Das Projekt ,,Archive in NRW" im Internet. Nutzung und Fortschreibung

von Frank M. Bischoff
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Seit Juni 1998 ist das Internet-Informationssystem Archive in Nordrhein-Westfalen am Netz. Die Entwicklung des Systems wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. An der Realisierung waren die nordrhein-westfälischen Staatsarchive, die Archivämter Rheinland und Westfalen-Lippe, das Westfälische Wirtschaftsarchiv und die Stadtarchive Dortmund und Köln beteiligt. Die Programmierung wurde von der Fa. Augias-Data durchgeführt.

Es handelt sich um ein archivisches Verbundsystem, in dem inzwischen Informationen über 420 Staats-, Kommunal-, Kirchen-, Wirtschafts-, Firmen- und Hochschularchive in Nordrhein-Westfalen abgerufen werden können. Zu den Informationsangeboten zählen übergreifende Informationen, wie etwa ein internationales Adressverzeichnis von Archiven, ein Auszug aus der Zeitschrift Der Archivar, Ankündigungen von Austellungen und Tagungen, Tagungs- und Projektberichte oder Aufsätze zu aktuellen Themen. Die beteiligten Archive präsentieren sich mit einer Homepage und weiterführenden Informationen über das jeweilige Archiv, wie Adresse und Öffnungszeiten, Serviceleistungen, Beschreibung des Sprengels, Geschichte des Archivs usw. Den Kern des Informationssystems bilden die Beständeübersichten der Archive.

Im archivischen Bereich werden Internetangebote heute zumeist in vier Klassen eingeordnet. Man unterscheidet Internetangebote mit

  1. allgemeinen Informationen,
  2. Beständeübersichten,
  3. Findbüchern und
  4. Archivalienabbildungen. (Fussnote 1)

Innerhalb dieser Klassifizierung befindet sich das nordrhein-westfälische System auf der zweiten Stufe.

Die ersten Überlegungen zu dem Projekt reichen in das Jahr 1995 zurück. Die Entwicklungsarbeiten wurden 1997 aufgenommen. Daß ein System diesen Umfangs innerhalb nur eines Jahres realisiert werden konnte, hängt in erster Linie mit den günstigen Ausgangsbedingungen in Nordrhein-Westfalen zusammen. Beständeübersichten lagen bereits für die Staatsarchive, (Fussnote 2) das Westfälische Wirtschaftsarchiv (Fussnote 3) und das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv (Fussnote 4) vor. Mit den Handbüchern der Kommunalarchive konnten die Archivämter der Landschaftsverbände Rheinland (Fussnote 5) und Westfalen-Lippe (Fussnote 6) rund 400 Archive des kommunalen Bereichs abdecken. Auch für die Archive der katholischen Bistümer (Fussnote 7) und der evangelischen Landeskirchen (Fussnote 8) konnten bereits bestehende Kurzübersichten genutzt werden.

Abb. 1: Homepage des Stadtarchivs Rüthen

Über Zielsetzung, Struktur, Funktionsweise und Inhalte des nordrhein-westfälischen Internet-Informationssystems wurde bereits an anderen Stellen ausführlich berichtet (Fussnote 9) . Im folgenden soll vor allem das Benutzerverhalten anhand der Nutzungsstatistik beleuchtet werden. Die Nutzungsstatistik liegt seit Dezember 1998 lückenlos vor und bietet vor allem Aufschluß darüber, welche Seiten innerhalb des Verbundsystems das besondere Interesse von Benutzern finden und welche Recherchestrategien angewendet werden.

Daraus ergeben sich Schlußfolgerungen für das Informationsangebot und die Informationsaufbereitung sowie für die Fortschreibung des Systems, auf die abschließend eingegangen werden soll.

Benutzerverhalten

Archive in NRW hat in den vergangenen 1€½ Jahren eine erstaunliche Nachfragekonjunktur erlebt (Abb. 2). Noch Ende des Jahres 1998 belief sich die Zahl der aufgerufenen Seiten auf etwa 10.000 pro Monat. In den letzten Monaten ist sie bereits auf das Sechsfache gestiegen: 66.000 abgefragte Webseiten im Monat August 2000 bedeuten, daß im Durchschnitt alle 40 Sekunden eine Seite auf dem Server aufgerufen wird. (Fussnote 10)

Nicht enthalten sind in diesen Zahlen rund 732.000 Anfragen von sog. Robots, also automatische Zugriffe vor allem von Suchmaschinen, die den Server zum Teil im Sekundentakt über mehrere Tage und Wochen hinweg mit Anfragen 'bombardiert' haben. (Fussnote 11)

Wann wird zugegriffen und woher kommen die Nutzer ?

Die Statistiken geben leider keine verläßliche Auskunft darüber, woher die Nutzer des Verbundsystems stammen. Es kann aber festgestellt werden, zu welchen Zeiten bevorzugt mit dem System gearbeitet wird. Die Hauptlast liegt zwischen 10 und 17 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Eine hohe Frequenz läßt sich aber noch bis in die späten Abendstunden hinein beobachten.

Abb. 2: Anzahl der abgefragten Websites pro Monat
Abb. 3: Verteilung der Zugriffe auf Tageszeiten (12/1998-08/2000)

Da es sich dabei um die typischen Computerarbeitszeiten von Internetanwendern handelt, dürften die meisten Anfragen aus dem deutschen und europäischen Raum stammen. Schüler, Studenten und Beruftstätige, die zu Hause keinen Internetanschluß haben, sind auf die Öffnungszeiten von Universitäten, Bibliotheken und sonstigen Arbeitsstätten angewiesen. Wenigstens bei den Anfragen ab dem späten Nachmittag dürfte es sich aber zum großen Teil um Benutzer handeln, die privat über PC und Internetanschluß verfügen und zu Hause surfen.

Schriftlichen Rückmeldungen beim Staatsarchiv Münster ist aber zu entnehmen, daß das System auch in den USA und Kanada genutzt wird (Zeitverschiebung: 6-9 Stunden).

Weitere Informationen über das Benutzerverhalten liefert die Verteilung der Zugriffe auf Wochentage (Abb. 4). Während die meisten Zugriffe an Arbeitstagen erfolgen, lassen die immer noch beträchtlichen Zahlen für das Wochenende auf einen erheblichen Anteil an Nutzern schließen, die privat über einen Internetzugang verfügen und ihre Freizeit auch für Recherchen im Internetverbund der NRW Archive nutzen.

Welche Informationen werden abgefragt?

Anhand der Statistiken läßt sich nachvollziehen, aus welchen Rubriken bevorzugt Informationen abgefragt werden Abb. 5 .

Startseite

Die Zugriffe auf die Startseite des Systems können mit gewissen Einschränkungen als Indikator für die Zahl der Besucher interpretiert werden. In den Monaten Mai bis August 2000 haben 4000-5000 Besucher pro Monat das Verbundsystem angesteuert. Die durchschnittliche Verweildauer ist eher kurz. Ein Benutzer ruft im Mittel nur 14 Seiten auf, bevor er das System wieder verläßt. Man kann deshalb davon ausgehen, daß eine größere Zahl von Nutzern -- nämlich Zufallsbenutzer und Benutzer, die ganz gezielt eine bestimmte Information abfragen wollen -- weniger als zehn Seiten aufruft, während eine kleinere Interessentengruppe intensivere Informationsrecherchen vornimmt.

Archivadressen

Was urspünglich eher als Nebenservice gedacht war, nämlich die Adressliste deutscher und ausländischer Archive, wird inzwischen mit 4500 Zugriffen pro Monat erstaunlich häufig genutzt. Für die Administratoren des Sys„tems stellt sich hier vor allem das Problem der Aktualisierung. Inzwischen kommen regelmäßig Mails über Adresskorrekturen im Staatsarchiv Münster an, die so schnell wie möglich auf dem Server eingegeben werden.

Karten

Ein nicht unbedeutendes Hilfsmittel für den Benutzer sind die Kartenübersichten. Berücksichtigt sind die Zugriffe auf die NRW- und Regierungsbezirkskarten sowie auf die Karte der Bistumsgrenzen. Vermutlich erfolgt jeder fünfte Zugriff auf die Homepage eines Archivs über diese Karten. Die geografische Orientierung hat also für den Benutzer einen Stellenwert, der beim weiteren Ausbau des Systems nicht vernachlässigt werden sollte.

Sparteninfo

Auch die Sparteninformationen -- die Seiten der Archivämter Nordrhein und Westfalen-Lippe sind hier inbegriffen -- werden regelmäßig konsultiert. Mit über 200 Zugriffen pro Monat nehmen dabei auch die Seiten mit den Archivgesetzen des Landes NRW und der katholischen Kirche einen unerwartet hohen Anteil ein.

Homepages

Erwartungsgemäß liegen die Zugriffe auf die Homepages der beteiligten Archive höher, als bei den zuvor genannten Gruppen. Insbesondere die Rubrik Informationen und Service wird häufig abgefragt. Angesichts der Benutzerfrequenz würden diese Seiten eine intensivere Pflege verdienen, als ihnen zur Zeit tatsächlich angedeiht.

Abb. 4: Verteilung der Zugriffe auf Wochentage (12/1998-08/2000)
Abb. 5: Verteilung der Zugriffe auf unterschiedliche Rubriken des Informationssystems (12/1998-08/2000)

Beständeübersicht und Begriffsrecherche

Mehr als die Hälfte der Zugriffe entfallen auf die Beständeübersichten und die Rechercheseiten. Die Zugriffsstatistiken geben bis zu einem gewissen Grad Aufschluß darüber, welchen Weg die Besucher bei Ihren Recherchen nach Beständen einschlagen.

Die oberste Gliederungsebene der Beständeübersichten wird zwangsläufig aufgerufen, wenn Benutzer zunächst über die Sparteneinteilung oder die Karten zum einzelnen Archiv gelangen und hier in die Beständeübersicht einsteigen. In dem Zeitraum von Dezember 1998 bis August 2000 wurde dieser Weg von etwa 45.000 Benutzern gewählt.

Ungefähr die gleiche Benutzerzahl hat den Weg über eine Begriffsrecherche eingeschlagen. Nur am Rande sei hier angemerkt, daß die Zugriffe auf die Rechercheformulare die Zahl der durchgeführten Recherchen deutlich übertrifft. Die Zahl der Benutzer, die ohne konkretes Anliegen 'nur mal reinschauen', dürfte auch im Verbundsystem der NRW-Archive erheblich sein.

Immerhin gibt das Verhalten der Benutzer bei der Beständerecherche Hinweise auf Anforderungen an die an dem Projekt beteiligten Archive: Archive, die ihre Beständeübersichten nicht durch eine Benennung der wesentlichen Inhalte erschließen, können mindestens in der Hälfte aller Zugriffe auf die Beständeübersichten nicht erreicht werden.

An einem aktuellen Beispiel sei das Problem der unvollständigen Beständebeschreibung erläutert: Bei der Suche nach dem Begriff Fremdarbeiter werden in dem nordrhein-westfälischen Verbundsystem derzeit vier Bestände aus drei Archiven ausgewiesen. Es ist ausgeschlossen, daß in anderen nordrhein-westfälischen Archiven keine Informationen über Fremdarbeiter im Dritten Reich verfügbar wären. Tatsächlich wirft das Internetsystem aber nur diese drei oder vier Archive aus, weil die Beschreibungen der anderen Archive mit einschlägigen Beständen nicht so tief gehen, daß der Benutzer fündig werden könnte. (Fussnote 12) Insofern droht Archiven mit geringer Informationstiefe ihrer Beständeübersichten auch in einem Verbundsystem eine gewisse Marginalisierung.

Abb. 6: Treffer und Bestandsanzeige bei der Recherche nach Fremdarbeit und Zwangsarbeit
Abb. 7: Zugriffe auf die Rubrik Neues(12/1998-08/2000)

Neues

Die Rubrik ,,Neues" wurde bis zum August 1999 von den Benutzern kaum wahrgenommen Abb. 6. Als im September 1999 Heft 3 der Zeitschrift ,,Der Archivar" in das Internet-Verbundsystem eingestellt wurde, stieg die Nachfrage sprunghaft von 150 auf über 500 Zugriffe an.

Annähernd eine Verdoppelung der Zugriffe von 750 auf 1450 ließ sich auch im Monat Februar 2000 beobachten. Neu hinzugekommen waren ein Artikel über Zwangsarbeiter, Heft 4/99 des ,,Archivars", das Programm des Westfälischen Archivtags in Rüthen und das Fortbildungsprogramm des Westfälischen Archivamtes für das Jahr 2000.

Mit den neuen Informationsangeboten allein ist die Steigerung der Zugriffe aber nicht hinreichend erklärt. Denn die Benutzer haben in der Regel nicht die Möglichkeit, innerhalb weniger Tage oder Wochen auf solche neuen Informationen aufmerksam zu werden. Suchmaschinen erfassen neue Angebote oft erst nach mehrere Monaten. Die prompte Steigerung muß insofern in erster Linie auf die begleitenden Publizitäts„maßnahmen zurückgeführt werden. In der Archivliste der Archivschule Marburg und in einer in Deutschland weitverbreiteten geschichtswissenschaftlichen Mailingliste (Fussnote 13) wurde sowohl im September 1999 als auch im Februar 2000 auf die neuen Informationsangebote hingewiesen.

Einen Nebeneffekt der Publizitätsmaßnahmen im September bildete der verstärkte Zugriff auf andere Informationsangebote innerhalb des Verbundsystems.

Drei Schlußfolgerungen können daraus gezogen werden:

  1. Das nordrhein-westfälische Verbundsystem wird über die Recherche in Beständeübersichten hinaus auch als archivfachliches Informationssystem genutzt, sofern entsprechende Angebote zur Verfügung gestellt werden.
  2. Die Erweiterung des Systems um attraktive Informationsangebote führt auch zu einer stärkeren Nutzung der Standardangebote.
  3. Dieser Effekt läßt sich kurzfristig allerdings nur erreichen, wenn begleitende Öffentlichkeitsarbeit, z. B. über Mailinglisten, geleistet wird.

Benutzeranfragen in der Folge von Recherchen

Zur Illustration der Nachfrage sei ein weiteres Beispiel aus der Praxis ergänzen. Anfang des Jahres 2000 erhielt das Staatsarchiv Münster eine Anfrage einer kanadischen Benutzerin, die in der Beständeübersicht vermeintlich auf den Namen ihrer Vorfahren gestoßen war. Tatsächlich handelte es sich dabei aber um einen Interpretationsfehler. Der von der Benutzerin recherchierte Begriff ließ sich nicht mit ihren Ahnen in Verbindung bringen. Allerdings war es bei einmal vorliegender Anfrage möglich, dieser Benutzerin den Auswanderungsnachweis für einen ihrer Vorfahren zu liefern. Hinsichtlich archivischer Internetangebote und der daraus häufig erwachsenden Kommunikation zwischen Archivar und Benutzer folgert daraus:

  1. Benutzer suchen nach Detailinformationen in einem Maße, das das auf Beständeübersichten ausgerichtete System der Archive in NRW nicht befriedigen kann. Insbesondere im Bereich der familienkundlichen Informationen dürften derzeit die Internetangebote der niederländischen Archive (Fussnote 14) führend sein.
  2. Ungeachtet des eingeschränkten Informationsangebots wird durch das Internet-Informationssystem ein Kontakt geschaffen, so daß sich die Benutzer aufgrund der Beratungsleistung der Archive ggf. neu und intensiver informieren können.

Fortschreibung des Systems

Die Benutzernachfrage spricht dafür, das Informationssystem der nordrhein-westfälischen Archive nicht nur auf dem jetzigen Stand weiterzupflegen, sondern es inhaltlich und funktional auszubauen. Geplant bzw. wünschenswert sind vor allem Maßnahmen in vier Bereichen.

Administration und Nutzerservice

In einem ersten Schritt sollte die Administration des Sys„tems komfortabler gestaltet werden und der Nutzerservice bei grundsätzlich gleichem Angebot erhöht werden. Im Rahmen dieser Maßnahmen wäre vorstellbar,

--,daß es den beteiligten Archiven ermöglicht wird, mehr Abbildungen als bisher einstellen zu können,

--,daß den Nutzern mehr Kartenmaterial nach unterschiedlichen Gliederungskriterien geboten wird, z. B. auch Karten mit einer historischen administrativ-politischen Gliederung,

--,daß die Benutzer auf einer eigens zu diesem Zweck einzurichtenden und automatisch zu pflegenden Seite Hinweise auf die neuesten Änderungen und Ergänzungen in dem System erhalten und

--,daß die bisher auf die Beständeübersichten beschränkten Recherchemöglichkeiten erweitert werden und auch in den auf dem Server abgelegten Texten (Zeitschriften, Aufsätze, Informations- und Serviceangebote der Archive) nach Stichworten recherchiert werden kann.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat entsprechende Mittel für den Ausbau bereit gestellt, so daß diese Erweiterungen bis zum Frühjahr 2001 realisiert werden können.

Inhaltlicher Ausbau der Beständeübersichten

Wünschenswert wären verstärkte Bemühungen um einen inhaltlichen Ausbau der Beständeübersichten. Im Hinblick auf die 400 Kommunalarchive wird man dieses Desiderat nicht allein an die Archivberatungsstellen richten können, die den bisherigen Grundstock zu den Beständeübersichten der Kommunalarchive geliefert haben.

Das NRW-Informationssystem war von vornherein so konzipiert, daß der Benutzer in einem zentralen System recherchieren kann, die Archive ihre Informationsangebote aber dezentral betreuen und pflegen können. Dazu bedarf es lediglich eines Pentium-Rechners und eines
Internetzugangs. Der inhaltliche Ausbau, die Erweiterung der Beständeübersichten und die Plazierung weiterer Informations- und Serviceangebote der Archive wird nur in dem Maße voranschreiten können, in dem die beteiligten Archive aktiv in die Pflege ihrer Informationen einsteigen.

Erweiterung der übergeordneten Informationen

Auch auf der Ebene der übergeordneten Informationen wären Erweiterungen denkbar und wünschenswert. Das Westfälische Archivamt hat bereits angekündigt, demnächst die Zeitschrift Archivpflege in Westfalen und Lippe in dem nordrhein-westfälischen Internetverbund bereitzustellen. Es können aber auch Einzelbeiträge in dem System plaziert werden, etwa archivkundliche oder geschichtswissenschaftliche Aufsätze zu aktuellen Themen, Tagungsprogramme, Ausstellungshinweise -- soweit sie nicht bereits im Veranstaltungskalender der Zeitschrift Der Archivar enthalten sind -- u. ä. m., Beiträge jedenfalls, die auch von überregionalem Interesse sind.

Das Internet-Informationssystem steht allen Archiven in NRW offen. Voraussetzung ist aber, daß der Systemadministrator, also das Staatsarchiv Münster, entsprechende Mitteilungen und Texte erhält.

Findbücher im Internet

Den größten Nutzen -- aber auch Aufwand -- bringt eine Einbindung von Findbüchern mit sich. Hinsichtlich des Aufwands ist dabei weniger an die technischen Arbeiten im Zuge einer Umgestaltung und Erweiterung des jetzigen Systems zu denken. Die lassen sich in der vorgesehenen Kooperation zwischen Land und Landschaftsverbänden mit überschaubarem Einsatz für alle Beteiligten realisieren.

Problematisch ist vielmehr, daß zur Zeit nur eine Minderzahl von Findmitteln in einem internet-fähigen, digitalen Format vorliegt. Die Mehrzahl der Findmittel in den Archiven ist maschinenschriftlich oder handschriftlich abgefaßt und muß erst noch in eine elektronische Umgebung übertragen werden. Aber selbst im Falle der auch vorhandenen Textdateien ist die strukturierte Übertragung in eine Datenbank keine triviale Aufgabe, sondern bringt einen erheblichen Programmieraufwand mit sich.

An eine händische Übertragung aller Findbücher in eine Datenbank ist nicht zu denken. Den Aufwand könnte kaum ein Archiv leisten. Eine Realisierung ist wohl nur möglich, wenn es gelingt, wenigstens für einen größeren Teil von Findbüchern entsprechende Werkzeuge zu schaffen, die eine Digitalisierung der herkömmlichen Findmittel automatisch oder halbautomatisch unterstützen.

Unter der Federführung des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf ist eine Arbeitsgruppe damit befaßt, einen Projektantrag für die Deutsche Forschungsgemeinschaft zur Retrokonversion von archivischen Findmitteln vorzubereiten. Mitglieder der Arbeitsgruppe sind Mitarbeiter der NRW Staatsarchive, der beiden Archivämter, des Westfälischen Wirtschaftsarchivs sowie des Bundesarchivs.

Der Begriff Retrokonversion ist dem Bibliothekswesen entlehnt. (Fussnote 15) Es handelt sich hier um die Übertragung älterer Findmittel in ein digitales Format. Die Übertragung sollte vom vorhandenen Erschließungsstand ausgehen und nicht durch umfangreiche Nach- oder Neuverzeichnungsarbeiten verzögert werden.

Ziel des Projekts ist die Entwicklung von Werkzeugen, die dann den Archiven zur Retrokonversion Ihrer Findmittel zur Verfügung stehen. Hier können zunächst nur die Findmittel einbezogen werden, bei denen die Voraussetzungen für eine automatische Übertragung gegeben sind. Parallel dazu ist für die Retrokonversion handschriftlicher Findmittel eine Machbarkeitsstudie vorgesehen, die einerseits den Kostenaufwand für eine händische Übertragung der Findmittel ermitteln, andererseits unterschiedliche Digitalisierungsformen erproben und vergleichen soll.

Die zu entwickelnden Werkzeuge sollen die Retrokonversion von Findmitteln in Textdateien und von maschinenschriftlich abgefaßten Findbücher unterstützen. Die Findmittel sollen mit Aufsichtscannern in Retrokonversionszentren eingescannt und dann mit Programmen weiterbearbeitet werden. Die Programme sollen auf unterschiedliche Merkmale reagieren, vor allem auf Layout-Merkmale, wie Absätze, Einzüge oder tabellarische Gestaltung, und auf Schlüsselbegriffe, z. B. ,,Enthält", ,,Aktenzeichen" etc. Anhand dieser Merkmale sollen die Inhalte der Findbücher automatisch zerlegt und strukturiert werden. Signatur, Laufzeit, Aktentitel, Enthältvermerke, Aktenzeichen etc. sollen von dem Programm identifiziert und adäquat abgespeichert werden.

Um zu gewährleisten, daß die konvertierten Findmittel in jedes beliebige Zielsystem übertragen werden können, soll im Rahmen des Projekts ein Austauschformat definiert und genutzt werden. Das Austauschformat soll auf einer Standardsprache aufbauen. Zur Zeit ist dabei an die Extensible Markup Language (XML) gedacht. Das Austauschformat muß eine Reihe weiterer Bedingungen erfüllen, darunter der verlustfreie Austausch von Erschließungsinformationen aus verschiedenen Systemen, die Erweiterbarkeit um neue Erschließungselemente und eine adäquate Darstellung der Beziehungen zwischen verschiedenen Erschließungsinformationen.

Die Bewilligung des Projekts durch die DFG vorausgesetzt, kann mit dem Abschluß kaum vor Ablauf von 2-3 Jahren gerechnet werden.

Nach Auffassung aller Beteiligten ist ein umfangreiches Findmittelangebot im Internet im Interesse der Benutzer -- für die Archive aber auch deshalb wichtig, um nicht von der rasanten Entwicklung auf dem Online-Informationsmarkt abgekoppelt zu werden und ins Abseits zu geraten. Bei auch in Zukunft sicherlich knapper Personal- und Finanzdecke der Archive bietet die Entwicklung von Retrokonversionswerkzeugen die bislang vielversprechendste Chance, diesem Ziel mittelfristig näher zu kommen.^

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Fussnote 1: Vgl. Karsten Uhde, Archive im Internet, in: Der Archivar 49 (1996) Sp. 205-215, und Paul Flamme/Udo Herkert/Volker Viergutz, Hinweise zur Darstellung staatlicher Archive und Archivverwaltungen im World Wide Web des Internet, in: Der Archivar 51 (1998) Sp. 217-228. zurück zum Verweis

Fussnote 2: Die Bestände des Nordrhein-Westfälischen Staatsarchivs Münster. Kurzübersicht, Münster Ž31990 (= VestA-NW, Reihe B, 1); Die Bestände des Nordrhein-Westfälischen Staatsarchivs Detmold und des Personenstandsarchivs Westfalen-Lippe. Kurzübersicht, Detmold Ž21994 (= VestA-NW, Reihe B, 3); Die Bestände des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf. Kurzübersicht, Düsseldorf Ž31994 (= VestA-NW, Reihe B, 4); Die Bestände des Nordrhein-Westfälischen Personenstandsarchivs Westfalen-Lippe bis 1874/75, bearb. v. Günther Engelbert u. Ilse Kötz, neubearb. v. Arno Schwinger unter Mitarb. v. Karin Eickmeier u. Gabriele Hamann, Detmold Ž21991 (= VestA-NW, Reihe B, 5); Die Zivilstandsregister und Kirchenbuchduplikate im Nordrhein-Westfälischen Personenstandsarchiv Rheinland. Eine Übersicht, bearb. v. Jörg Füchtner, Sabine Degener, Karin Gunter, Ingrid Riedel-Karp u. Andrea Lauermann, Brühl Ž21985 (= VestA-NW, Reihe B, 8).

Ž3 Das Westfälische Wirtschaftsarchiv und seine Bestände, hg. v. Ottfried Dascher, bearb. v. Wilfried Reininghaus, Gabriele Unverferth, Klaus Pradler, Horst Wermuth u. Ottfried Dascher, München et al. 1990.

Ž4 Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln e.V. -- Bestandsverzeichnis, Köln 1996 (unveröffentl.)

Ž5 Handbuch der Kommunalarchive in Nordrhein-Westfalen, Teil 1: Landesteil Nordrhein, bearb. v. Peter Karl Weber, Albert Eßer, Hans-Werner Langbrandter, Angelika Raschke, Waltraud Rexhaus, unter Mitwirkung v. Irmtraud Balkhaus, Margot Günther, Monika Schiller sowie den
Kommunalarchiven im Landesteil Nordrhein, Köln 1994 (= Landschaftsverband Rheinland -- Archivberatungsstelle, Archivhefte, 27).

Ž6 Handbuch der Kommunalarchive in Nordrhein-Westfalen, Teil 2: Landesteil Westfalen-Lippe, bearb. v. Alfred Bruns, unter Mitarb. der Kommunalarchive Westfalen-Lippe u. der Referenten des Westfälischen Archivamtes, Münster 1996 (= Westfälische Quellen und Archivpublikationen, 21).

Ž7 Führer durch die Bistumsarchive der katholischen Kirche in Deutschland, hg. v. d. Bundeskonferenz der kirchlichen Archive in Deutschland, Siegburg Ž21991.

Ž8 Handbuch des kirchlichen Archivwesens, Bd 1: Die zentralen Archive in der evangelischen Kirche, neubearb. v. Karlheinrich Dumrath, Wolfgang Eger u. Hans Steinberg, Neustadt an der Aisch Ž41997 (=€Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft der Archive und Bibliotheken in der evangelischen Kirche, 3).

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Ž9 Vgl. Wilfried Reininghaus/Frank M. Bischoff, Archive in Nordrhein-Westfalen im Internet. Bericht über ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstütztes Pilotprojekt, in: Der Archivar 51 (1998) Sp. 411-426; Dies., Archive in Nordrhein-Westfalen im Internet: http://www.archive.nrw.de, Münster 1998 (= VestA NW, Reihe E, 5); Frank M. Bischoff, NRW-Archive im Internet -- Informationsvermittlung im landesweiten Verbund, in: Vom Findbuch zum Internet. Erschließung von Archivgut vor neuen Herausforderungen. Referate des 68. Deutschen Archivtags, 23.-26. September 1997 in Ulm, Siegburg 1998 (= Der Archivar, Beibd. 3), S. 113-124; ders., Recherchieren im virtuellen Archivverbund. Neue Möglichkeiten des Benutzerservice im Internet, in: Archiv und Wirtschaft 32 (1999) H. 3, S. 113-124; ders., Archivische Informationsvermittlung im Wandel: Internetverbund, Rechercheservice und Datenpflege in Nordrhein-Westfalen, in: Die Rolle der Archive in Online-Informationssystemen. Beiträge zum Workshop im Staatsarchiv Münster, 8.-9. Juli 1998, hg. v. Frank M. Bischoff u. Wilfried Reininghaus, Münster 1999 (=VestA NW, Reihe E, 6), S. 57-83; Brigitta Nimz, NRW-Archive im Internet, in: Archivpflege in Westfalen und Lippe 46 (1997) S. 54-55.

Ž10 Der Einbruch im Juni 2000 ist darauf zurückzuführen, daß das Sys„tem aufgrund eines Fehlers vom 20. Juni bis Anfang Juli annähernd 2 Wochen lang nicht genutzt werden konnte.

Ž11 So wurden etwa von einer juristischen Suchmaschine der Uni Saarbrücken innerhalb von 9 Wochen über 240.000 Anfragen an den Server gerichtet. Im Hinblick auf die Performance des Systems sind derartige Angriffe lästig.

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Ž12 Um Fehlschlüssen vorzubeugen sei hier ausdrücklich hervorgehoben, daß es weder um einen Ausschluß des Provenienzprinzips als leitende Recherchestrategie noch um eine Erweiterung von Beständeübersichten bis hin zur Erschließungstiefe von Findbüchern geht. Das breite Spektrum der Themen, an denen Benutzer interessiert sind, läßt sich in Beständeübersichten nicht annähernd vollständig mit Schlagworten abdecken. Die Ausführungen zielen an dieser Stelle vielmehr auf solche Beschreibungen, die nicht mehr enthalten, als Bestandsnamen und --umfang. Wenngleich es keine allgemein anerkannte Definition dessen gibt, welche Informationen Beständeübersichten enthalten müssen, so sollten sie aber doch mehr bieten, als eine einfache Beständeauflistung. Das im Rahmen des nordrhein-westfälischen Internetverbundes zur Pflege der Beständeübersichten eingesetzte lokale Datenbanksystem sieht vor, folgende Angaben zu erfassen: Bestandssignatur und --name, Laufzeit, Angaben zur Genese des Bestandes, zum Provenienzbildner o. ä., Angaben zum Bestandsumfang ggf. ergänzt um Findbuchsignaturen, inhaltliche Beschreibung des Bestands, ggf. weitere Angaben zu Provenienz oder Vorprovenienzen, Hinweise auf Literatur, Verweise auf thematisch benachbarte Bestände des eigenen Archivs oder anderer Archive.

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Ž13 Es handelt sich um die an der Berliner Humboldt-Universität betreute Liste Humanities -- Sozial- und Kulturgeschichte (H-Soz-u-Kult) mit annähernd 3000 Mitgliedern.

Vgl. <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/index/>.

Ž14 Vgl. dazu Jan Folkerts, Beyond the experimental stage: local archives and the Internet, in: Die Rolle der Archive in Online-Informationssystemen (wie Anm. 9), S. 41-55.

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Ž15 Unterschieden werden Retrokonversion und Retrokatalogisierung. Während bei der Retrokatalogisierung die gesamte Titelaufnahme anhand des Buches neuerfaßt wird, gehen die Bibliotheken bei der Retrokonversion von den vorhandenen Zettelkatalogen aus und übertragen diese in Datenbanken. In großen Bibliotheken oder Bibliotheksverbünden wurde bzw. wird die Retrokonversion händisch vorgenommen. So hat etwa das Hochschulbibliothekszentrum in Köln seinen Gesamtkatalog im Wege der Auftragsvergabe abtippen lassen.

Abb. 1:,Homepage des Stadtarchivs Rüthen

Abb. 2:,Anzahl der abgefragten Websites pro Monat

Abb. 3:,Verteilung der Zugriffe auf Tageszeiten (12/1998-08/2000)

Abb. 4:,Verteilung der Zugriffe auf Wochentage (12/1998-08/2000)

Abb. 5:,Verteilung der Zugriffe auf unterschiedliche Rubriken des Informationssystems

(12/1998-08/2000)

Abb. 6:,Treffer- und Bestandsanzeige bei der Recherche nach Fremdarbeit und Zwangsarbeit

Abb. 7:,Zugriffe auf die Rubrik ,,Neues" (12/1998-08/2000)