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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 23.06.22

(Post)koloniales Westfalen-Lippe
LWL-Kulturstiftung ruft neuen Förderschwerpunkt aus

Münster. Die LWL-Kulturstiftung richtet in einem neuen Förderschwerpunkt den Blick auf die koloniale Vergangenheit Westfalen-Lippes und ihre gegenwärtigen Spuren im Alltag und in der Kultur. Das hat der Kulturausschuss des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) am Mittwoch in Münster befürwortet, der LWL-Landschaftsausschuss soll am 23. September zustimmen.
"Kolonialismus ist keine Epoche, sondern ein einschneidendes Element, dass unsere Gesellschaft in allen Bereichen maßgeblich geprägt hat und weiterhin prägt. Deshalb geht es uns alle an - in unseren Städten und unseren ländlichen Regionen", so LWL-Direktor Matthias Löb, Vorstandsvorsitzender der LWL-Kulturstiftung.
Zu begreifen, in welcher Weise das Fortwirken kolonialer Machtstrukturen und Denkmuster unser eigenes Leben bestimme, sei wesentlich, um diese Muster aufzubrechen und Gesellschaft neu zu gestalten. "Mit dem Förderschwerpunkt wollen wir für diese Zusammenhänge sensibilisieren und uns dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe widmen", so Löb weiter.

Der Kaffee und Tee am Frühstückstisch sowie Straßennamen, die an Kolonialakteur:innen erinnern, zeigten beispielhaft Wirkungen der Kolonialzeit bis heute. Die "Black Lives Matter"-Bewegung oder die Debatte um Kolonialkunst in deutschen Museumssammlungen verweise darauf, wie tiefgreifend koloniale Denkmuster, Bilder und Strukturen in der Gesellschaft verankert seien. Wie sich sogenannte "(post)koloniale Verstetigungen" vielerorts niederschlagen und wie kulturelle Angebote zu einem kritischen Umgang damit anregen, soll in Projekten vorgestellt und diskutiert werden.

Antragsteller:innen wie Kulturinstitutionen, Vereine oder bürgerschaftlich organisierte Gruppen sind aufgerufen, sich mit ihren Vorhaben an dem Themenjahr zu beteiligen. 2024 sollen die Projekte in Westfalen-Lippe umgesetzt werden, Anträge nimmt die LWL-Kulturstiftung ab Sommer 2022 entgegen.
"Mit dem Förderschwerpunkt tragen wir einen sehr wichtigen Diskurs von den urbanen Zentren Deutschlands in die Region Westfalen-Lippe, denn koloniale Spuren finden sich nicht nur in Archiven und Museumssammlungen der Metropolen", so Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, LWL-Kulturdezernentin und Vorstandsmitglied der LWL-Kulturstiftung. "Wir rufen dazu auf, koloniale Kontinuitäten in unserem Alltag und in unserem gesellschaftlichen Miteinander aufzuspüren und Vorschläge für ein selbstkritisches und kritisches Zusammenleben in gelebter Vielfalt zu diskutieren", sagt Rüschoff-Parzinger weiter.

Hier knüpfe der Förderschwerpunkt der LWL-Kulturstiftung an: Ein umfassendes Kulturprogramm soll 2024 in der gesamten Verbandsregion das Thema (Post)Kolonialismus beleuchten. Ein Ausstellungsprojekt im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund ist bereits fester Bestandteil des Programms: Die Zeche Zollern erhielt für die Ausstellung "(Post)koloniales Westfalen" (Frühjahr 2024 bis Herbst 2025) die Förderzusage der Stiftung und war Anlass für den neuen Förderschwerpunkt. Als impulsgebendes Projekt ist die Ausstellung ein wichtiger Ankerpunkt in der Region. Durch den Förderschwerpunkt soll die Ausstellung von einer Vielzahl von Projekten flankiert werden, die gemeinsam einen "multiperspektivischen und interdisziplinären Blick" auf den (Post)Kolonialismus werfen.


Hintergrund: Koloniale Spuren und Kontinuitäten erkennen
Der Kolonialismus war geprägt von gesellschaftlicher Expansion, bei der vor allem europäische Großmächte andere Territorien besetzten. Durch die Verdrängung und Unterdrückung der dortigen Bevölkerungen und durch die Errichtung von politischen und kulturellen Machtsystemen vor Ort wurden im Kolonialismus Gesellschaften, Wirtschaftsformen und Lebensverhältnisse weltweit fundamental verändert. Auch heute noch zeugen Wirtschaftsbeziehungen, die den Kolonialhandel tradieren, rassistische Diskriminierung, ebenso wie Worte in Liedern und Sprichwörtern, die Kolonialismus glorifizieren und ganze Bevölkerungsgruppen entmenschlichen, davon.

Denkmuster und Machtstrukturen kritisch und selbstkritisch reflektieren
Im kulturellen Bereich sorgte insbesondere die Aufarbeitung der Sammlungsbestände von kolonialen Gütern in deutschen Museen, wie zum Beispiel im Humboldt Forum in Berlin, in den vergangenen Jahren für Aufmerksamkeit. Es entwickelten sich wichtige kulturpolitische Fragen: Aus welchen Kontexten stammen Kulturgüter in Museen? An wen wird wie erinnert, an wen nicht?
Vielerorts engagieren sich bereits Vereine für eine neue postkoloniale Erinnerungskultur: Ideen zur Umbenennung von Straßennamen oder Vorschläge zu einem anderen Umgang mit Denkmälern werden diskutiert. Kritische Stadtrundgänge und Kulturveranstaltungen wie Lesungen und Konzerte von Kulturinitiativen, die die Belange von BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) sichtbar machen, wollen den kolonialen Blick brechen und laden zum Dialog ein.

Beratung und Antragstellung
Um ein möglichst vielschichtiges Programm zu präsentieren, ist die Förderung der LWL-Kulturstiftung offen für alle kulturellen Sparten und Angebote. Kultureinrichtungen, Vereine und Organisationen, die sich mit (post)kolonialen Perspektiven beschäftigen, sind eingeladen, ihre Ideen vorzustellen.
Der Förderschwerpunkt ist Teil des allgemeinen Förderprogramms der LWL-Kulturstiftung: So gelten die regulären Förderkriterien, die neben dem westfälisch-lippischen Bezug auch eine überörtliche Ausrichtung und einen Netzwerkcharakter umfassen.
Ergänzend dazu ist eine Beratung vor der Antragstellung im Rahmen des neuen Förderschwerpunktes verpflichtend. Durch die frühzeitige Einbindung der Stiftungsmitarbeiter:innen in die Weiterentwicklung eines Vorhabens erhalten Projektverantwortliche die Möglichkeit, ihre Ideen auch auf aktuelle Diskussionen abzustimmen und sich mit dem Leitbild, das die LWL-Kulturstiftung auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat, vertraut zu machen.

Haupt-Antragsfrist für die Teilnahme an diesem Förderschwerpunkt ist der 28. Februar 2023. Projekte, die einen längeren zeitlichen Vorlauf benötigen, können auch bereits zur Antragsfrist am 31. August 2022 eingereicht werden. Nur in begründeten Ausnahmefällen können Projektanträge ohne vorherige Beratung bei der Förderentscheidung berücksichtigt werden.

Alle Informationen zu den Fördergrundsätzen und zum Förderschwerpunkt (Post)Kolonialismus sowie das Leitbild und Begriffserläuterungen zu dem Themenfeld bietet die Internetseite der LWL-Kulturstiftung: http://www.lwl-kulturstiftung.de


Alle Informationen zur Ausstellung "(Post)Koloniales Westfalen" auf Zecher Zollern: http://www.lwl-industriemuseum.de/de/wissenschaft/projekte/postkolonial/




Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Anja Tomasoni, anja.tomasoni@lwl-kulturstiftung.de, Telefon 0251 591-6929
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Die LWL-Kulturstiftung richtet in einem neuen Förderschwerpunkt den Blick auf die koloniale Vergangenheit Westfalen-Lippes und ihre gegenwärtigen Spuren im Alltag und in der Kultur.
Grafik: LWL


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