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Presse-Infos | Maßregelvollzug

Mitteilung vom 22.11.24

40 Jahre Forensisches LWL-Zentrum in Eickelborn
Von der Schlusslichtposition zum hochqualifizierten Baustein psychiatrischer Versorgung

Lippstadt (lwl). Auf vier Jahrzehnte mit ständiger Weiterentwicklung hat das LWL-Zentrum für Forensische Psychiatrie in Lippstadt (Kreis Soest) in einem Festakt zum 40-jährigen Bestehen als eigenständige Fachklinik zurückgeblickt.

Vor rund 150 geladenen Gästen betonte der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Georg Lunemann, die wichtige gesellschaftspolitische Rolle der forensischen Psychiatrie zum Schutz der Allgemeinheit. Er dankte Betriebsleitung und Mitarbeitenden für ihre kompetente Arbeit im Maßregelvollzug, wie Sicherung und Therapie von psychisch oder suchtkranken Straftätern im Gesetz heißt. "Seit 40 Jahren übernehmen Sie hier Verantwortung für die Sicherheit der Gesellschaft und für die Behandlung und Resozialisierung von Menschen, die in dieser Gesellschaft meist keine große Lobby haben", so Lunemann. Für ihre Haltung und ihr Engagement spreche er der Belegschaft "seinen größten Respekt" aus.

Noch 1975 in der sogenannten Psychiatrie-Enquête im Auftrag des Bundestages sei der Maßregelvollzug in der absoluten Schlusslichtposition der psychiatrischen Versorgung gesehen worden. Bundesweit und auch in der Eickelborner Klinik seien damals zahlreiche Defizite aufgefallen, berichtete Lunemann.

Um diese Defizite auszugleichen, habe der LWL-Fachausschuss seinerzeit beschlossen, die forensische Abteilung aus dem damaligen Westfälischen Landeskrankenhaus als eigene Fachklinik auszugründen: Das Jahr 1984 markiert die Geburtsstunde des heutigen LWL-Zentrums, wenngleich die Anfänge der Behandlung psychisch kranker Rechtsbrüchiger in Eickelborn bis zu den Anfängen des vorigen Jahrhunderts zurückreichen.

Hohe Erwartungen an die Qualitätsverbesserung von Behandlung und Sicherheit wurden seinerzeit formuliert - zu Recht, wie sich heute zeige: Deutlich sichtbar wurde rund um das Klinikgelände ein fünfeinhalb Meter hoher Sicherheitszaun gebaut, 2004 mit der durchgehend besetzten Zentralpforte geschlossen.

Die Klinik selbst wurde in fünf Abteilungen gegliedert, das Personal deutlich besser qualifiziert und die Prognosequalität auch durch den Einfluss vermehrter Forschung stark erhöht. Insbesondere in den vergangenen zwei Jahrzehnten habe sich die forensische Psychiatrie zu einem hochqualifizierten Baustein innerhalb der psychiatrischen Versorgung entwickelt, sagte Lunemann, "teilweise mit einer Behandlungsqualität, die in anderen psychiatrischen Versorgungsbereichen kaum noch zu erreichen ist".

Lunemann erinnerte jedoch auch daran, dass es in den ersten Jahren des LWL-Zentrums zu schwerwiegenden Zwischenfällen gekommen sei. Zuletzt die Tötung der kleinen Anna-Maria 1994 habe regelrechte Schockwellen durch den Ort und auch durch die Klinik gejagt. "Danach ist hier kein Stein auf dem anderen geblieben", sagte Lunemann. Der Vorfall sei extern aufgearbeitet und zahlreiche Reformen eingeleitet worden.

"Seitdem konnte die Zahl der Entweichungen stark gesenkt werden und die Sicherheit wurde insgesamt erhöht", so der Direktor des LWL. Eine der damals eingesetzten Maßnahmen, die vielen im Ort wichtig gewesen sei, der so genannte "Eickelborner 1:1-Ausgang", sei jedoch 2017 für rechtswidrig erklärt und zurückgenommen worden.

Auch im Miteinander zwischen Kommune und Klinik habe es seitdem ein Umdenken gegeben, betonte Lunemann. Ähnlich wie Lippstadts Bürgermeister Arne Moritz und der stellvertretende Landrat Markus Patzke verwies er auf den Austausch im Beirat und die Zusammenarbeit in der "Sicherheitspartnerschaft" als positive Beispiele für gelungenen Bürgerschaftsdialog. Einen wesentlichen Anteil an der Entlastung des größten Forensik-Standorts in Westfalen-Lippe habe auch die Eröffnung neuer Kliniken durch das Land gehabt, hob Lunemann in Richtung von NRW-Staatssekretär Matthias Heidmeier hervor, der in seinem Grußwort weitere neue Standorte ankündigte.

Tiefgreifende Veränderungen habe es auch in der Patientenstruktur gegeben, berichtete der Ärztliche Direktor Bernd Wallenstein: "Persönlichkeitsgestörte Sexualstraftäter, bis vor zehn Jahren noch in der Mehrzahl, werden heute kaum noch eingewiesen. Sie machten nur noch zehn Prozent aus, 70 Prozent dagegen die Psychosekranken, vornehmlich mit Körperverletzungsdelikten. Auch der Frauenanteil sei kontinuierlich gestiegen, von aktuell 341 stationären Patienten seien 67 weiblich.

Wallenstein listete auf, was die Zukunft bringen werde: Einen steigenden Anteil von Psychosekranken, mehr Frauen, zunehmend ältere Untergebrachte, insgesamt steigende Kapazitätsanforderungen. "Der Wandel des Zeitgeistes wird uns weiterhin vor Herausforderungen stellen. Und wir werden Lösungen dafür finden."

Pressekontakt:
Petra Schulte-Fischedick, LWL-Maßregelvollzug, Telefon: 0231 4503-4100 und Thorsten Fechtner, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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Foto zur Mitteilung
(v.l.) LWL-Maßregelvollzugsdezernent Tilmann Hollweg, Landtagsabgeordneter Jörg Blöming, Pflegedirektor Stephan Deimel, Staatssekretär Matthias Heidmeier, Dr. Georg Lunemann, Direktor des LWL, Kaufmännischer Direktor Tobias Brockmann, Landrats-Vize Markus Patzke, Bürgermeister Arne Moritz und Ärztlicher Direktor Bernd Wallenstein (v.l.).
Foto: LWL/SchuFi


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