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Presse-Infos | Maßregelvollzug

Mitteilung vom 30.04.15

Gäste blicken in den Alltag hinter Gittern
Kfd Hörstel-Dreierwalde besucht Maßregelvollzugsklinik Rheine

Rheine/Hörstel-Dreierwalde (lwl). Wer ist in der LWL-Maßregelvollzugsklinik Rheine untergebracht? Unter welchen Krankheiten leiden die Patienten dort? Wie verbringen sie ihren Alltag? Mit vielen Fragen kamen jetzt zwölf Besucherinnen von der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) Hörstel-Dreierwalde in die LWL-Maßregelvollzugsklinik Rheine. Die Übergangseinrichtung bietet, wie alle LWL-Maßregelvollzugskliniken, regelmäßig interessierten Besuchergruppen direkte Informationen zur Therapie und Sicherheit im Maßregelvollzug und dazu kleine Führungen an.

¿Etwas mulmig ist mir schon zumute¿, gibt Gertrud Tebbe offen zu, als sie mit den anderen Besucherinnen über das Gelände geführt wird. Einige Minuten zuvor hat sie die Pforte, die Sicherheitsschleuse, passiert. Sie ist das Nadelöhr, der einzige und gut überwachte Ein- und Ausgang der Klinik, die mit einem fünfeinhalb Meter hohen Sicherheitszaun umgeben ist. Wie die anderen Frauen ist Tebbe das erste Mal in einer Maßregelvollzugsklinik ¿ und vorsichtig neugierig.

Die meisten der zwölf Besucherinnen haben sich im Jahr 2012 zum ersten Mal mit dem Begriff Maßregelvollzug und seiner Bedeutung beschäftigt. Damals erfuhren sie, dass in ihrem Heimatort Hörstel-Dreierwalde eine der fünf neuen Maßregelvollzugskliniken in Nordrhein-Westfalen gebaut werden soll. ¿Wir haben uns ja vorher nie damit beschäftigt¿, sagt Martha Niehues. Der Besuch heute in Rheine aber sei eine gute und einmalige Chance, sich zu informieren. Denn die Skepsis gegenüber einer forensischen Klinik sei groß im Ort ¿ auch bei ihr. Die Gruppe habe darum beschlossen, der Voreingenommenheit zu begegnen und sich ein eigenes Bild zu machen. ¿Es ist toll, dass es überhaupt solche Führungen gibt. Man kennt ja sowas nur aus Filmen.¿

Im Verwaltungsgebäude begrüßt Dr. Martina Redeker mit Kaffee und Gebäck die Besucherinnen. Die Psychiaterin und Oberärztin arbeitet seit fast zehn Jahren in der Rheinenser Einrichtung. Zahlreiche Besuchergruppen hat sie schon begleitet und ihnen von ihrem Arbeitsalltag berichtet. ¿In der Öffentlichkeit ist meist wenig über die therapeutische Arbeit in den Kliniken bekannt, oft dominieren vorgefasste Meinungen aufgrund fehlender Informationen. Ich kann verstehen, dass die forensische Psychiatrie für Außenstehende erst einmal befremdlich ist¿, sagt Redeker. ¿Aber ich arbeite sehr gerne hier und es macht mir Freude, darüber zu erzählen und aufzuklären.¿

Zwei Stunden lang beantwortet Redeker alle Fragen der Besucherinnen; sie berichtet vor allem über das Krankheitsbild Schizophrenie, unter dem ein Großteil der Patienten in Rheine leidet. Die Besucherinnen erfahren, dass Schizophrenie nichts mit einer gespaltenen Persönlichkeit zu tun hat, wie etwa in der Novelle ¿Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mister Hyde¿, sondern vielmehr mit einem Realitätsverlust, einer umfassenden Störung des Denkens, Fühlens und Handelns oftmals einhergehend mit quälenden Wahnvorstellungen der Patienten. Die Schizophrenie fällt für psychiatrische Fachleute unter den Oberbegriff ¿Psychosen`. Und die Besucherinnen lernen, dass es keine seltene Krankheit ist, sondern einer von 100 Erwachsenen an Schizophrenie erkrankt ¿ Männer eher im späten Jugendalter, Frauen dagegen eher Ende 20, Anfang 30. ¿Die Krankheit aber hat ihren Schrecken verloren, weil sie seit den 1950er-Jahren mit Medikamenten immer besser behandelt werden kann¿, so Dr. Redeker.

Zwischen 80 bis 90 straffällig gewordene männliche Patienten leben in der LWL-Maßregelvollzugsklinik Rheine. Sie leiden unter Psychosen wie Schizophrenie, unter einer Persönlichkeitsstörung oder einer Intelligenzminderung. Für jeden wurde ein individuelles Therapieprogramm aufgestellt. Es gibt Einzel- und Gruppentherapien. Durch gemeinsame Alltagsgestaltung ¿ auf ihrer Station, in der Arbeits- und Beschäftigungstherapie oder beim Sport ¿ lernen die Patienten das, was die meisten in ihrem bisherigen Leben nicht gelernt haben und was sie darum zu Straftätern hat werden lassen: Sie lernen, sich sozial zu integrieren, Konflikte zu bewältigen und Verantwortung zu übernehmen. Dies geschieht stets unter enger Begleitung von Therapeuten und des Pflegepersonals.

In der Klinik arbeiten Ärzte, Psychologen, Pflegepersonal, Erzieher, Sozialarbeiter, Sport- und Ergotherapeuten in so genannten multiprofessionellen Teams zusammen, die sich regelmäßig über den Gesundheitszustand der Patienten austauschen. Etwa 30 Prozent der Mitarbeiter sind Frauen.

Einem der Fachleute begegnet die Frauengruppe auf einer der Stationen. Der gelernte Erzieher Ralf Löchte kommt selbst aus Dreierwalde. Er stellt seinen Arbeitsplatz vor: ¿Das ist eine Station, auf der überwiegend Patienten mit einer Intelligenzminderung untergebracht sind, die hier in einer Wohngruppe zusammenleben und einen hohen Betreuungsbedarf haben.¿ Löchte lässt die Frauen mit Patienten ins Gespräch kommen. Auch ein Zimmer dürfen sie sich anschauen. ¿Es ist anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Sehr ruhig ¿ auf dem Gelände und auch auf den Stationen¿, sagt Besucherin Gertrud Tebbe, die Dr. Martina Redeker zum Dank für die Führung Blumen überreicht.

Das Fazit der Besuchergruppe: Für sie ist das Bild einer Maßregelvollzugsklinik greifbarer geworden; hier gibt es mehr als hohe Gitterzäune, Mauern, Kameras und verschlossene Türen, hier leben und arbeiten Menschen. Martina Niehues: ¿Keiner aus unserer Gruppe hat den Besuch bereut. Alle fanden es interessant und wir waren überrascht, wie streng die Sicherheitsvorgaben sind.¿ Um Vorbehalte und Skepsis abzubauen, könne sie einen Besuch nur weiterempfehlen. ¿Man denkt einfach ein wenig anders danach.¿

Information Besuchergruppen: Mitgliedern von Vereinen, Parteien und anderen Gruppen des öffentlichen Lebens ermöglicht es der LWL, sich als Besuchergruppe ein eigenes Bild vom Alltag in einer forensischen Klinik zu machen. Neben Informationen über den Maßregelvollzug erhalten die Teilnehmer dabei Einblicke in die praktische Arbeit der Klinik. Um den Therapiebetrieb und die Kliniksicherheit nicht zu beeinträchtigen, sind die Anzahl der Führungen sowie die Teilnehmerzahl der Besuchsgruppen aber beschränkt. Rechtzeitige Anfragen bitte an:
LWL-Maßregelvollzugsabteilung
Hörsterplatz 2
48133 Münster

Telefon: 0251/591-231
Fax: 0251/591-6512
oder per E-Mail: massregelvollzug@lwl.org

Information zur LWL-Maßregelvollzugsklinik Rheine: Seit 2005 bietet die LWL-Maßregelvollzugsklinik Rheine 84 Plätze für psychisch kranke Straftäter in einer ehemaligen Kaserne an, die nach modernen Therapie- und Sicherheitsstandards umgebaut wurde. Die Klinik ist eine Außenstelle der LWL-Klinik Schloss Haldem in Stemwede. Sie wird bis zur Fertigstellung der neuen LWL-Maßregelvollzugsklinik in Hörstel-Dreierwalde als Übergangsklinik geführt. In der Einrichtung sind psychisch kranke Menschen sowie Patienten mit hirnorganischen Störungen und verminderter Intelligenz untergebracht, die eine Straftat begangen haben und nicht oder nicht voll für die Tat verantwortlich gemacht werden konnten. Ihre bisherigen Therapiefortschritte lassen (noch) keine Lockerungen zu, wie etwa einen begleiteten Einzel- oder Gruppenausgang.

Weitere Informationen unter http://www.lwl.org/LWL/Gesundheit/Massregelvollzug
und http://www.lwl.org/LWL/Gesundheit/Massregelvollzug/Kliniken/Rheine

Pressekontakt:
Bianca Hannig, LWL-Maßregelvollzug, 0251 591-3476
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Im Verwaltungsgebäude der LWL-Maßregelvollzugsklinik Rheine begrüßt Dr. Martina Redeker die Frauen aus Dreierwalde mit Kaffee und Gebäck.
Foto: LWL/Hannig

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Der Erzieher Ralf Löchte zeigt der Besuchergruppe den Gemeinschaftsraum einer Station und berichtet von seinem Arbeitsalltag.
Foto: LWL/Hannig

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Mitglieder der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland (kfd) Hörstel-Dreierwalde besuchen die LWL-Maßregelvollzugsklinik Rheine.
Foto: LWL/Hannig

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Gertrud Tebbe von der kfd Hörstel-Dreierwalde (rechts) überreicht Dr. Martina Redeker zum Dank für die informative Führung Blumen und ein Geschenk.
Fotos: LWL/Hannig


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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