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Presse-Infos | Jugend und Schule

Mitteilung vom 08.05.15

Faktenblatt zur Aufsicht über Jugendhilfe-Einrichtungen im Inland und Jugendhilfemaßnahmen im Ausland

Vor dem Hintergrund der Berichterstattung des ARD-Magazins ¿Monitor¿ über Vorwürfe gegen das Jugendamt der Stadt Gelsenkirchen stellt sich für viele Beobachter die Frage nach einer wirkungsvollen Kontrolle von stationären Einrichtungen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung und insbesondere von Maßnahmen, die im Ausland stattfinden. Die beiden nordrhein-westfälischen Landesjugendämter beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) und beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) halten diese Fragestellung für wichtig und wollen in diesem Papier Hintergründe zur aktuellen Debatte liefern.

Wer führt die Aufsicht über Jugendhilfe-Einrichtungen im Inland?
Der Bundesgesetzgeber hat 1991 mit den §§ 45 ff. SGB VIII einen generellen Erlaubnisvorbehalt eingeführt und damit zusammenhängende Aufgaben den Landesjugendämtern übertragen (§ 85 Abs. 2 Ziffer 6 SGB VIII). Bevor ein Träger Minderjährige im Rahmen einer stationären Einrichtung betreuen darf, benötigt er demnach grundsätzlich eine Betriebserlaubnis des Landesjugendamtes. Die Prüfung, ob in einer Einrichtung das Kindeswohl gewährleistet ist, soll nach dem Willen des Gesetzgebers dadurch bereits im Vorfeld eines Einrichtungsbetriebes stattfinden, um eventuellen Gefahren für das Kindeswohl präventiv zu begegnen. Die Landesjugendämter prüfen die Einrichtungen vor Erteilung der Betriebserlaubnis im Hinblick auf ihre pädagogische Arbeit, die personellen, räumlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen.

Die Landesjugendämter des LVR und LWL haben als betriebserlaubniserteilende Stellen rund 700 Jugendhilfe-Einrichtungen eine Erlaubnis erteilt, die sie zur Betreuung und Unterbringung von etwa 29.000 Kindern und Jugendlichen berechtigt. Die Belegung der Einrichtungen erfolgt im Rahmen von Hilfeplanentscheidungen durch die kommunalen Jugendämter.

Eine ¿Aufsicht¿ existiert begrifflich in der Kinder- und Jugendhilfe nicht. Das Landesjugendamt soll nach § 46 SGB VIII ¿nach den Erfordernissen des Einzelfalls an Ort und Stelle überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis weiter bestehen¿. Im Gegensatz zur früheren gesetzlichen Regelung (vor 1991: ¿Regelbesuche¿) erfordert die örtliche Prüfung nach dem Willen des Gesetzgebers einen Anlass. Werden in einer Einrichtung vom Landesjugendamt Mängel festgestellt, sieht das SGB VIII ein gestuftes Verfahren aus Beratung, Auflagen zur Betriebserlaubnis bis hin zur Zurücknahme der Betriebserlaubnis vor.

Wer führt die Aufsicht über Jugendhilfemaßnahmen im Ausland?
Nach der geltenden Rechtslage sind die Landesjugendämter in NRW nicht für Plätze außerhalb ihres jeweiligen Landesteils zuständig. Dies betrifft auch Maßnahmen, die im Ausland durchgeführt werden. Somit sind die Regelungen der § 45 ff. SGB VIII hier nicht anwendbar.

Örtliche Jugendämter dürfen nach § 78b Abs. 2 SGB VIII mit Trägern Vereinbarungen über die Erbringung von Hilfe zur Erziehung im Ausland abschließen. Im Hinblick auf die Auslandsunterbringung trägt die Gesamtverantwortung und Kontrolle das für den Fall verantwortliche Jugendamt. Die Durchführungsverantwortung liegt beim Träger.
Eine überörtliche Aufsichtsregelung ist im SGB VIII und Landesrecht nicht vorgesehen. Aktuell werden in NRW etwa 29.000 Kinder und Jugendliche in Jugendhilfe-Einrichtungen betreut. Bundesweit 800 Plätze werden im Rahmen von Auslandsmaßnahmen belegt.

Die Landesjugendämter in NRW haben seit 2006 gemeinsam mit dem AIM e.V. (Bundesarbeitsgemeinschaft Individualpädagogik e.V.) inhaltliche Setzungen zur Unterbringung von Jugendlichen im Ausland erarbeitet. Viele Träger haben sich diesen Inhalten aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen verpflichtet, um den Kindesschutz auch in diesen Betreuungssettings sicherzustellen.

Wäre eine Ausweitung der Kontrollmöglichkeiten aus Sicht der Landesjugendämter in NRW sinnvoll?
Die aktuelle Diskussion um Auslandsunterbringung, aber auch die Ereignisse in der Brandenburger Einrichtung ¿Haasenburg¿ von 2013 verdeutlichen, dass die rechtliche Stellung und die Handlungsmöglichkeiten der Landesjugendämter weiterentwickelt werden müssen. So arbeiten die beiden Landesjugendämter gemeinsam mit der Obersten Landesjugendbehörde, dem Ministerium für Frauen, Kinder, Jugend, Kultur und Schule, an einer aufsichtsrechtlichen Neufassung der §§ 45 ff. SGB VIII. Die Ergebnisse sollen in eine länderübergreifende Arbeitsgruppe zur Neuregelung der §§ 45 ff. SGB VIII eingebracht werden.

Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



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