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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 18.08.25

"Mahlzeit!": Essen im virtuellen Raum
Kulturwissenschaftler entwickelt für Ausstellung hyperrealen Dinnertisch

Herne (lwl). Speisen wie im 18. Jahrhundert. Das können Besuchende ab dem 3. Oktober 2025 in der neuen Sonderausstellung "Mahlzeit! Wie Essen uns verbindet" im LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne. Kulturwissenschaftler Dominik Bönisch von der Hochschule Düsseldorf entwickelt aktuell mit einem Team aus Medieninformatiker:innen und Kommunikationsdesigner:innen einen virtuellen Esstisch. Mittels einer VR-Brille ("Virtual Reality", zu dt. virtuelle Realität) tauchen Besuchende ein in eine computerspielähnliche Umgebung. Bönisch: "Reale und virtuelle Welt vermischen sich und der Mensch wird Teil einer historischen Geschichte."

Herr Bönisch, beschreiben Sie uns den "VR-Dinnertisch": Was erleben Besuchende dort?
Die Frage, vor der wir standen war: Wie kann man in Virtual Reality eine historische Essensszene nachstellen, die auch wirklich zu einem haptischen Erlebnis wird? Dabei ging es uns nicht so sehr um das Essen selbst, sondern um die Situation, also die Wahrnehmung. Das nennt man dann "immersives Storytelling", eintauchendes Erzählen.

Was ist das Neue an der Anwendung?
Das Spannende und technologisch Neue ist, dass man in der VR-Brille nicht für sich und abgeschlossen vom Rest des Raumes ist, sondern sich im Modus des "seethrough", des Durchsehens, oder "passthrough" , des Durchgehens, befindet, wo der Besucher oder die Besucher:in die Echtwelt weiterhin wahrnimmt. Für die Sonderausstellung in Herne heißt das: Man nimmt Platz in einer Szene mit realem Tisch. Man sieht also diesen echten Tisch, kann ihn erfühlen, setzt sich hin. Sobald man die VR-Brille aufzieht, deckt sich die digitale Tafel. Dabei sieht man zwar seine eigenen Hände, kann sie auch verwenden, aber auf dem Tisch steht virtuelles Geschirr.

Drei Besucher:innen können dabei gleichzeitig Platz nehmen und auch sie nehmen sich trotz der Brille gegenseitig wahr. Es sitzen aber auch noch drei computergenerierte Avatare mit am Tisch und - jetzt wird es spannend - diese Avatare führen die Besuchenden durch eine speziell entwickelte Geschichte, bei der alle ihre Rolle haben und miteinander interagieren. Die Charaktere, also die Avatare, wissen, wo man sitzt, weil die Lagepunkte der Brille überprüft werden können. Sie können die Besuchenden quasi direkt anschauen und ansprechen, so dass die Besuchenden sich im virtuellen Raum tatsächlich wahrgenommen fühlen.

Auch die Hände werden dank des "handtrackings", der Handverfolgung, von der Brille erkannt und die Besuchenden können das Geschirr anfassen, hochheben und von allen Seiten anschauen. Das ist besonders reizvoll, weil einige der Gegenstände nur ein paar Meter weiter in einer Vitrine liegen.

Das "spatial Audio", also Stimmen, die von rechts oder links kommen, verstärken den räumlichen Eindruck. Durch die historischen Figuren und das Setting fühlt man sich in die Zeit versetzt und gleichzeitig ist man ja durchaus an einem realen Ort. Damit ist die Illusion perfekt.

Das Ganze ist aber nicht nur eine spielerische Erfahrung, sondern es wird auch noch eine dichte Geschichte um ein spezielles Besteck aus Solingen erzählt. Dafür aber müssen die Leute dann ab Oktober ins Museum kommen - macht Spaß!

Sie erforschen die Auswirkungen neuer Technologien auf die Kunst. Wieso bringen Sie Ihre Forschungen in die Sonderausstellung "Mahlzeit!" ein?
Ich beschäftige mich viel mit Visualisierungsmethoden und "Mixed Reality", wo sich die natürliche Wahrnehmung mit einer künstlichen, computererzeugten vermischt. Welche Auswirkungen hat das auf die Gesellschaft? Wo sind Einsatzgebiete? Wie kann man damit besser umgehen? Ich arbeite dabei sowohl forschungsgetrieben als auch anwendungsbasiert. Für beides scheint mir das Museum der perfekte Ort zu sein. Gerade das LWL-Museum ist mit Projekten wie der Gaming App "Joâ¿¿s Memory" oder den "Geistern der Vergangenheit", einer Augmented-Reality-Anwendung, schon vorangegangen.

Neue Technologien und Methoden ermöglichen nicht nur in Computerspielen oder im Kino immersive Erlebnisse, sondern auch im Museum. Sie eröffnen den Besuchenden ganz neue Zugänge zu den Exponaten. Das will auch der VR-Dinnertisch in der neuen Sonderausstellung, wo das Eintauchen in den virtuellen Raum selbst zum Exponat wird.


Hintergrund
Dominik Bönisch studierte Kulturwissenschaften in Hildesheim und Budapest. Derzeit forscht er als wissenschaftlicher Projektleiter an der Hochschule Düsseldorf (Arbeitsgruppe MIREVI - Mixed Reality and Visualization) zu der Erschließung von audiovisuellen Sammlungen mittels Künstlicher Intelligenz (KI). Bis 2023 leitete er das Projekt "Training the Archive" am Ludwig Forum Aachen und brachte KI beim Kuratieren zum Einsatz. Sein Forschungsinteresse liegt in den Auswirkungen neuer Technologien auf die Kunst sowie auf den musealen Sammlungs- und Ausstellungsbetrieb.



Sonderausstellung "Mahlzeit! Wie Essen uns verbindet" im LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne
Gemeinsames Essen ist weit mehr als nur Nahrungsaufnahme. Ob beim königlichen Bankett, der einfachen Bauernmahlzeit, dem familiären Abendessen oder der gemeinsamen Mittagspause - überall offenbaren sich spannende Fragen: Wer sitzt wo? Wer bekommt das beste Stück? Welche Rituale bestimmen das gemeinsame Mahl? Und was verrät das alles über Macht, Zugehörigkeit, gesellschaftlichen Wandel und vor allem Kultur?

Von opulenten Festtafeln und rituellen Speisungen bis hin zu den Herausforderungen der Gegenwart - schnelle Snacks, digitale Ablenkung und der scheinbare Verlust gemeinsamer Rituale - zeigt die neue Sonderausstellung "Mahlzeit!", wie Essen seit Jahrtausenden als sozialer Klebstoff funktioniert.

Mit einem Blick auf rund 120 Exponate lädt das LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne vom 3.10.2025 bis 13.9.2026 dazu ein, die kulturelle Dimension des Essens zu entdecken.


Gefördert durch die LWL-Kulturstiftung.

Mehr Infos: http://www.lwl-landesmuseum-herne.de

LWL-Museum für Archäologie und Kultur, Europaplatz 1, 44623 Herne, Tel. 02323 94628-0

Pressekontakt:
Dr. Carolin Steimer, Tel.: 0251 591-3504 und Frank Tafertshofer, Tel.: 0251 591-235
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Kulturwissenschaftler Dominik Bönisch von der Hochschule Düsseldorf.
Foto: Paul-Ruben Mundthal.

Foto zur Mitteilung
Plakat zur Ausstellung.
Grafik: LWL/ Oktober Kommunikationsdesign GmbH

Foto zur Mitteilung
Die VR-Anwendung im Entwurf in der Unity-Software, Hochschule Düsseldorf/MIREVI, 2025.
Aufnahme: Lars Telöken


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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