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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 18.01.22

Mittelalterliches Bootswrack geht auf die Reise
Konservierung dauert Jahre

Münster (lwl). Das mittelalterliche Bootswrack, das 2019 entdeckt und 2020 aus der Lippe bei Lippetal-Herzfeld (Kreis Soest) geborgen wurde, geht auf die Reise nach Schleswig-Holstein. Dort soll das 850 Jahre alte Wrack in den großen Konservierungsbecken des Museums für Archäologie Schloss Gottorf mehrere Jahre lang konserviert werden.

Die Archäolog:innen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und das Team um den Unterwasserarchäologen Dr. Martin Mainberger aus Staufen im Breisgau hatten die Reste mit schwerem Gerät und unter hohem Aufwand geborgen und intensiv untersucht. Seit November 2020 lagert das alte Eichenholz in den Restaurierungswerkstätten der LWL-Archäologie für Westfalen in Münster. Am Dienstag (18.1.) wird es nach Schleswig transportiert.

"Große Bedeutung für Westfalen"
"Der Fund des Wracks ist auch drei Jahre nach seiner Entdeckung immer noch hoch faszinierend und von großer Bedeutung für die Archäologie Westfalens. Wir werden in den kommenden Jahren noch viele Geheimnisse lüften können, denn die Forschungsarbeit hat gerade erst begonnen", sagt LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger.

Seitdem das Holz aus den Tiefen der Lippe geborgen wurde, sind zahlreiche Untersuchungen durchgeführt worden. Schnell waren die Expert:innen sich darüber einig, dass eine umfangreiche Konservierung durch Fachleute nötig sein wird.
Prof. Michael Baales, Leiter der LWL-Archäologie-Außenstelle in Olpe, begleitet das Wrack seit seiner Entdeckung: "Es hat erste Analysen der Moose aus der Kalfatmasse gegeben, also der Dichtmasse zwischen den Fugen der einzelnen Planken", so Baales. Offenbar kamen für die Herstellung dieser Dichtmasse mehrere Moosarten zum Einsatz, die damals noch in Westfalen heimisch waren. Das spreche für den Bau des Bootes hier in Westfalen, so die erste Einschätzung.

Zudem hat es weitere Untersuchungen zur Altersbestimmung des Holzes gegeben: "Die ersten Datierungen wiesen ja auf die Mitte des 12. Jahrhunderts als Bauzeit. Das konnte durch die Analyse weiterer Holzproben bestätigt werden", sagt Baales.

Dr. Thorsten Westphal, Dendroarchäologe von der Universität zu Köln, konnte ermitteln, dass die Eichen zwischen 1132 und 1164 gefällt wurden. Auch ein Stück Holz, dass in einer großen Seitenplanke, eingesetzt worden war, liegt mit einem Fälljahr von 1147 ziemlich genau in der Mitte.

Dieses eingesetzte Holzstück haben die Fachleute bisher als Reparaturmaßnahme interpretiert, aber nach den aktuellen Untersuchungen ist man auch hier schlauer:
"Zu vermuten ist, dass gut gelagerte Eichen verbaut wurden und dass der vermeintliche Reparatureinsatz gar keiner ist, sondern eine von vornhinein problematische Wuchsstelle in der Eiche für die Seitenplanke verbessert wurde", erklärt Baales.

Konservierung im Becken
Seit die Hölzer im Restaurierungslabor des LWL angekommen sind, kümmert sich Chef-Restaurator Sebastian Pechtold um das Wrack: "Das Holz wurde hier in Leitungswasser gelagert, um es bis zum Transport zu den Kolleg:innen in Schleswig fit zu halten", sagt Pechtold. Nun soll das Wrack dort, in den großen Konservierungsbecken des Museums für Archäologie Schloss Gottorf, über mehrere Jahre konserviert werden. Pechtold: "Dazu sind hohe und weite Räume mit großen Becken und Hebeeinrichtungen nötig, und wir freuen uns über die Unterstützung." Er selbst begleitet die Bootsteile bei ihrem Transport in einem 7,5-Tonner in den Norden. "Wo und wie das Wrack nach seiner Konservierung einmal ausgestellt werden wird, steht noch nicht fest. Sicher ist aber, dass es für die Westfalen und Westfälinnen zugänglich gemacht werden soll", so Rüschoff-Parzinger.

Allerdings stehen erst noch ein paar weitere Untersuchungen an: Anhand der Wuchsmuster des Holzes hoffen die Fachleute rekonstruieren zu können, welche Teile aus den Eichenstämmen zum Bau des Bootes genutzt wurden. Baales: "Das würde uns mehr Informationen über die Baugeschichte des Lippeschiffes bringen. Außerdem erhofft sich das Team weitere Erkenntnisse aus anstehenden Pollenanalysen durch die Universität Köln. Dann könnten sich Fragen zum botanischen Umfeld der Wuchsstandorte der genutzten Moose klären: Wie hat die Umwelt vor rund 850 Jahren ausgesehen, als die Menschen in den westfälischen Wald gingen, um die Eichen für das Lippeboot zu schlagen?


Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Sandra Görtz, LWL-Archäologie für Westfalen, Tel.: 0251 591-8946
presse@lwl.org



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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Im Rahmen eines Pressetermins geben die Expert:innen der LWL-Archäologie vor dem Transport nach Schleswig-Holstein nochmals alle Daten und Fakten zum mittelalterlichen Bootswrack aus der Lippe bekannt. Von links nach rechts: Werkstattleiter der Restaurierung Sebastian Pechtold, Außenstellen-Leiter Olpe Prof. Michael Baales, LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, Direktor der LWL-Archäologie Prof. Michael M. Rind.
Foto: LWL-Archäologie/S. Michalski

Foto zur Mitteilung
Restaurator Sebastian Pechtold zeigt Werkzeugspuren, bevor die Teile in den Lkw geladen werden.
Foto: LWL-Archäologie/S. Michalski

Foto zur Mitteilung
M. Baales und S. Pechtold erklären Details anhand einer Rekonstruktionszeichnung.
Foto: LWL-Archäologie/S. Michalski

Foto zur Mitteilung
Dendro-Archäologe Dr. Thorsten Westphal benötigt zur weiteren Altersbestimmung gut sichtbare Jahrringe - wie sie hier gut erkennbar sind.
Foto: LWL/A. Weil Helmbold

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Die einzelnen Wrackteile sind mit kleinen Info-Zetteln markiert.
Foto: LWL/A. Weil Helmbold

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Das Eichenholz wird zur Beprobung aus den Wasserbecken geholt, in denen es bis zum Transport nach Schleswig bei der LWL-Archäologie lagert.
Foto: LWL/A. Weil Helmbold

Foto zur Mitteilung
Blick in das Fundarchiv der LWL-Archäologie, wo das mittelalterliche Holz zu letzten Probenentnahmen vor dem Transport nach Schleswig noch einmal ausgepackt wurde.
Foto: LWL/A. Weil Helmbold


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen