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Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 06.01.22
Zwischen künstlerischer Moderne und Nationalsozialismus
LWL-Museum für Kunst und Kultur präsentiert das Kunstwerk des Monats Januar
Münster (lwl). Der Blick aus einer dunklen Stube aus dem Fenster in einen strahlenden Sommertag: Das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster präsentiert das 1904 gemalte Bild "Mein Fenster" von Hermann Groeber (1865 - 1935) als Kunstwerk des Monats Januar. Es ist ein Zeugnis der künstlerischen Moderne. Doch war Groeber nicht nur Maler, sondern auch aktiver Nationalsozialist.
Das Werk "Mein Fenster" wurde 1908 neben Gemälden von Slevogt und Nolde als eines der ersten Bilder moderner Kunst nach der Eröffnung des Landesmuseums der Provinz Westfalen am Domplatz angekauft. Eine umfangreiche Zeitungsrezension im Münsterischen Anzeiger von 1908 erklärt die Gründe für den Ankauf: Bilder mit ähnlichen Motiven und Szenen der Maler Caspar David Friedrich, Georg Kersting und Moritz von Schwind aus dem 19. Jahrhundert seien gezeichnet und nur koloriert - Groeber erreiche die Wirkung auf rein malerische Weise. Der Künstler gäbe den optischen Eindruck wieder, den er beim Anblick des Lichtes hatte. Die Illusion der lebendigen Wirklichkeit sei darum in seinem Bilde weit größer als in den Werken von Schwind oder Kersting.
Wie seine Vorbilder stellte auch Groeber seine Ehefrau als Rückenfigur dar. Aus einem dunklen, in braun und grün abgetönten Zimmer schaut die hell gekleidete Frau aus dem Fenster in eine strahlende Landschaft mit blauem Himmel und wenigen ziehenden Wolken. Der Blick aus dem Fenster zeigt die Sehnsucht nach der Freiheit der Natur im Kontrast zur Unfreiheit der Frau im häuslichen Kontext. Künstlerisch und technisch war und ist das Werk ein museumswürdiges Werk der Moderne.
Später wandelte sich der Maler Groeber jedoch vom innovativen Impressionisten zum konservativen Gegner der Moderne. So begründete er 1928 den nationalsozialistischen und antisemitischen "Kampfbund für deutsche Kultur" mit, der unter anderem in der Aktion "Entartete Kunst" durch Beschlagnahmung und Diffamierung seinen Tiefpunkt fand. Groebers politische Gesinnung hat seinen Ruf zu Recht ruiniert.
Die Museen stehen heute vor der Frage, wie sie mit motivisch harmlosen Werken wie z.B. Groeber oder auch Emil Nolde umgehen sollen. "Das Mindeste muss im Sinne der Transparenz sein, über das nationalsozialistische Engagement aufzuklären", beschreibt der Historiker und Kurator am Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Gerd Dethlefs, die Haltung des Hauses.
Am Freitag (11.1.) bietet Dr. Dethlefs um 18.15 und um 20 Uhr ein Gespräch zu diesem Kunstwerk und dem Künstler Groeber an. Die Teilnahme kostet zwei Euro, Tickets gibt es im Ticketshop. Für vier Wochen ist das Werk im Foyer des Museums zu sehen.
Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Nora Staege, Telefon 0251 5907-311, presse.museumkunstkultur@lwl.org
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