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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 05.11.19

Neues Exponat für Pest-Ausstellung
Trinkstubenschild belegt Flucht als Ausweg für obere Schichten

Herne (lwl). Heute (5.11.) erhält die Sonderausstellung "Pest!" im Museum für Archäologie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Herne ein neues Exponat. Der Trinkstubenschild der Stadt Nördlingen ist nicht nur wegen seines Durchmessers von über einem Meter bemerkenswert. Es dient als einzigartiges Zeugnis der Pest-Flucht vor über 450 Jahren und belegt, was heute noch aktuell ist: Migration ist auch eine Frage des Geldes.

"Unsere Ausstellung lebt - auch nach der Eröffnung der "Pest!" geht die Arbeit an den Exponaten weiter", erklärt Dr. Doreen Mölders, Leiterin des LWL-Archäologiemuseums. "Wir freuen uns sehr, den Trinkstubenschild ab sofort im Original zeigen zu können." Die runde Holztafel hat einen Durchmesser von 102 Zentimetern. Sie wurde im Jahr 1562 als Dank und zur Erinnerung an die Pest-Flüchtlinge aus Nürnberg der Nördlinger Ratstrinkstube übergeben.

"Ins nahe Nördlingen waren vor allem die Angehörigen der Nürnberger Oberschicht geflohen, um der Pest zu entgehen. In der Trinkstube haben sie viel Zeit verbracht", weiß Dr. Stefan Leenen, Kurator der Ausstellung. "Da sie lieber Bier nach Nürnberger Brauart als das in Nördlingen Übliche tranken, wurde ihnen sogar gestattet, einen eigenen Brauer zu beschäftigen", so Leenen weiter.
Was nach einem illustren Zeitvertreib klingt, war aber alles andere als leicht zu bewerkstelligen. Leenen: "Für die Flucht musste die Versorgung mit Essen und Kleidung gesichert sein und die Menschen mussten überhaupt erst eine Unterkunft finden." Gasthäuser seien schnell überfüllt und teuer gewesen. "Also waren Verwandte und Bekannte die erste Adresse", erklärt Leenen.

Die Seuchenzüge dauerten meist mehrere Monate, manchmal auch Jahre, was für die Geflüchteten und ihre Gastgeber eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen konnte. Leenen: "Die Möglichkeit zur Flucht bot sich somit vor allem den Wohlhabenden. Sie verfügten überhaupt erst über die nötigen Kontakte." Aus Angst vor der Pest wurde Auswärtigen, insbesondere solchen aus Pestgebieten, der Zutritt zur Stadt häufig verwehrt.

Entstehung des "Trinkstubenschildes"

Als 1562 in der Reichsstadt Nürnberg, die damals zu den bedeutendsten Städten nördlich der Alpen zählte, die Pest ausgebrochen war, baten einige Familien aus der Führungsschicht und später auch der Stadtrat die befreundete Reichsstadt Nördlingen um Aufnahme. Diese stimmte zu und ab Ende August 1562 kamen über mehrere Wochen immer mehr Nürnberger mit Familie und Bediensteten in die Stadt.

Untergebracht wurden sie in den Privathäusern ihrer Standesgenossen. Die hochrangigen Gäste erhielten Geldgeschenke der Stadt Nördlingen und wurden mehrfach in der Ratstrinkstube bewirtet. Für die Gastfreundschaft bedankte sich der Nürnberger Rat und die Geflüchteten selbst sammelten Geld für die Armen in Nördlingen. Als Geschenk ließen die Nürnberger einen runden Schild für die Ratstrinkstube malen. Darauf zu sehen sind die Wappen der jeweiligen Familien sowie im Mittelpunkt die Nürnberger Wappenelemente mit den beiden Stadtwappen und dem Reichsadler.

Zur Sonderausstellung "Pest!"

Was ist die Pest? Welche Gegenmaßnahmen haben die Menschen früher ergriffen? Ist die Pest heute ausgerottet? Diese und weitere Fragen beantwortet die neue Sonderausstellung "Pest!" in einer Reise durch die Geschichte dieser Krankheit. Archäologische Funde sowie Objekte der Kunst- und Kulturgeschichte zeichnen den Weg der Pest von der Steinzeit bis in die Gegenwart. Anschauliche Wachsmodelle und Medienstationen laden Besucher jeden Alters zum Entdecken ein. Die Ausstellung läuft bis zum 10. Mai 2020.

Mehr Infos: http://www.lwl-landesmuseum-herne.de
LWL-Museum für Archäologie, Europaplatz 1, 44623 Herne, Tel. 02323 94628-0

Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Dr. Carolin Steimer, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-3504
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Ein Mitarbeiter des LWL-Archäologiemuseums prüft die Beleuchtung.
Foto: LWL/A. Berner

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So sieht es aus, das neue Exponat im LWL-Archäologiemuseum in Herne.
Foto: LWL/A. Berner

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In einer Klimakiste wurde der empfindliche Trinkstubenschild von 1562 nach Herne transportiert.
Foto: LWL/A. Berner

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Prüfung der Beleuchtung mit dem Luxmeter: Ein sogenannter Luxmeter, ein Gerät zur Messung der richtigen Beleuchtungsstärke, gewährleistet die gute Sichtbarkeit aller Bildelemente auf dem Schild.
LWL/ A. Berner


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