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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 02.11.22

Die Bausubstanz spricht für sich
St. Agatha in Münster-Angelmodde ist Denkmal des Monats

Münster (lwl). Neue Erkenntnisse zur Baugeschichte ergaben Forschungsarbeiten in der Kirche St. Agatha in Münsters Vorort Angelmodde. Vor diesem Hintergrund stellt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das mittelalterliche Bauwerk als Denkmal des Monats November vor.

Sanierungsarbeiten im Sommer ermöglichten es den LWL-Bauforscher:innen das Gebäude detailliert zu untersuchen. Erstmals konnten die Fachleute durch eine genaue Untersuchung der Bausubstanz und des Konstruktionsgefüges beweisen, was bisher nur vermutet wurde: Der mächtige Turm von St. Agatha entstand vor dem Rest der Kirche.

"Wir haben ein Bauaufmaß erstellt und dabei festgestellt, dass Turm und Kirche nicht auf der gleichen Achse stehen", erklärt LWL-Bauforscher Carsten Hensgens. "Der Turm ist zum Langhaus um ca. 2,5 Grad verdreht, eine für das bloße Auge kaum wahrnehmbare Abweichung. Dennoch ist nicht anzunehmen, dass dieser Achsknick bei einer einheitlichen Anlage des Gebäudes entstanden ist, so dass Turm und Kirchengebäude zwei verschiedenen Bauphasen entstammen müssen."

Dieses Ergebnis wird auch durch einen Befund unterstützt, den das Bauforschungs-Team im Dachraum der Kirche fand: Verborgen unter einer Staubschicht zeigte sich hier, dass das Mauerwerk des Langhauses nicht in das des Turmes einbindet, sondern mit einer Fuge davor gemauert wurde.

Auch bei der Frage, welcher Gebäudeteil älter ist, sprach die Gebäudesubstanz für sich: "Die Ostwand des Turmes, die gleichzeitig die Westwand des Langhauses ist, verfügt nicht über parallele Wandoberflächen, sondern ist trapezförmig ausgebildet. Das Aufmaß zeigte hier, dass der schräge Teil der Wand alleine auf das Langhaus entfällt, während der Turm fast perfekt rechteckig ist", so Hensgens. "Das belegt, dass das Langhaus auf den Turm reagiert - und nicht umgekehrt. Der Turm muss also schon vorhanden gewesen sein, als der Rest der Kirche erbaut wurde."

Welche Funktion der Turm hatte, bevor er zum Kirchturm von St. Agatha wurde, kann der Bauforscher aufgrund fehlender Quellen nur vermuten. "Vielleicht war er der Turm einer nicht mehr nachweisbaren Vorgängerkirche. Das starke Mauerwerk, die Wölbung auch im Obergeschoss und die wenigen, sehr kleinen Öffnungen in den beiden unteren Geschossen lassen aber vermuten, dass er zumindest auch eine gewisse sichernde Funktion besaß."

Wann Turm und Kirchengebäude genau errichtet wurden, sollen weitere bauforscherische und naturwissenschaftliche Untersuchungen zeigen.

Hintergrund: St. Agatha in Münster-Angelmodde
Die Kirche St. Agatha steht umgeben von weiteren historischen Gebäuden zentral auf dem Kirchplatz des alten Dorfkerns von Angelmodde. Der romanische Bau ist sehr schlicht, weiß verputzt und - typisch für die Romanik - mit klar voneinander abgetrennten Gebäudeteilen. Im Westen dominiert ein niedriger, aber dennoch mächtiger Turm, der den Eingang der Kirche aufnimmt. Hier finden sich mit dem gestuften Eingangsportal und den Fenstern im Obergeschoss die einzigen schmückenden Elemente im Außenraum. Es folgt nach Osten das weniger hohe, aber etwas breitere Langhaus. Der Chor ist nochmals niedriger und schmaler. Das östliche Ende bildet eine kleine, halbrunde Apsis. Alle diese Gebäudeteile haben jeweils ihr eigenes Dachwerk und sind im Äußeren als eigenständige Bereiche ablesbar. Auch im Inneren ist die Gestaltung zurückhaltend, es finden sich lediglich Gesimse und zwei maskenhafte Kopfdarstellungen. Die größte Besonderheit des Innenraumes ist, dass alle Bereiche vollständig überwölbt sind - für eine Dorfkirche dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit.

Unklar ist bisher, wann genau die Kirche errichtet wurde. Zwar wird die Pfarrei erstmalig im Jahr 1286 urkundlich erwähnt, jedoch legt der Vergleich der Raumkonstruktion mit anderen Kirchen den Schluss nahe, dass die Kirche der Zeit um das Jahr 1200 entstammt.

Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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Foto zur Mitteilung
Blick von Südwest auf die Kirche und den umgebenden Kirchplatz. Der Kirchturm nimmt das Eingangsportal auf, ist sonst in den unteren Geschossen aber sehr geschlossen und massiv.
Foto: LWL/Hensgens

Foto zur Mitteilung
Kircheninneres nach Osten mit den beiden Jochen der Saalkirche. Im Hintergrund der schmalere und niedrigere Chor und die eingezogene Apsis.
Foto: LWL/Hensgens

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Eingangsportal des Westturmes mit zwei eingestellten Säulen und schlichter Stufung.
Foto: LWL/Hensgens

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Grundriss des Erdgeschosses von St. Agatha. In Rot das Rechteck des Turmes. Dazu verdreht das des Langhauses, das das Turmrechteck umschließt. Hier ist auch gut die Stärke der Turmmauern zu erkennen, in deren Masse sogar eine Treppe Platz findet.
Foto: LWL

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Dachraum über dem Langhaus am Anstoßpunkt zur weiter aufsteigenden Turmmauer. Zwischen dieser und den im Boden sichtbaren Steinen des Langhausbogens zeichnet sich eine Fuge ab, Langhaus und Turm sind nicht im Verband errichtet.
Foto: LWL/Hensgens


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