URL dieser Seite: https://www.lwl.org/pm32892
Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 15.04.14
Fördermittelpolitik gefährdet industrielle Kulturlandschaft des Ruhrgebiets
Für das ¿Lanstroper Ei¿ fehlen Fördermittel
Dortmund (lwl). Hochöfen, Gasometer und Fördertgerüste haben über Jahrzehnte das Gesicht des Ruhrgebiets geprägt. Heute sind sie wichtige Zeugen der 150-jährigen industriellen Vergangenheit des Reviers, aber auch des sich vollziehenden Strukturwandels des Ruhrgebietes. Der schon von weitem sichtbare Wasserturm ¿Lanstroper Ei¿ in Dortmund ist Teil der Route der Industriekultur im Emscher Landschaftspark. Doch er ist akut bedroht. Er müsste dringend saniert werden. Doch dafür gibt es vom Land keine Fördermittel mehr.
¿Die industrielle Kulturlandschaft des Ruhrgebiets ist durch die aktuelle Fördermittelpolitik im Bereich der Denkmalpflege gefährdet¿, sagte LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch am Dienstag (15.04.) in Dortmund. ¿Gerade vor dem Hintergrund des Erweiterungsantrags zum bestehenden UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein wird sich der Wegfall der Denkmalförderung als kontraproduktiv erweisen, da er zu einem schrittweisen Untergang der Industriedenkmäler führen wird, die diese Kulturlandschaft prägen.¿ Die UNESCO lege Wert darauf, dass systematische Zusammenhänge, Verbindungen, Verkehrsachsen zwischen den Standorten deutlich werden. Es gehe um die Lesbarkeit einer ganzen Region. ¿Ich sehe die Gefahr, dass viele wichtige technische Kulturdenkmäler wie das Lanstroper Ei angesichts der fehlenden Fördermittel abgebrochen werden müssen¿, so Kirsch weiter. Dass die Industriekultur das Alleinstellungsmerkmal für ganz Nordrhein-Westfalen ist, betonen die ¿Charta der Industriekultur NRW 2020¿ und auch der UNESCO-Antrag.
Kirsch besucht zurzeit Denkmäler, um auf die Probleme aufmerksam zu machen, die die Kürzung der Denkmalzuschüsse und die Umstellung auf eine Darlehensförderung mit sich bringen. Kirsch: ¿Fast 40 Prozent aller Denkmäler werden als nicht wirtschaftlich eingestuft. Nach Einschätzung unserer Denkmal-Experten ist deshalb das Erscheinungsbild der Dörfer, Städte und der Kulturlandschaften durch eine geänderte Fördermittelpolitik bedroht. Denn für nicht wirtschaftlich nutzbare Denkmäler sind Darlehen keine Alternative zu Zuschüssen.¿
Bodo Champignon vom Vorstand des Fördervereins ¿Lanstroper Ei e.V.¿ erklärte: ¿Das Lanstroper Ei ist stark sanierungsbedürftig. Wir benötigen dringend Bundes- und Landesfördermittel als wichtige Komplementärmittel zu einer bereits bewilligten Summe von 250.000 Euro der NRW-Stiftung, die wir sonst nicht bekommen. Es besteht akuter Handlungsbedarf. Ein Darlehen stellt für uns als Verein keinen realistischen Finanzierungsweg dar, da wir es nicht zurückzahlen könnten.¿
¿Meine Vor-Ort-Termine in Westfalen-Lippe haben meine Sorge um die Zukunft von unseren wichtigen Kulturgütern verstärkt. Der Rückzug des Staates aus der Denkmalförderung setzt falsche Zeichen. Wer nicht fördert, kann nicht fordern¿, sagte Kirsch. Das Land signalisiere damit ein schwindendes Interesse am baukulturellen Erbe, das einen Akzeptanzverlust denkmalpflegerischer Anforderungen zur Folge habe. ¿Mein Apell an den Landtag lautet: Sorgen sie für genug Fördermittel für die Denkmalpflege, damit wir wichtige Zeitzeugen für die Menschen in Westfalen-Lippe erhalten können¿, so Kirsch weiter.
Das technische Kulturdenkmal:
Der im Volksmund ¿Lanstroper Ei¿ genannte Wasserturm steht weithin sichtbar auf einer Anhöhe der Roten Fuhr südlich der Autobahn A 2 im Dortmunder Nordosten, im Ortsteil Grevel. Bundesweit handelt es sich bei dem ¿Lanstroper Ei¿ um eines der wenigen erhaltenen Beispiele eines geschlossenen Barkhausen-Behälters auf einem Stahlfachwerkgerüst, der nach seinem Konstrukteur, dem Bauingenieur Karl Georg Barkhausen (1849-1923) benannt wurde. Als Teil der Route der Industriekultur im Emscher Landschaftspark stellt das ¿Lanstroper Ei¿ darüber hinaus eine signifikante Landmarke dar. Der 1905 im Auftrag der Städtischen Gas- und Wasserwerke Unna von der Dortmunder Stahlbaufirma August Klönne errichtete Wasserhochbehälter diente bis 1980 der Wasserversorgung von Lanstrop, Derne, Mengede, Brambauer und Teilen der benachbarten Stadt Lünen und sorgte zudem für einen Ausgleich der Verbrauchsschwankungen sowie für einen gleichmäßigen Versorgungsdruck.
Fördermittelpolitik
Die Landesregierung hat sich weitestgehend aus der Förderung von denkmalpflegerischen Maßnahmen in Form von direkten Zuschüssen zurückgezogen:
1992 wurden noch umgerechnet 35,4 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.
2012 waren es nur noch ca. 14 Mio. Euro, wobei die Sonderförderungen für den Kölner Dom und die Wuppertaler Schwebebahn hier mit umfasst sind. Bereinigt wurden nur ca. 11,4 Mio. Euro bereitgestellt. Dies bedeutet bereits eine Schrumpfung um ca. 60 Prozent, trotz gleichzeitiger erheblicher Steigerung der Anzahl der eingetragenen Denkmäler.
2013 erfolgte eine weitere Kürzung im Haushalt um 2 Mio. Euro; im Herbst wurden erstmals auch Mittel in Form von Krediten zur Verfügung gestellt.
2014 soll erneut eine drastische Kürzung der Zuschuss-Förderung erfolgen, so dass nur etwa 4 Mio. Euro zur Verfügung stehen; gleichzeitig sollen 60 Mio. Euro an Darlehen bereitgestellt werden, die allerdings nicht nur für Maßnahmen an Baudenkmälern sondern auch für "sonstige erhaltenswerte Bausubstanz" eingesetzt werden können.
Drei Fragen an LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch
Herr Dr. Kirsch, warum halten Sie die Umstellung von Zuschuss-Förderprogrammen in Darlehens-Förderprogramme für kritisch?
Zinsvergünstigte Darlehen haben nur als Ergänzung zum bisherigen Zuschuss-Förderprogramm einen Sinn. Nur für wenige Denkmaleigentümer können Darlehen ein sinnvolles Förderinstrument sein: Etwa wenn ein Denkmal als Wohnraum oder für gewerbliche Zwecke genutzt werden kann und wenn es Gewinne abwirft.
Die geplanten Konditionen setzen auch falsche Akzente: Der Erhalt einer großen Gruppe der Denkmäler in Westfalen kann nicht wirtschaftlich betrieben werden, aber ihr Erhalt stellt eine wichtige kulturelle Aufgabe dar. Dazu gehören Kleindenkmäler wie Bildstöcke und Wegkapellen, die die Denkmallandschaft ganzer Landkreise prägen. Aber auch Ruinen oder stillgelegte technische Baudenkmäler wie ein Brückenkran oder ein Fördergerüst rechnen sich nicht. Für diese Denkmalgruppe werden künftig zu wenig Fördermittel zur Verfügung stehen. Ich befürchte, dass viele dieser Denkmäler aufgegeben werden, da ihr Erhalt den Eigentümern nicht zuzumuten ist. Ich mache mir ernsthafte Sorgen um die Vielfalt unserer Denkmäler.
Wo werden aus ihrer Sicht die Folgen am deutlichsten spürbar werden?
Ohne Zuschüsse als Finanzierungssockel sinkt die Bereitschaft der Denkmaleigentümer in ihre Denkmäler zu investieren. Denn auf die Eigentümer kommen oft denkmalbedingte Mehraufwendungen zu, beispielsweise mit der Restaurierung aufwändiger Gestaltungselemente, etwa der Freilegung alter Stuckdecken oder dem Erhalt historischer Fenster. Fehlende Zuschüsse senken unweigerlich die denkmalpflegerischen Standards, und das geht zu Lasten der Denkmalsubstanz.
Außerdem machen einige Stiftungen eine Förderung von einer Beteiligung der Länder abhängig. Wenn der Zuschuss fehlt, gibt es auch keine Förderung. Nicht zu vergessen: Ohne Denkmalförderung werden den spezialisierten Handwerksbetrieben Aufträge wegbrechen.
Vor allem im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements werden fehlende Fördermittel zu Einbrüchen führen. Ein Verein, der sich beispielsweise um den Erhalt einer Windmühle kümmert und hierfür Arbeitskraft und Zeit einbringt, braucht für den Kauf von Baumaterialien Bargeld, aber kein Darlehen. Das weiß ich aus Erfahrung als Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes mit seinen 530 örtlichen Heimatvereinen.
Was ist Ihr Plädoyer an die Landesregierung?
Mit der geplanten radikalen Änderung der Förderansätze wird ein gut funktionierendes System gestört. Wer nicht fördert, kann nicht fordern. Die LWL-Denkmalpfleger geben mir schon jetzt die Rückmeldung, dass es für sie zunehmend schwierig wird, Denkmalpflege vor Ort durchzusetzen. Das Land muss sich seiner Verantwortung im Bereich der Denkmalpflege stellen. Die gesetzliche Verpflichtung auch im Interesse der Allgemeinheit, Denkmäler zu schützen und zu pflegen, darf nicht vollständig beim privaten Eigentümer abgeladen werden. Die Gelder, die uns heute bei der kontinuierlichen Pflege der Denkmäler fehlen, brauchen wir in wenigen Jahren in sehr viel höherem Umfang für tiefgreifende Sanierungen. Nirgends kommt das Sparen so teuer wie im Bereich der Denkmalpflege.
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen