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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 05.05.23

Viermal komplett neu aufgebaut
Die römische Marinebasis am Uferkastell in Haltern am See

Haltern (lwl). Seit Herbst 2021 graben die Archäolog:innen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) auf zwei benachbarten Grundstücken innerhalb des ehemaligen römischen Uferkastells an der Lippe in Haltern am See. Die Fachleute fanden unter anderem heraus, dass die Marinebasis vor 2.000 Jahren viermal komplett neu aufgebaut wurde, jeweils mit verändertem Grundriss.

Die mehrmonatigen Untersuchungen wurden aufgrund von geplanten Neubaumaßnahmen notwendig. Bislang beruhte das Wissen über diesen Bereich weitgehend auf den Ergebnissen von Ausgrabungen in den Jahren 1901 bis 1904. Die jetzigen Untersuchungen erweitern nach Auskunft der LWL-Expert:innen das bisherige Verständnis zum kleinen militärischen Flusshafen, der sich hier vor 2.000 Jahren befand, und zu dessen Umwehrung aus Holz-Erde-Mauer und Wehrgraben.

Die Anlage "Hofestatt" und das römische Uferkastell
Zwischen dem Kardinal-von-Galen-Platz und dem Sportplatz in Haltern schiebt sich eine spornartige Terrasse von der Weseler Straße auf einer Länge von 500 Meter südwärts zum Schulzentrum. Im heutigen Stadtbild ist dieser Sporn so stark überbaut, dass er optisch kaum hervortritt.

Dagegen konnten die Ausgräber 1901 die markante Erscheinung dieser Flur mit dem Namen "Hofestatt" noch deutlich im Gelände erkennen. Am Terrassenfuß floss bis in das 16. Jahrhundert hinein die Lippe entlang, daher wählte der damalige Grabungsleiter Friedrich Koepp für diese Fundstelle schon früh die Bezeichnung "Uferkastelle".

Auch zur Zeit der römischen Okkupation schob sich die Hofestatt vergleichbar einer Halbinsel weit in das Lippetal vor, so dass die Römer diese Geländeform für ihre militärischen Zwecke nutzen konnten. Hier lagen die Patrouillenboote im Hafen, mit denen die Legionäre die Schiffstransporte auf der Lippe sicherten. Erst im Jahr 1547/1548 verlagerte die Lippe infolge eines Jahrhunderthochwassers ihren Flusslauf um 900 Meter nach Süden.

Da ab den 1950er Jahren das Uferkastells großflächig überbaut wurde - ohne archäologische Begleitung -, eröffnet das Bauvorhaben den Fachleuten des LWL jetzt die Möglichkeit, die archäologischen Reste mit modernen Methoden zu erforschen.

"Mit der aktuellen Ausgrabung begeben wir uns in zweifacherweise auf eine Zeitreise. Einerseits zu den Altausgräbern, deren Ergebnisse wir nach 120 Jahren überprüfen können und andererseits zu den Römern und deren Bautechnik", berichtet Dr. Bettina Tremmel, Römerexpertin der LWL-Archäologie für Westfalen.

Vier Bauphasen zeugen von der Bedeutung der Marinebasis
Die Marinebasis wurde viermal komplett neu aufgebaut, jeweils mit verändertem Kastellgrundriss. Seit 2021 wurden eine Vielzahl von Gruben und Gräben, die sich deutlich sichtbar über zwei Jahrtausende als Bodenverfärbungen erhalten haben, freigelegt und dokumentiert.

Mehrheitlich handelt es sich dabei um die Pfostengräbchen der ältesten Phase und die Pfostenspuren der dritten Phase. Die Baukonstruktion der ältesten Phase begegnet ähnelt der im römischen Lager von Bergkamen-Oberaden, dessen Teilrekonstruktion seit 2012 dort zu besichtigen ist.

Die Befunde der dritten Phase zeigen Parallelen in der rekonstruierten Holz-Erde-Mauer des Römerparks Aliso im LWL-Römermuseum in Haltern am See. Die Überreste diverser römischer Abfallgruben waren bereits ausgeräumt, da die Ausgräber des Jahres 1904 diese Abfallgruben bereits geleert hatten.

Die Ausgrabung wird in den nächsten Wochen abgeschlossen.

Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Bianca Kühlborn, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-3504
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Senkrecht in den Boden eingegrabene Holzpfosten dienten als Grundgerüst für die Holz-Erde-Mauer. Das vollständig vermoderte Holz zeichnet sich als dunkle Spur in der Pfostengrube ab.
Foto: LWL/ P. Hessel

Foto zur Mitteilung
Die Bodenspuren zeigen, dass zwei Pfosten hier ungewöhnlich dicht beieinanderstanden. Es handelt es sich einen bautechnischen Sonderfall für den es bislang noch keine plausible Erklärung gibt.
Foto: LWL/ P. Hessel

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Die römischen Fundamentspuren zeichnen sich markant im gelben Sand ab. Der verfüllte Wehrgraben setzt sich als breite Spur unter der Straße "Am Uferkastell" fort.
Foto: LWL/ P. Hessel

Foto zur Mitteilung
Die Ausgräber von 1904 erstellten einen vierfarbigen Plan der mehrphasigen Uferkastelle. Das schwarze Rechtrecht markiert das seit 2021 untersuchte Areal.
Plan: Altertumskommission für Westfalen

Foto zur Mitteilung
Südöstlich des römischen Hauptlagers (A) errichteten die Römer kleine Kastelle (C) als geschützten Hafen für ihre Patrouillenboote.
Vorlage LWL/ D. Jaszczurok
grafische Gestaltung: maßwerke GbR


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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