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Presse-Infos | Jugend und Schule
Mitteilung vom 02.02.18
Chance zum Richtungswechsel
Bundesweit erstes Angebot für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche: "LWL-Jugendhilfestation als Brücke zwischen den Hilfen"
Hamm (lwl). Die bunte Kommode ist der einzige Farbtupfer im weiß gestrichenen Flur. Von hier aus geht es zu sieben Zimmern, einer Küche und einem Gemeinschaftsraum. Die Atmosphäre in der Wohngruppe Birkenfeld in Hamm erinnert an eine Klinik. "Die schlichte Einrichtung ist bewusst gewählt", sagt Wohngruppenleiterin Ina Berheide. Die Einrichtung unterstreiche den Klinikcharakter, da der Aufenthalt für die Kinder und Jugendlichen hier nur ein vorübergehender sei. "Er stellt lediglich eine Station auf ihrem Lebensweg dar", so Berheide.
Bis zu sieben psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren können hier wohnen. Als psychiatrische Jugendhilfestation ist sie eine Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Psychiatrie. "Nach einem Klinikaufenthalt geht die Betreuung der Kinder und Jugendlichen oft ambulant weiter", so Berheide. Die Situation sei oft schwierig einzuschätzen. Bei manchen sei überhaupt nicht klar, ob sie besser in ihrer Familie oder einer Wohngruppe aufgehoben wären. So stünden manche Betroffene beim Verlassen der psychiatrischen Klinik oft zwischen den Stühlen: in der klassischen Kinder- und Jugendpsychiatrie seien sie nicht mehr richtig aufgehoben, aber die Kinder- und Jugendhilfe könne auch noch keine passgenauen Unterstützungsmöglichkeiten bieten. Eigentlich bräuchten die jungen Menschen Unterstützung aus beiden Hilfesystemen.
Anna (Name geändert) ist ca. 14 Jahre alt und lebt in der Wohngruppe Birkenfeld. Mit ihrem Schlafanzug verhält und kleidet sie sich so als wäre sie hier zu Hause. Allerdings fällt auf, dass sie nur den Kontakt zu ihren Betreuern sucht. Auf unbekannte Personen reagiert sie scheu und zieht sich zurück. Ein typisches Verhalten für die psychische Verfassung der Betroffenen: sie scheinen sich zu schämen und ein Kontakt mit Fremden ist eher schwierig.
Um diese Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg in ein selbstbestimmteres Leben zu unterstützen, haben der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und die Stadt Hamm zusammen das neue Angebot erarbeitet. Daran beteiligt sind die LWL-Universitätsklinik Hamm, das LWL-Heilpädagogische Kinderheim (HeiKi) Hamm und das Jugendamt der Stadt. Sie haben diese bundesweit erste Jugendhilfestation entwickelt, die nicht mehr Klinik, aber auch noch keine klassische Jugendhilfe sein soll.
"Viele Betroffene würden ohne dieses Angebot wieder in der Klinik landen", sagt Frank Herber, Einrichtungsleiter des LWL-Heilpädagogischen Kinderheims Hamm. Um diesen "Drehtüreffekt" zu vermeiden, sei eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche nötig. "In unserer Behandlungskonferenz führen wir alles zusammen", erklärt Ina Berheide. Hier treffen sich einmal im Monat Vertreter des Jugendamtes, der LWL-Schule für Kranke und die Sorgeberechtigten der Betroffenen zu einer Besprechung. Auch die Kinder und Jugendlichen selbst können an diesem Gespräch teilnehmen. Die Konferenz ist ein wichtiger Schritt in der Behandlung des Jugendlichen: "Jeder Akteur gibt seine Einschätzung ab, alle arbeiten dabei am selben Ziel: Die bestmögliche Hilfe für die Kinder und deren Familien zu finden", sagt Fachbereichsleiter Mathias Kowitz. Das kann die Rückkehr in die Familie sein, aber zum Beispiel auch der Aufenthalt in einer Wohngruppe oder die Entwicklung einer geeigneten Anschlussmaßnahme.
Die Aufenthaltsdauer in der Jugendhilfestation ist auf maximal sechs Monate festgelegt. "Viele Bewohner sind aber erfreulicherweise nicht so lange bei uns", sagt Berheide. Ein Ergebnis der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten, denn "nur durch diese enge Vernetzung" sei eine intensive und erfolgreiche Hilfe möglich.
Erhard Gehlmann, Teamleiter im Jugendamt der Stadt Hamm, unterstreicht diese Einschätzung: "Die Jugendhilfestation begeistert mich. Hier können die Bedürfnisse der jungen Menschen individuell und flexibel berücksichtigt werden." Für fast alle könnte diese Einrichtung eine Chance für einen Schritt in die richtige Richtung sein.
Mit diesem "Einrichtungs-Hybriden" wurde eine Hilfestation mit Alleinstellungsmerkmal geschaffen. "Die Rückmeldungen aus der Praxis sind sehr motivierend", so Einrichtungsleiter Frank Herber. "Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie haben beide das Ziel, die Entwicklung junger Menschen positiv zu beeinflussen. Und Herausforderungen können beide Systeme gemeinsam meistern", so Herber weiter.
Auch wenn der Aufenthalt hier nur kurz ist, sollen die Jugendlichen soviel Normalität wie möglich erfahren: Jeder Jugendliche hat die Möglichkeit, eine Klasse in der Schule am Heithof in Hamm, der LWL-Schule für Kranke, zu besuchen und die Freizeitangebote der Jugendhilfestation in Anspruch nehmen. Hand in Hand mit der medizinischen, psychotherapeutischen und pädagogischen Versorgung.
Pressekontakt:
Laura Märk, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-5400, presse@lwl.org
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