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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 25.02.25

Auf den Spuren des verlorenen Mindener Stadtbildes

Minden (lwl). In der Mindener Innenstadt ist der Archäologe Bernhard Thiemann auf Teile einer über 400 Jahre alten Prunkfassade aus Sandstein gestoßen. Nach einer ersten Einschätzung durch die Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) handelt es sich bei den neun Bruchstücken um kunstvolle Steinmetzarbeiten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Deutliche Rotfärbungen und Rußspuren an den Steinen deuten darauf hin, dass die Fassadenteile von einem durch Brand zerstörten Haus stammen. Die Lage der Funde aus einer jüngeren Schuttschicht und einer nach 1945 errichteten Mauer spricht dafür, dass die Hausfassade in der Bäckerstraße 36 Opfer der Bombardierungen im Herbst 1944 oder Frühjahr 1945 wurde.

LWL-Archäologe Dr. Sven Spiong geht davon aus, dass alle neun Ornamentsteine von derselben Fassade stammen: "Die charakteristischen Verzierungen - wie Beschlagwerk, kannelierte Säulen, Blattornamentik und die beiden Königsportraits jeweils in einer bekränzten Kartusche - passen stilistisch gut zusammen und datieren einheitlich ins späte 16. Jahrhundert."

Der gelblichgraue Sandstein ist von bester Qualität. Es stammt von den etwa 20 Kilometer östlich liegenden Bückebergen und war als Obernkirchener Sandstein seit dem Mittelalter ein begehrter Exportschlager der Mindener Region. Insbesondere in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts florierte der Handel entlang der Weser. Die waldreichen Gebiete beiderseits der Oberweser lieferten das dringend benötigte Holz für den Schiffsbau, das über Bremen an die aufstrebenden Seemächte gelangte. Auch die Glasindustrie im Solling und im östlichen Westfalen lieferte wichtige Waren.

Durch diesen Handel erlebte die Region einen enormen Aufschwung. Damals entwickelte sich die sogenannte Weserrenaissance mit ihrer eigenen Ausprägung, insbesondere in der Architektur. Bei den Bürgerhäusern hatten die reich ornamentierten Fassaden auch die Funktion ähnlich einer Visitenkarte. Die erfolgreichen Händler zeigten damit stolz ihren Wohlstand und prägten mit ihren prunkvollen Häusern zugleich das damalige Stadtbild, so auch in Minden.

Die neu entdeckten Fassadenbruchstücke sind nun Zeugnisse eines im Zweiten Weltkrieg teilweise verlorenen Stadtbildes. Um den Mindener Bürgern einen Teil dieses Verlustes zurückzugeben, werden die Bruchstücke demnächst am Fundort in der Bäckerstraße 36 ausgestellt.


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33609 Bielefeld


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Dr. Julia Großekathöfer, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591- 8946
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Kea Schlüter und Marius Grütter reinigen die Bruchstücke der Renaissancefassade.
Foto: LWL-AfW/J. Großekathöfer

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Da bei der Reinigung der Bruchstücke auch Reste einer ursprünglichen Farbfassung entdeckt wurden, war größte Sorgfalt angebracht - wie auch hier bei einem Königsportrait in einer Kranzkartusche.
Foto: LWL-AfW/J. Großekathöfer

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Bei einer Fensterteilungssäule ist neben der mit Blattwerk reich verzierten Schauseite seitlich auch eine Rille für die Bleifassung des Fensterglases erkennbar.
Foto: LWL-AfW/J. Großekathöfer

Foto zur Mitteilung
Direkt nach der Bergung ließ sich die hohe Qualität der Steinmetzarbeit auch an diesem Königsportrait erkennen.
Foto: LWL-AfW/S. Spiong

Foto zur Mitteilung
Die Verzierung mit dem sogenannten Beschlagwerk ist typisch für das späte 16. Jahrhundert.
Foto: LWL-AfW/S. Spiong


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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