Wie sich Archive dem neuen Medium Internet stellen können, ist in den letzten Jahren intensiv diskutiert worden Die Archive nutzen das Word Wide Web zur Recherche und eigenen Präsentation. Sie geben grundlegende Informationen über die eigene Institution, sie stellen neue Publikationen vor oder berichteten über geplante Forschungs- und Arbeitsprojekte. Die meisten größeren Stadtarchive verfügen inzwischen über eine eigene Homepage. Die des Stadtarchivs Münster (www.muenster.de/stadt/archiv) informiert über Aufgaben und Angebote (Bestände und Bibliothek), Arbeitsmöglichkeiten im Lesesaal oder aktuelle Vorhaben. Neben der Präsentation der eigenen Institution, einschließlich der Einstellung von Bestandsübersichten zielen weitere Überlegungen auf die Ermöglichung von Online-Recherchen in den archivischen Findmitteln. (Fussnote 1) Die Voraussetzung dafür werden beim Stadtarchiv Münster gerade geschaffen.
In den Niederlanden gibt es weitere Beispiele für die Einbindung des Internets in die Archivarbeit. Auch dort wird das Internet als Einrichtung begriffen, sich selbst vorzustellen oder Online-Findmittel zur Verfügung zu stellen. Es wird aber auch als neuer Weg der Kommunikation und des Services für die Bürgerinnen und Bürger verstanden. Gerade im Bereich der Services können den Archiven weitere Aufgaben erwachsen. (Fussnote 2) Der allgemeine Bedarf an schnell abrufbaren Informationen vielfältigster Art über elektronische Medien wächst zur Zeit enorm. Daraus ergibt sich für die archivische Arbeit die Chance, stadtgeschichtliche Informationen und Dokumentationsmaterial über den herkömmlichen Rahmen von Büchern oder Ausstellungen hinaus einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Die Archive werden zu stadtgeschichtlichen Informationsvermittlungsstellen. In der Einleitung zu dem Band über die ,,Rolle der Archive in Online-Informationssystemen" sprechen Frank Bischoff und Wilfried Reininghaus davon, dass ,,Archivare in der Pflicht stehen neben der Rolle des Historikers und jener des Records Managers zunehmend auch die des Informationsbrokers einzunehmen". (Fussnote 3)
Das Stadtarchiv Münster vertritt diesen Ansatz und möchte sich im Arbeitsbereich ,,Stadtgeschichtliche Dokumentation" als historisches Informationszentrum neu definieren. Archive können gerade auch in Bezug auf das neue Medium Internet zu Dienstleistungsinstitutionen neuer Art werden. Sie spezialisieren sich dabei auf die Bereitstellung stadtgeschichtlicher Informationen und deren Aufbereitung.
Zur Zielsetzung der ,,Stadtgeschichtlichen Dokumentation" gehört zum einen die Veröffentlichung von verschiedenen Informationspools in den sogenannten Neuen Medien. Es soll ein System themenbezogener Dokumentation aufgebaut werden. Dazu sind historische Daten, Informationen und Dokumentationsgut zu Ereignissen, Personen, Lokalitäten zu sammeln, in Datenbanken oder digitalen Dossiers aufzubereiten und in geeigneter Form zu präsentieren. Die konzeptionellen Vorüberlegungen stehen kurz vor ihrem Abschluss. Begonnen werden soll zunächst mit einer Datenbank zu stadtgeschichtlich relevanten Personen und Persönlichkeiten.
Eine weitere Möglichkeit und Perspektive der Informationsvermittlung durch Archive besteht in der Präsentation von Ergebnissen stadtgeschichtlicher Forschungen im Internet. Sicher kann man fragen, ist es überhaupt die Aufgabe eines Archivs stadtgeschichtliche Informationen im Internet zu präsentieren. Unbestritten ist wohl, dass Archive stadtgeschichtliche Forschung betreiben und diese auch veröffentlichen. Die Publikation von Chroniken und Stadtgeschichten in Buchform oder die Präsentation in herkömmlichen Ausstellungen resultiert gewöhnlich daraus. Eine Alternative stellt das Internet dar. Es hat durchaus Vorzüge: Der Zugang ist inzwischen eigentlich problemlos, erschwinglich und immer verbreiteter. Räumliche, zeitliche oder organisatorische Beschränkungen der Nutzung fallen weg. Das Internet bietet zudem Verknüpfungsmöglichkeiten mit anderen Informationsquellen.
Das neue Informationsmedium bietet den Vorteil, stadtgeschichtliche Themen interessant und visuell ansprechend an eine breite Nutzergruppe heranzutragen. Bei der Bereitstellung von Informationen im Internet ist zu beachten, dass die Zielgruppe grundsätzlich eine breit gestreute, sehr unterschiedliche Nutzerschar ist, die kaum Vorwissen hat. Die Präsentation stadtgeschichtlicher Informationen ist abzustellen auf ein eher diffuses nichtwissenschaftliches Laienpublikum und auf die Nutzungsgewohnheiten des Mediums Internet. Potentielle Nutzer verweilen erfahrungsgemäß nur kurzfristig auf einer Seite und der Aufmerksamkeitsgrad nimmt schnell ab. Eine internetgerechte Strukturierung und Aufbereitung ist daher erforderlich. Für den Aufbau gibt es zunächst die Möglichkeit einer linearen Baumstruktur. Hier sind die Inhalte hierarchisch aufgebaut. Sie entspricht dem Medium nicht voll, da ein ungehemmtes Bewegen in der Ausstellung nicht sachgerecht ist. Die Alternative besteht in der Erstellung eines ,,Hypertext-Netzes" von gleichrangig angeordneten Inhaltsseiten. Alle Informationen stehen gleichrangig nebeneinander und sollten unabhängig voneinander immer nachvollziehbar und verständlich sein. Dies entspricht dem Medium Internet sicher am besten. Für die WWW-Projekte des Stadtarchivs Münster wurde die eher gewohnte Baumstruktur gewählt. Für die Aufbereitung beider Themen galten folgende Prinzipien:
,,Kongreßstadt Münster 1643 -- 1649"
Diese WWW-Präsentation bedeutete den ersten Schritt in die multimediale Welt. Sie wurde im Rahmen der Veranstaltungen zum Jubiläum »350 Jahre Westfälischer Frieden« im Jahre 1998 vorbereitet. Das Vorhaben koordinierte eine Projektgruppe des Stadtarchivs, die für die Text- und Bildredaktion und die technische Umsetzung zuständig war. Das Angebot war an vier stationären Rechnern in der Bürgerhalle des münsterischen Rathauses installiert. Im Lesesaal des Stadtarchivs Münster steht ebenfalls ein Offline-Computer. Beide Präsentationen sind selbstverständlich auch im World Wide Web abrufbar und gehören dauerhaft zum städtischen Internet-Angebot »publikom«. (Fussnote 4)
Die Internetpräsentation möchte den Nutzerinnen und Nutzern vermitteln, dass die Ausrichtung des Kongresses im Rahmen damaliger Lebensumstände für die Stadt und ihre Bevölkerung eine große organisatorische Leistung und einen hohen ökonomischen Aufwand bedeutete. Das Angebot soll Interesse wecken an dem Thema und keine umfassende wissenschaftliche Behandlung jedes Aspektes beinhalten. Die virtuelle Ausstellung zur Kongressstadt ist in fünf Gruppen gegliedert. Von der Homepage ausgehend gelangt man in einen jeweiligen Unterabschnitt, der wieder zahlreiche Möglichkeiten tieferliegender Informationen bietet. Die Einstiegseiten in die jeweiligen Unterabschnitte haben die Funktion, in die Thematik einzuführen. Zur weiteren inhaltlichen Differenzierung wählt die Nutzerin oder der Nutzer aus der am linken Bildschirmrand platzierten Auflistung weitere Unterpunkte aus. Die Internetpräsentation wurde so konzipiert, dass kurze, prägnante Texte, teilweise mit Quellenauszüge, einen inhaltlichen Aspekt aufarbeiten. Die Ausstattung jeder Seite mit vielfältigen Illustrationen wie Gemälden, Karten, Grafiken oder Fotos trug zur ansprechenden visuellen Gestaltung bei.
Ein Internetangebot sollte nicht statisch, sondern dynamisch gestaltet sein. Die virtuelle Ausstellung versucht dieser Forderung zumindest an einigen Stellen gerecht zu werden. So werden die Wohnstätten der Friedensgesandten mittels eines historischen Vogelschauplans mit Markierungspunkten aufgezeigt. Bei Auswahl eines Punktes erscheint auf der rechten Bildschirmhälfte ein Porträt des jeweiligen Gesandten mit Hinweisen zu seiner Unterkunft.
Der erste Abschnitt behandelt die Zeit Vor dem Kongress. Die Situation Münsters und des Münsterlandes während des Dreißigjährigen Krieges wird in den Blick gestellt. Weiter geht es um Gründe für die Auswahl Münsters zur Kongressstadt und darum, welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen waren. Unter der Überschrift Gesicht der Stadt zeigt der zweite Abschnitt die topographische Situation im 17. Jahrhundert. Wie sah Münster zur Zeit des Kongresses aus? Wie nahmen die Gäste Münster wahr? Das Folgekapitel Leben in der Stadt möchte die Umstände des alltäglichen Lebens, die Bevölkerungs- und Berufsstruktur, das Stadtregiment und das gesellschaftliche Leben vorstellen. Die vierte Gruppe thematisiert den Kongressalltag vor allem der Gesandten und ihres Gefolges. Man hatte für Unterbringung, Verpflegung, Sicherheit und Unterhaltung der Gäste zu sorgen. Ein umfangreicher Teilabschnitt widmet sich dem Nachrichtenversand. Zur Abrundung des Themenkomplexes wird im fünften Kapitel der chronologische Rahmen geschlossen und die Zeit Nach dem Kongress näher betrachtet, als Münster in Konfrontation mit dem Landesherrn geriet.
,,Armut, Not und gute Werke -- Zur Geschichte sozialer Stiftungen in Münster"
Die zweite Internetpräsentation stand am Ende eines aufwendigen mehrjährigen Forschungsprojektes zur Geschichte der Stiftungen und des Stiftungswesens, das seit 1990 im Ratsauftrag vom Stadtarchiv durchgeführt wird. Das neue Angebot -- vorgestellt am 17.02. 2000 -- basiert auf den Arbeitsergebnissen dieses Forschungsvorhabens und wendet sich wieder an ein historisch interessiertes, nur wenig vorgebildetes breites Publikum.
Das Angebot gliedert sich in fünf Abschnitte. Im ersten Armut geht es um die Frage, warum Menschen in den verschiedenen geschichtlichen Phasen arm waren. Im Abschnitt Vom Stiften wird gezeigt, wie und warum die Begüterten der Stadt ihrer Verpflichtung zur Linderung der Not der Armen nachkamen. Hier geht es nicht um die Institutionen, sondern um die Geschichte des Stiftens, um Stiftungsmotive (Seelenheil) und um Stiftungszwecke: Stiftungen zur Beherbergung von Armen und Nahrungsversorgung (Obdach), Stiftungen zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, zur Krankenversorgung oder Geldstiftungen zu wechselnden Zwecken. Neben die Versorgung der Notleidenden in Hospitälern und Armenhäusern trat die offene Armenfürsorge. Es geht in diesem Abschnitt um die Versorgung von Armen, die nicht in Einrichtungen waren. Als Werke der Barmherzigkeit wird auf die Versorgung der Armen durch Klöster oder Almosenkörbe eingegangen. Im Laufe der Zeit schalteten sich die Obrigkeit und karitative Vereine stärker in die Armenfürsorge ein. Im Kapitel Leben in Armenhäusern wird die Institution Armenhaus vorgestellt. Alle Insassen bildeten eine Lebensgemeinschaft, in der Verwaltung, Wirtschaft, der Alltag der Einrichtung gut organisiert waren. Im Abschnitt Orte der Wohltätigkeit kann man sich auf der Grundlage von drei historischen Karten einen umfassenden Überblick verschaffen über die Stiftungen der Stadt und ihre Geschichte im Laufe der Jahrhunderte.
Derartige Projekte sind gar nicht durchführbar ohne eine Reihe von Kooperationspartnern. Jeweils ein ganzes Redaktionsteam half bei der inhaltlichen Erarbeitung und der Bildbeschaffung. An beiden Projekten waren zur Texterstellung Studenten und Studentinnen der Universität beteiligt. Bei der Umsetzung für das Internet leistete außerdem die Online-Redaktion des Presse- und Informationsamtes umfangreiche Unterstützung. Außerdem war in beiden Fällen jeweils eine Grafik-Design-Firma beteiligt, die die grafische Aufbereitung und die Navigation nach Archivvorgaben konzipiert hat. Die vielfachen Kooperationshilfen ermöglichten, dass die Kosten in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden konnten.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass das Medium für die Präsentation stadtgeschichtlicher Inhalte viele neue Gestaltungsvarianten bietet, durch die auch komplexe Zusammenhänge ansprechend dargestellt werden können. Diese neue Möglichkeit der Vermittlung historischer Inhalte an Dritte sollten die Archive in Zukunft durchaus wahrnehmen. Zahlreiche positive Rückmeldungen auf die WWW-Projekte bestärken das Stadtarchiv Münster darin, zukünftig weitere derartige Angebote zu entwickeln.
Fussnote 1: Vgl. Karsten Uhde, Archive und Internet. In: Der Archivar 2 (1996), Sp. 205-216. zurück zum Verweis
Fussnote 2: Vgl. Jan Folkerts, Local archives and the internet. Vortrag auf dem 18. Hansetag in Visby, Schweden, 11. Juni 1998, siehe: www.obd.nl/instel/gemarchzw/services/visbypub.htm . zurück zum Verweis
Fussnote 3: Frank M. Bischoff und Wilfried Reininghaus (Hrsg.), Die Rolle der Archive in Online-Informationssystemen. Beiträge zum Workshop im Staatsarchiv Münster 8. - 9. Juli 1998, Veröffentlichungen der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen, Reihe E: Beiträge zur Archivpraxis, Heft 6, Münster 1999, S. 8 zurück zum Verweis
Fussnote 4: Bisher realisierte Internetpräsentationen des Stadtarchivs Münster sind unter www.muenster.de/stadt/archiv Unterpunkt WWW-Projekte erreichbar. zurück zum Verweis