ist. Denn durch die Weiterverarbeitung der eingescannten Vorlagen direkt am Bildschirm kann die Herausgabe von Editionen und Sachinventaren in einzelnen Bearbeitungsstufen wesentlich erleichtert und komfortabler gestaltet werden. Allerdings sind hierfür standardisierte Schrifttypen der Vorlagen und eine Texterkennungssoftware in Verbindung mit einer leistungsfähigen Textverarbeitung die zwingende Voraussetzung.
Entscheidend für einen projektierten Einsatz der vorgeschilderten technischen Möglichkeiten ist natürlich die damit verbundene finanzielle Belastung. Um eine Vorstellung darüber zu gewinnen, sollen hier die Anschaffungskosten der vorgeschilderten Technologien ansatzweise kurz beziffert werden, wobei es sich bei den Summenangaben um grobe Richtwerte handelt. Erfahrungsgemäß ist davon auszugehen, dass die Preise zumindest mittelfristig fallen werden. Ein Microfilm-Scanner kostet als Grundausstattung ca. 9.000 DM, für die Hard- und Software zur digitalen Weiterverarbeitung der Vorlagen fallen nochmals je nach Ausstattung (Scan- und Digitalisierungssoftware, PC, Monitor, CD-ROM Brenner) ca. 8. - 11.000 DM an, ggf. noch die Kosten für einen Kopierer oder Drucker. Für die Anschaffung eines Buch-Scanners mit Drucker sind ca. 25. - 30.000 DM zu veranschlagen. Bei einer über die reine Reproduktionsfunktion hinausgehenden Ausstattung, die ebenfalls eine digitale Weiterverarbeitung ermöglicht, belaufen sich die Kosten für zusätzliche Hard- und Software - die allerdings schon teilweise über den Mikrofilm-Scanner abgedeckt sein können - je nach Ausstattung auf ca. 6. - 12.000 DM. Die Anschaffung einer kompletten Reproduktions- und Digitalisierungseinrichtung würde demzufolge den Haushalt mit ca. 60. - 70.000 DM belasten.
Die Bereitstellung einer solchen Summe dürfte von den meisten Kämmereien abgelehnt werden. Es ist aber zu überlegen, ob nicht auch sozusagen als Einstieg in die neuen Technologien Einzelkomponenten der oben skizzierten Gesamteinrichtung auf einer abgespeckten und auch umsetzbaren finanziellen Basis zum Einsatz kommen können. Während die Anschaffung eines Mikrofilm-Scanners nur Sinn macht, wenn dazu auch zumindest optional die für digitale Weiterverarbeitungen erforderliche Hard- und Software beschafft wird, kann sich allein aus konservatorischen Gesichtspunkten der Erwerb eines Buch-Scanners auch ohne zusätzliche Kosten für Soft- und Hardware lohnen. Zu prüfen ist auch, ob durch Leasing-Angebote eine Realisierung erleichtert werden kann bzw. ob sich Spielräume durch vorhandene Rahmenverträge der Verwaltung über die Anmietung von technischen Geräten ergeben.
5. Integrationsvoraussetzungen für den Einsatz neuer Technologien
Gerade wegen der nicht unerheblichen Kostenkomponente ist beim Einstieg in eine technische Neuorientierung des Öffentlichkeitsbereiches allerdings sehr sorgfältig zu hinterfragen, wie sich Öffentlichkeitsarbeit im Archiv definiert, wo die Benutzungsschwerpunkte liegen, aber sicherlich auch, wie hoch die Benutzungsfrequenz und -intensität überhaupt ist. So ist beispielsweise den Archiven mit einem Nutzungsschwerpunkt im Bereich der Zeitungssammlungen, der sich auch in der bereits vorhandenen Infrastruktur dokumentiert, die von der Verfilmung/Verfichung bis zur Bereitstellung eines Reader-Printers reicht, zumindest mittelfristig zum Umstieg auf Mikrofilm-Scanner zu raten.
Grundsätzlich gilt, dass die Anwendung der für Archive grundlegend neuen Technologien eine Modernisierung der Archive fördert. Und obgleich sich die Anschaffung eines Buch-Scanners über die Einnahme von Kopiergebühren niemals amortisieren wird, liegen doch gute Argumentationsmöglichkeiten vor, um die Verwaltung von den Vorteilen einer solchen Anschaffung zu überzeugen. Dabei ist die Anführung imaginärer Kosteneinsparungen durch den konsequenten Einsatz von Buch-Scannern und der dadurch eventuell eingesparten Instandsetzungskosten für Archivgut eher kontraproduktiv. Hilfreich sind vielmehr gesellschaftspolitische und innovativ-technische Beweggründe. Und hierbei greifen dann die in unserer Zeit so gängigen und populären Schlagworte wie Kundenorientierung, Service und Dienstleistung für den Bürger. Diese Zielanforderungen sind über die neuen Reproduktionstechnologien verbunden mit dem existentiellem Bestreben nach Erhalt des in den Magazinen für die Benutzung vorgehaltenen unersetzlichen Kulturgutes. Nicht zuletzt sind zufriedene Benutzer gerade im kommunalen Bereich ein nicht zu unterschätzender Multiplikations- und auch Identifikationsfaktor. Die Außenwirkung des Archivs ist ein wesentliches Kriterium, das den Rückhalt und auch die Interessenwahrnehmung durch die Bürger bestimmt. Durch einen kompetenten und zeitnahen Service, gerade in dem sensiblen Bereich der Reproduktionsmöglichkeiten, kann die Akzeptanz in diesem Teilbereich der Öffentlichkeitsarbeit wesentlich gefördert werden.
Die Umsetzung der neuen Techniken, insbesondere an den Einzelarbeitsplätzen der Benutzer, bedingt teilweise Baumaßnahmen. Hierbei sollte - egal ob Neu-, Um- oder Ausbau - in jedem Falle auf die bauliche Verwirklichung der durch die technische Entwicklung notwendig gewordenen archivfachlichen Anforderungen geachtet werden. Planungen wie die Installation von Kabelkanälen und die Anordnung von Fußbodenraster für Steckdosen ist nicht nur den Architekten zu überlassen. Gerade in diesem Bereich ist es auch wichtig, perspektivisch zu denken und in einem vertretbaren Rahmen wegen des schnelllebigen technischen Fortschritts und der damit verbundenen Erweiterungs- und Ausbaumöglichkeiten durchaus großzügig zu planen. Die Archive müssen die archivtechnisch begründeten Anforderungen formulieren und für deren Umsetzung sorgen, wobei strikt darauf zu achten ist, dass die archivfachliche Zielsetzung das Maß aller Dinge ist. (Fussnote 5)
Nun ist allerdings bei einer realistischen Sichtweise zu konstatieren, dass sich nicht jede Kommunalverwaltung weder kurz- noch mittelfristig die gewünschte und optimierte Infrastruktur für eine Benutzung aufbauen kann. Es ist aber m.E. unabdingbar, sich mit den zur Zeit auf dem Markt befindlichen Möglichkeiten bewusst auseinanderzusetzen und für das eigene Archiv auszuloten, was sinnvoll und auch finanziell machbar ist.
Vereinfachend ist festzuhalten, dass drei Faktoren die Integration neuer Techniken bestimmen:
a) der Entwicklungsstand, den die Institution Archiv hinsichtlich der Bestands- und Erschließungsstruktur sowie der Benutzerinfrastruktur verkörpert, b) die Bereitschaft der Archivbediensteten, sich mit neuen Arbeitsmedien auseinanderzusetzen und diese Medien auch für die Benutzer zu etablieren und c) die Bereitschaft von Politik und Verwaltung, die finanziellen Mittel bereitzustellen.
6. Zusammenfassung
Der tiefgreifende Strukturwandel der Gesellschaft bewirkt vielfältige Veränderungen, denen sich die Archive nicht entziehen können sondern denen sie sich vielmehr aktiv-beteiligend stellen sollten. Und das nicht nur in der Innenwirkung, etwa bei der Archivierung digitaler Unterlagen, sondern auch in der Außenwirkung, bei der Präsentation der von ihnen verwahrten Kulturgüter und somit der Wahrnehmung ihrer Funktion als zukunftsweisender Ort der Forschung und der Informationsvermittlung.
Archive sind kein Mittel zum Selbstzweck. Letztendlich dokumentiert sich ihr Wert in der öffentlichen Resonanz und dem Nutzungsgrad der in den Magazinen verwahrten Quellen. Gerade in den Kommunalarchiven ist damit eine bewusste Hinwendung zu den Benutzern und zur gezielten Einbindung von Öffentlichkeit verbunden. Der technische Wandel ist dabei als Chance zu begreifen, den Benutzern das Archiv als moderne, funktional ausgestattete Forschungsstätte zu präsentieren, die sich hinter anderen Kultureinrichtungen nicht zu verstecken braucht.
Der Wandel kann sich in mehreren Etappen vollziehen und ist nicht zuletzt abhängig von der bisherigen Infrastruktur des Benutzersaales. Er reicht von einer konsequenten Vernetzung über die Bereitstellung umfassender Informationsangebote bis hin zum Abbau von Interessenkonflikten zwischen Sicherung und Nutzung und führt insgesamt zu einem wesentlich verbesserten Dienstleistungsangebot. Voraussetzung dafür ist die erforderliche Bereitschaft der Archivbediensteten, sich bewusst mit den technischen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und zu prüfen, welche Anwendungsmöglichkeiten jeweils sinnvoll und erforderlich sind. Dabei sollten auch vor dem Hintergrund beschränkter finanzieller Spielräume die berechtigten Interessen der Archive offensiv und nachhaltig vertreten werden.
Es ist aber nochmals zu betonen, dass der Einsatz neuer Technologien nicht ohne gewisse Reibungsverluste einhergeht. Denn gerade im Anfangsstadium setzt die Beschäftigung mit der Funktionsweise und den vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten eine recht intensive inhaltliche und zeitliche Beanspruchung der Archivbediensteten voraus, die nicht unterschätzt werden sollte.
Deshalb ist abschließend auch zu empfehlen, sich bei Archiven, die bereits Erfahrungen mit dem Einsatz verbesserter technischer Dienstleistungsstrukturen aufweisen, konkret und praxisnah vor Ort zu informieren und sich im kritischen Dialog auch ein realistisches Bild darüber zu verschaffen, welche technischen Neuerungen für das eigene Archiv sinnvoll erscheinen.^
Fussnote 1: Für Diskussionen und Hinweise bin ich meiner Kollegin Brigitta Nimz M.A. zu Dank verpflichtet. zurück zum Verweis
Fussnote 2: Wesentliche Voraussetzung für eine partielle Netzeinbindung ist auch die zufriedenstellende Lösung der Virenproblematik. Wenn in diesem Bereich keine eindeutige Sicherheit gewährleistet werden kann, ist zu überlegen, ob den Benutzern alternativ Terminals zur Verfügung gestellt werden, die in ausreichender Anzahl zu installieren wären, oder ob als idealere Lösung an jedem Benutzerplatz die erforderliche Hardware bereitgestellt werden kann. zurück zum Verweis
Fussnote 3: Frank M. Bischoff, Archivische Informationsvermittlung im Wandel: Internetverbund, Rechercheservice und Datenpflege in Nordrhein-Westfalen, in: Die Rolle der Archive in Online-Informationssystemen. Beiträge zum Workshop im Staatsarchiv Münster, 8.-9. Juli 1998, hrsg. von Frank M. Bischoff und Wilfried Reininghaus (Münster 1999), hier S. 58. Vgl. auch im selben Band den kurzen Abriss über die Entwicklung der Internetangebote von Karsten Uhde, Das Internet-Archiv - Möglichkeiten und Grenzen der Arbeit im und mit dem Internet für Archive, hier S. 19f. zurück zum Verweis
Fussnote 4: Die im Wandel begriffenen Erwartungsprofile der Benutzer wirken sich kurzfristig nicht unmittelbar bemerkbar auf die Archive aus. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass zukünftig verstärkt nicht nur die Quellenbestände für die Benutzer als alleiniges Kriterium für den Archivbesuch fungieren werden, sondern dass vielmehr auch das auf der Informations- und Kommunikationsebene gebotene Arbeitsumfeld eine wesentliche Rolle spielen dürfte. Stefan Haas entwickelt in seinem Beitrag ,,Die Geschichtswissenschaft und der Internet-Auftritt der Archive" für den Workshop im Staatsarchiv Münster (vgl. Anm. 2) sogar die These vom Konkurrenzkampf um die Benutzer (S. 210). Mag diese Formulierung auf den ersten Blick auch etwas überpointiert wirken, so führt sie im Kern doch die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Archivlandschaft vor Augen und verdeutlicht die Notwendigkeit, sich intensiv mit Fragen der Internet-Präsentation zu befassen. zurück zum Verweis
Fussnote 5: Vgl. Wilfried Schöntag, Archivzweckbauten. Grundsätze zur Planung von Neu- und Umbauten und deren Einrichtung , in: Der Archivar, Jg. 33, 1980, H. 2, hier v.a. Sp. 199 ff. zurück zum Verweis