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Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 15.07.21
Schatzbergung im Fotoatelier
Digitalisierungsprojekt des LWL macht historische Wandmalereipausen fit für die Zukunft
Münster (lwl). Wertvolle Schätze müssen nicht immer aus Gold oder Edelsteinen bestehen - das beweist die Sammlung von Wandmalereipausen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Sie wird im Planarchiv der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen aufbewahrt. Seit zwei Jahren bergen die LWL-Experten diesen Schatz aus unterschiedlichen Trägermaterialien und sichern ihn im Rahmen eines langfristigen Projekts für die Zukunft. Dafür wird jedes Blatt zunächst in einem externen Restaurierungsatelier konservatorisch behandelt, anschließend in der Fotowerkstatt des LWL-Fachamtes digitalisiert und am Ende in das Zentraldepot nach Coerde gebracht.
Die Blätter zeigen Durchzeichnungen von historischen Wandmalereien, die in westfälischen Kirchen, Schlössern und anderen geschichtsträchtigen Gebäuden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hinter Putz- und Farbschichten entdeckt wurden. "Dieses Konvolut westfälischer Wandmalerei ist absolut einzigartig", schwärmt LWL-Chefdenkmalpfleger Dr. Holger Mertens. "Für die Forschung sowie für Restauratorinnen und Restauratoren sind sie nach wie vor unersetzliche Arbeitsgrundlage, mit denen längst verschwundene oder schlecht erhaltene Originale wieder an Aussagekraft gewinnen." Zum Ziel des Digitalisierungsprojekts sagt Dr. Birte Graue, die den Bereich Restaurierung und Dokumentation leitet: "Wir möchten, dass eine breite Öffentlichkeit Zugang zu diesen Unikaten erhält. Weil aber die Originalpausen so empfindlich sind, wollen wir sie möglichst wenig in die Hand nehmen und stattdessen zukünftig die Digitalisate zur Verfügung stellen."
Im Fotoatelier der LWL-Denkmalpflege bearbeiten die Fotograf:innen jede Wandmalereipause einzeln und ihrem Material entsprechend: Zeichnungen auf durchsichtigen oder halbtransparenten Untergründen hängen sie an ein spezielles Gerüst, das mit einigen Metern Abstand zu einem gleichmäßig ausgeleuchteten weißen Hintergrund aufgestellt ist. Dieser Aufbau ermöglicht eine schattenfreie Aufnahme des Dargestellten. Blickdichte Papiere legen die Fachleute auf einen weißen Kartonhintergrund, leuchten sie mit vier leistungsstarken Blitzgeräten aus fotografieren sie von oben aus etwa 4,5 Metern Entfernung. Christoffer Diedrich, Sachbereichsleiter Archive, erläutert das weitere Vorgehen: "Die Bilder werden am Computer digital bearbeitet, mit vorhandenen Zusatzinformationen versehen und in unserem Planarchiv archiviert. Später sollen sie in unserer Denkmäler-Datenbank hochgeladen werden." Das Projekt werde noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
"Beim Durchzeichnen der Wandbilder wurden meist nur die Umrisse der Ornamente oder Figuren, der Faltenwurf ihrer Gewänder und die Konturen von Augen, Mund und Nase nachgezogen. Ganz besonders und sehr attraktiv sind daher die wenigen Stücke, die zusätzlich koloriert wurden", erläutert LWL-Restaurator Dr. Dirk Strohmann. Jedoch müsse dabei bedacht werden, dass die Farben nicht unbedingt der Realität entsprechen, sondern auch oft rekonstruiert und eine Interpretation des Zeichners sein können. Dennoch sind die Pausen laut dem Experten eine unersetzbare Quelle - allein schon deshalb, weil sie oft eindeutigere Informationen über die ursprüngliche Darstellung liefern als Fotos.
Hintergrund: Die Sammlung
Mitte des 19. Jahrhunderts führten erste Aufdeckungen mittelalterlicher Wandmalereien in westfälischen Kirchen dazu, Durchzeichnungen im Maßstab 1:1 anzufertigen. Diese Dokumentationsform war technisch einfacher umsetzbar als mit den damaligen Mitteln der Fotografie. Die seit 1888 geführte Sammlung von Wandmalereipausen wird im Planarchiv der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen verwahrt. Sie umfasst über 1.400 Exemplare auf unterschiedlichen Materialien wie Karton, Packpapier, Folie oder Transparentpapier mit einer maximalen Größe von bis zu 393 mal 240 Zentimetern. Weitgehend abgeschlossen wurde die Sammlung in den 1980er-Jahren. Seitdem wird die inzwischen überholte Technik der Pause in dieser Form nur noch in Ausnahmefällen angewandt. "Eine der letzten Pausen wurde 2003 in die Sammlung aufgenommen, als im Kloster Glindfeld in Medebach ein Wandmalereibefund freigelegt wurde", erinnert sich Strohmann. Ursprünglich dienten die Pausen neben der Dokumentation auch als Grundlage für eine anschließende Übermalung in zeittypischer Manier. Dies war noch bis zum Zweiten Weltkrieg gängige Praxis in der damals relativ jungen Disziplin der Restaurierung, ist heute aber nicht mehr üblich.
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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