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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 12.08.25

Steinzeit-Bauern siedelten vor 7000 Jahren am Dortmunder Flughafen
Archäologische Grabungen in Holzwickede

Holzwickede (lwl). Seit über einem Jahr hat ein Archäologie-Team, begleitet vom  Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), die mehrere Hektar große Baufläche bei Holzwickede untersucht, auf der zukünftig der Gewerbepark Eco Port Süd am Dortmunder Flughafen stehen soll. Inzwischen ist klar: Vor fast 7.000 Jahren siedelten hier steinzeitliche Bauern.

In zwei Bereichen der großen Ausgrabungsfläche hat das Grabungsteam unter Leitung von Philipp Bockelbrink Hausgrundrisse einer frühen Bauerngesellschaft freigelegt:

"Im Norden konnten wir einen bereits bei der Voruntersuchung erkannten Grundriss weiter vervollständigen, und im Süden kamen in recht gleichmäßigen Abständen Reste von mindestens vier, vielleicht fünf weiteren Gebäuden zu Tage", so der Archäologe. Möglicherweise, so schätzen die Fachleute, sind hier zwei räumlich getrennte Besiedlungsepisoden aus der Zeit vor fast 7.000 Jahren im Boden überliefert worden.

Die Voruntersuchungen südlich der B1 erbrachten schon 2024 urgeschichtliche Befunde, daher hatte die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Unna bereits mit Ausgrabungen gerechnet. Dr. Petra Bergmann: "Nach spannenden Einblicken in die Vergangenheit freuen wir uns, dass nun die Fläche vom LWL für eine Bebauung freigegeben wurde. Mit dem Start der Erschließung des ECO PORT Süd schaffen wir die Grundlage für hochwertige Gewerbeflächen in einer Toplage." Jetzt ist die Grabung abgeschlossen.

Rössener Kultur der Jungsteinzeit - am Hellweg bekannt
"Die Häuser sind typisch für das sogenannte Mittelneolithikum, also die mittlere Jungsteinzeit. Die Gebäudeart ist vor allem der Rössener Kultur zuzuordnen, die um 4.700 v. Chr. auch in Westfalen auf den ertragreichen Lössböden weit verbreitet war," erklärt Prof. Dr. Michael Baales, Leiter der LWL-Archäologie für Westfalen in Olpe.

Die Rössener Kultur ist benannt nach einem Ortsteil von Leuna in Sachsen-Anhalt und war in Mitteleuropa die zweite weiträumig überlieferte jungsteinzeitliche Kulturgruppe, so der Experte für prähistorische Archäologie. Siedlungen der Rössener Kultur sind in Westfalen vor allem am Hellweg, also zwischen Sauerland und südlich der Ruhr, zu finden.

Bereits vor einigen Jahren sind bei Soest und Dortmund mehrere Siedlungsstellen mit Hausgrundrissen dieser Zeit entdeckt worden. Außerdem wurde in den 1950ern bei Bochum-Gerthe ein Hausgrundriss von 65 Metern Länge dokumentiert. Der Grundriss ist damit Überbleibsel einer der größten bekannten Holzbauten der Urgeschichte überhaupt.

"Da ist der weitgehend vollständige Grundriss aus Holzwickede mit knapp 30 Metern geradezu klein. In diesen Häusern lebten Mensch und Tier zumindest zeitweise in einer Hausgemeinschaft zusammen, und unter dem Dach lagerte das Getreide", ordnet Baales ein.

Die Fachleute konnten im Boden nur noch die Gruben für die großen Holzpfosten der leicht gebogenen Seitenwände und weitere Gruben für kurze Pfostenreihen erkennen, die ebenfalls das Dach und einen Zwischenboden trugen. "Auf der geneigten Fläche, die von der B1 in Richtung der Emscher deutlich abfällt, hat der Bodenabtrag über viele Jahrhunderte nur diese tiefreichenden Pfostengruben überliefert", erklärt Baales.

An derartigen Fundplätzen sind grundsätzlich viele größere Gruben zu erwarten, die mit reichlich Fundmaterial verfüllt sind. "Wir haben aber kaum Funde wie Keramikscherben, die wir dieser ersten Siedlungsphase auf der Grabungsfläche zuweisen können", so Grabungsleiter Bockelbrink. Wurde die Siedlung schnell wieder aufgegeben? Allerdings überschneidet im Süden ein großer Grundriss die Reste eines älteren. Im Moment ist die Situation für die Archäologinnen und Archäologen noch rätselhaft.

Funde aus einer anderen Zeit
Neben den jungsteinzeitlichen Siedlungsresten haben auf der untersuchten Fläche auch mehrere kleine Pfostengrundrisse überdauert, die für das geschulte Auge typisch sind für Speicherbauten der Eisenzeit. Demnach haben hier wenige Jahrhunderte vor der Zeitenwende wieder Menschen gesiedelt. Davon zeugen Scherben von Keramikgefäßen, die das Team eindeutig zeitlich einordnen kann.

"Diese Grabung unterstreicht, wie lange am Hellweg bäuerliche Gesellschaften gesiedelt und ihre Spuren hinterlassen haben", resümiert Baales. "Es ist wichtig, dass sich bei Bauvorhaben alle der Verantwortung um dieses kulturelle Erbe im Boden bewusst sind und an einem Strang ziehen, um diese Spuren für die Nachwelt zu sichern."

LWL-Einrichtung:
LWL-Archäologie für Westfalen
Außenstelle Olpe
In der Wüste 4
57462 Olpe

Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Sandra Görtz, LWL-Archäologie für Westfalen, Tel.: 0251 591-8946
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Luftbild der Grabungsfläche, Blick nach Norden. Oben ist die B1 und der Flughafen Dortmund zu erkennen. Unten im Bild sind die Pfostengrundrisse der jungsteinzeitlichen Häuser zu erkennen.
Foto: LQ Archäologie/C. Bariszlovich

Foto zur Mitteilung
Im südlichen Teil der Grabungsfläche waren mehrere Grundrisse jungsteinzeitlicher Häuser überliefert, die hier um 4700 v. Chr. errichtet wurden. Das Foto zeigt den Bereich, in dem sich zwei Grundrisse überschneiden.
Grafik: LQ Archäologie/LWL-Archäologie für Westfalen/M. Baales

Foto zur Mitteilung
Im Norden der Fläche konnte der Grundriss eines Rössener Hauses ergänzt werden. Hier gut zu erkennen eine Reihe von Pfosten einer Seitenwand..
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Baales

Foto zur Mitteilung
Die Pfostengruben der jungsteinzeitlichen Häuser reichten teils noch tief in den Boden.
Foto: LQ Archäologie/N. Madrigal

Foto zur Mitteilung
In diese Grube der Eisenzeit ist Brandschutt eingefüllt worden.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/E. Cichy

Foto zur Mitteilung
In manchen Gruben der Eisenzeit waren zahlreiche gut erhaltene Keramikscherben erhalten.
Foto: LQ Archäologie/C. Bariszlovich

Foto zur Mitteilung
Typische Randscherbe aus der Eisenzeit. Die Einkerbungen auf dem Rand oben rühren von Fingereindrücken her.
Foto: LWL-Archäologie für Westfalen/M. Baales

Foto zur Mitteilung
In einer der eisenzeitlichen Gruben fand sich eine ungewöhnliche Ansammlung von Steinen, die hier vorsichtig freipräpariert werden.
Foto: LQ Archäologie/C. Bariszlovich


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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