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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 01.12.16

Forscher gehen im Eggegebirge auf Tauchstation
Tunnelbau aus dem 19. Jahrhundert wird archäologisch untersucht

Willebadessen. (lwl) Zum ersten Mal in Westfalen forschen Taucher der Arbeitsgruppe für maritime und limnische Archäologie der Universität Kiel (AMLA) in Zusammenarbeit mit den Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)unter Wasser: Untersucht wird ein 170 Jahre alter Eisenbahn-Tunnel im Eggegebirge, der unter Wasser steht.

Heute sind nur noch eingestürzte Schächte und Halden von dem erhalten, was über 500 Bauarbeiter vor genau 170 Jahren begonnen und nie fertiggestellt hatten. Einer der mächtigen Einschnitte als Zufahrt zum einstigen Tunnel liegt sogar komplett unter Wasser.

Überirdisch sind die Grabungsleiter Fritz Jürgens und Nils Wolpert mit einem Team von ehrenamtlichen Helfern bereits fündig geworden. Mit klassischen archäologischen Methoden haben sie den noch sichtbaren Einschnitt untersucht und Schächte und Halden vermessen. Im Sommer gruben sie an einer einstige Schenke, die der leiblichen Versorgung der Tunnel-Ingenieure diente. Hier dokumentierten die Archäologen Mauern, Pflaster oder auch Scherben von Schnapsflaschen, die von den Arbeitern hinterlassen wurden. Weitere Ausgrabungen sind für das kommende Jahr geplant.

Noch nicht erforscht ist hingegen das, was sich unter der Wasseroberfläche im gefluteten Einschnitt verbirgt. Forschungstaucher aus Kiel reisten an, um bis zum 2. Dezember in die Unterwasserwelt einzutauchen. ¿Wir hoffen, mehr über den Fortschritt des Tunnelbaus und die Ursache für dessen Scheitern zu erfahren¿, so Fritz Jürgens, einer der Initiatoren des Projektes und Forschungstaucher aus Kiel.

Auch forschungsgeschichtlich ist das Projekt von Bedeutung. ¿Die Relikte der frühen Industrialisierung treten zunehmend in den Fokus der Bodendenkmalpflege. Zudem ist das Projekt auch eine Premiere für die LWL-Archäologie für Westfalen als erste unterwasserarchäologische Untersuchung überhaupt¿, so Dr. Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen.

Bei den Relikten der sogenannten Alten Eisenbahn handelt es sich um die Überreste eines großangelegten Tunnelbauprojektes der ¿Cöln-Minden-Thüringer Verbindungs-Eisenbahngesellschaft¿. Die plante im Jahr 1846 die Errichtung einer Bahnstrecke zwischen der hessischen Landesgrenze und Lippstadt. Der Tunnelbau sollte mit modernster Bautechnik errichtet werden und stellte für die landwirtschaftlich geprägte Region des Eggegebirges ein Jahrhundertbauwerk dar. Während des Baus stellten sich jedoch Schwierigkeiten ein: Immer wieder kam es zu Wassereinbrüchen. Außerdem wurde die politische Situation zunehmend unsicher, die Aktionäre zahlungsunfähig. Die Eisenbahngesellschaft musste bereits 1848 Insolvenz anmelden. Der preußische Staat übernahm die Gesellschaft und änderte die Streckenführung, sodass der Tunnel überflüssig wurde. Die Baustelle wurde aufgegeben und die fertig gestellten Tunnelabschnitte zum Schutz von Mensch und Tier gesprengt.

Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Katja Burgemeister, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-8921.
presse@lwl.org



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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Blick auf das Ende des mächtigen Bahndammes.
Foto: AMLA/F. Jürgens

Foto zur Mitteilung
Teilabschnitt der Fundamentmauer der Schenke, die für die Arbeiter des Tunnelbauprojektes errichtet wurde.
Foto: LWL/N. Wolpert

Foto zur Mitteilung
Diese Pflasterung war vermutlich Teil einer Ofenstelle der Schenke.
Foto: LWL/N. Wolpert

Foto zur Mitteilung
Reste der Behältnisse für Hochprozentiges, das in der Schenke ausgegeben wurde.
Foto: Universität Kiel/A. Heitmann

Foto zur Mitteilung
Die Grabungsleiter Nils Wolpert (l.) und Fritz Jürgens (r.) erläutern anhand der Pläne, wie das Tunnelbauprojekt vor 170 Jahren geplant war.
Foto: LWL/K. Burgemeister

Foto zur Mitteilung
In diesem Flaschenrest war Hochprozentiges abgefüllt, um die Bahnarbeiter in einer kleinen Schänke bei Laune zu halten.
Foto: LWL/K. Burgemeister

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Dieses winzige Fragment ist der Rest einer Pfeife. Offenbar ließ man es sich in der Schänke nach getaner Arbeit gut gehen.
Foto: LWL/K. Burgemeister

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Einer der Forschungstaucher befördert einen Stein aus dem gut 3 Meter tiefen Wasser, das in einem der Tunneleinschnitte steht, zu Tage.
Foto: LWL/K. Burgemeister

Foto zur Mitteilung
Die Forschungstaucher beim Vermessen der Felswände, die vor 170 Jahren für den Tunnelbau gesprengt wurden. Nach dem Scheitern des Bahnprojektes hat man den Einschnitt vor dem Tunneleingang geflutet.
Foto: LWL/K. Burgemeister

Foto zur Mitteilung
Mit Kameras und Maßband dokumentierten die Unterwasserforscher beim ersten archäologischen Tauchgang in Westfalen die Spuren des Tunnelbauprojektes, das vor 170 Jahren als Jahrhundertbauprojekt geplant war.
Foto: LWL/K. Burgemeister

Foto zur Mitteilung
Die Taucher bei ihren Vorbereitungen.
Foto: LWL/K. Burgemeister


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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