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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 03.12.14

Der Nikolaus ¿ ein Gabenbringer mit Konkurrenz
Früher war oft der 6. Dezember wichtigster Bescherungstag

Westfalen (lwl). Die meisten Kinder freuten sich früher auf den Besuch des Nikolaus. Einige fürchteten sich aber auch vor ihm hatten, denn wer nicht artig gewesen war ¿ das hatten die Eltern oft genug erzählt ¿, bekam keine Süßigkeiten, sondern Schläge mit der Rute oder wurde sogar vom Nikolaus in den Sack gesteckt und mitgenommen. Berichte über den Besuch des Gabenbringers sind aus vielen Orten Westfalens erhalten. 1951 hat die Volkskundliche Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) angeregt, die Geschichten aufzuschreiben. Die Ergebnisse werden bis heute im Archiv der LWL-Kommission in Münster aufbewahrt.

Meist kam der Nikolaus allein, doch bisweilen wurde er vom Knecht Ruprecht begleitet, der dann die Aufgabe hatte, den Kindern mit der Rute zu drohen. So erinnerte sich 1956 der Pfarrer Albert Freude (geb. 1877) daran, wie in Mettingen (heute Kreis Steinfurt), zu seiner Kindheit der Nikolaus ins Haus kam: ¿Der 6. Dezember war für die Kinder ein ganz bedeutsamer Tag. Am Abend vorher, beim Eintritt der Dunkelheit, machte sich Nikolaus auf den Weg. Er besuchte nur wenige Häuser und bevorzugte jene, in denen kleine Kinder waren. Vermummt, umhüllt von Decken und Tüchern, begleitet von dem schwarzen Knecht Ruprecht erschien er. Furcht und Angst vor dem heiligen Mann war bei den kleinen Kindern meist größer als das Vertrauen zu ihm. Mit seiner Baßstimme suchte Nikolaus sie zu beruhigen, gab ihnen etwas Süßigkeit oder ein Plätzchen und verabschiedete sich schon bald. Mehr Bedeutung hatte für die größeren Kinder die Nikolausbescherung. In der besten Stube wurde am Abend der Teller aufgesetzt. Am folgenden Morgen war er belegt mit Gebäck, Früchten, Süßigkeiten und mit irgend einem brauchbaren Gegenstand, sei es eine Mütze oder Handschuhe, Schal oder Gesangbuch.¿

Mancherorts war im frühen 20. Jahrhundert nicht Weihnachten, sondern der Nikolaustag der wichtigste Bescherungstag, so wie es noch heute in den Niederlanden ist. Und ähnlich wie in den Niederlanden, wo der Nikolaus Sinterklaas heißt, heißt er auf Plattdeutsch in vielen Orten Westfalens Sünte Klaas: Sünte mundartlich für Sankt und Klaas als Kurzform von Nikolaus.

Hintergrund
Der historische Nikolaus, der im 4. Jahrhundert als Bischof in Myra (Kleinasien) lebte, entwickelte sich im Mittelalter zu einem bedeutenden Schutzheiligen der Seefahrer und zum Kinderfreund. In dieser Eigenschaft wanderte er über den Atlantik, als dort im frühen 17. Jahrhundert holländische Kolonien entstanden. Als die Engländer die Kolonien eroberten und aus Neu Amsterdam New York wurde, wandelte sich auch der Nikolaus: Aus Sinterklaas wurde Santa Claus, der Weihnachtsmann. In dieser neuen Gestalt kehrte er nach dem Zweiten Weltkrieg nach Europa zurück.

Dabei ist der Weihnachtsmann nicht unumstritten. Vielen gilt er als eine konsumorientierte Karikatur des Nikolaus. Das Bonifatiuswerk in Paderborn und andere christliche Initiativen versuchen seit Jahren, dem Nikolaus wieder größere Geltung zu verschaffen und verbreiten Schokoladennikoläuse mit Bischofsstab und Bischofsmütze. Doch gegenüber dem modernen Weihnachtsmann mit Zipfelmütze und einer Art Bademantel hat der heilige Nikolaus einen schweren Stand. Denn der Weihnachtsmann ist als Schokoladenfigur und im Fernsehen allgegenwärtig. Und da er sich vom Christentum weitgehend gelöst hat, ruft er nicht so leicht religiöse Konflikte hervor, daher eignet er sich auch besser als Werbeträger.

Prof. Dr. Elisabeth Timm, Direktorin des Seminars für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Universität Münster und zugleich neue Vorsitzende der LWL-Kommission, betont: ¿Wir verfolgen das Treiben des Weihnachtsmanns und des Nikolaus kulturwissenschaftlich und wertfrei, aber mit großem Interesse. Das Archiv der Kommission sichert die historischen Zeugnisse und sammelt kontinuierlich einschlägige Berichte aus der Gegenwart.¿

Den Kindern allerdings dürfte es meist nicht so wichtig sein, ob der Mann, der ihnen Süßigkeiten bringt, Weihnachtsmann oder Nikolaus heißt. Und zumindest die größeren Kinder wissen: Vor dem Knecht Ruprecht schützt sie der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte.

Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Weihnachtsmann im Kaufhaus, Ibbenbüren (Kreis Steinfurt), 2002.
Foto: LWL/Egbert

Foto zur Mitteilung
Der Nikolaus um 1955/60 in Laer (Kreis Steinfurt)
Foto: LWL/Völker


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