URL dieser Seite: https://www.lwl.org/pm35844
Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 21.04.15
Sommerfrische, Wandern, Wintersport
Tourismus in Westfalen
Münster (lwl). Westfalen feiert in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag: Mit der Konstituierung der preußischen Provinz Westfalen während des Wiener Kongresses 1815 wurde der Flickenteppich der westfälischen Territorien dem Königreich Preußen zugeschlagen. Fernab gängiger Bilder wie Schinken und Pumpernickel, Hermannsdenkmal und Wasserburgen oder wogenden Kornfeldern vor Zechentürmen war und ist die Region in den vergangenen 200 Jahren von zahlreichen Besonderheiten und Gegensätzen geprägt. Dazu zählten immer wieder auch politische, konfessionelle und soziale Konflikte. Im Rahmen des 200. Jubiläums der Region Westfalen veröffentlicht der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eine Serie von Texten, die verschiedene Aspekte der Geschichte aufgreifen.
Heute ist es ganz selbstverständlich in den Urlaub zu fahren. Der Tourismus ist ungeachtet aller Krisen in Deutschland eine Boombranche. Aus historischer Perspektive stellt touristische Mobilität allerdings keine Selbstverständlichkeit dar. Reisen waren in der Vergangenheit mit vielfachen Strapazen verbunden. Zudem konnten sich Reisen zur Unterhaltung oder Bildung bis weit ins 19. Jahrhundert nur eine kleine vermögende Schicht aus dem Adel und dem Großbürgertum leisten.
¿Der Tourismus ist auch in Westfalen ein relativ neues Phänomen. Erst seit dem späten 19. Jahrhundert und besonders seit den 1920er Jahren kann sich eine größere Anzahl von Menschen quer aus allen sozialen Bevölkerungsgruppen Urlaubsreisen leisten¿, führt Dr. Matthias Frese, Historiker am LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, aus. Reisewillige hatten seit den 1920er Jahren durch verkürzte Wochenarbeitszeiten und langsam steigende Urlaubsansprüche mehr Freizeit im Jahr. Nun konnten auch mittlere und kleine Angestellte sowie Facharbeiter mit ihren Familien ein paar Tage oder am Wochenende in die nähere Umgebung fahren.
Die Mittelgebirge des Teutoburger Waldes und des Sauerlandes wurden durch die Anlage von Wanderwegen und zunehmend mehr Unterkunftsmöglichkeiten in Gasthöfen und Sommerfrischen attraktiv. Auch die neuen Stauseen wurden als Bademöglichkeiten durch einfachere Bahn- und Busverbindungen an Wochenenden leichter erreichbar. ¿Viele sind mit der häufig genutzten Sonntagsrückfahrkarte aus dem Ruhrgebiet für eine Stippvisite zum Beispiel an die Möhnetalsperre gefahren¿, verdeutlicht Frese das neue Reiseverhalten. Kommunale und später regionale Verkehrsvereine sowie die neuen kommerziellen Reisebüros erleichterten die Planung und Durchführung der Erholungsreisen. Zudem erweiterten die Reiseanbieter die Urlaubssaison durch Angebote für den Winterurlaub im Sauerland.
Diese Entwicklung wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen, setzte sich dann aber seit Anfang der 1950er Jahre wieder mit rasch steigenden Urlauber- und Übernachtungszahlen in den westfälischen Feriengebieten fort. Seit den späten 1960er Jahren lagen die Ziele für die ¿schönsten Wochen des Jahres¿ dank verbesserter Bahnverbindungen, der zunehmenden Individualmotorisierung durch Autos oder Motorräder und seit den 1970er Jahren dank vereinfachter Flugreisen immer häufiger an der Nord- und Ostsee, an den Alpen und im nahen Ausland ¿ zuerst vor allem in Österreich und wenige Jahre später in Spanien und Italien. Die Mittelgebirge in Westfalen blieben eher eine Domäne für ältere Urlauber und Familien, zumal zahlreiche Bauernhöfe angesichts des landwirtschaftlichen Strukturwandels Unterkünfte für Feriengäste schufen.
Für kürzere ¿Zweiturlaube¿ außerhalb der Hauptsaison sind die nahen westfälischen Reiseziele auch für ein jüngeres Publikum attraktiv. In jüngster Zeit kommen vermehrt kombinierte Städte- und Urlaubsreisen ¿ beispielsweise nach Detmold oder Münster ¿ hinzu. Zu dieser Entwicklung trägt ebenfalls die Nachfrage aus dem Ausland, insbesondere aus den Niederlanden, aus Belgien und Großbritannien, bei.
¿Westfalen ist immer eine Reise wert. Auch der LWL sorgt mit seinen Kulturangeboten wie seinen 17 Museen oder dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica für gute Freizeitmöglichkeiten in der Region¿, hebt LWL-Direktor Matthias Löb hervor.
Hintergrund
2015 jährt sich die Konstituierung der preußischen Provinz Westfalen zum 200. Mal. Damit wurde erstmals ein politischer Raum mit klaren Grenzen, einer einheitlichen Verwaltungsorganisation und später einer politischen Stimme geschaffen. Das Gründungsjahr geht auf die Vereinbarungen des Wiener Kongresses zurück, der nach zwei Jahrzehnten Krieg und der Niederlage Napoleons eine territoriale Neuordnung Europas festlegte. Einen Tag nach seiner Schlussakte, am 10. Juni 1815, wurde die territoriale Neuordnung bestätigt. Bereits am 30. April 1815 hatte der preußische Staat die neue Organisation der Provinz Westfalen beschlossen. Dies ist der Beginn der Gründungsphase, die bis 1817 andauerte. Mit der Gründung Nordrhein-Westfalens am 23. August 1946 wurde die Provinz Westfalen nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst und die Region zum Landesteil.
Karl Ditt (u.a.):
Westfalen in der Moderne 1815-2015. Geschichte einer Region
(Aschendorff Verlag)
864 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-402-13023-0
Preis: 29,95 Euro
Der LWL beteiligt sich außerdem an der Sonderausstellung ¿200 Jahre Westfalen. Jetzt!¿ vom 28. August 2015 bis zum 28. Februar 2016 im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Mehr zum Projekt unter: http://www.200JahreWestfalen.Jetzt
Passend zu diesen Veröffentlichungen gibt es ab sofort auch eine Audio-Slideshow zum Thema ¿200 Jahre Westfalen¿. Zu hören und zu sehen ist sie im Internet unter: http://www.lwl.org/LWL/Kultur/WIR/Aktuelles/
Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Kathrin Nolte, LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, Telefon: 0251 591-5706, kathrin.nolte@lwl.org
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen