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Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 05.06.12
König Fußball regiert Westfalen
LWL-Wissenschaftler haben den Ballsport aus volkskundlicher Sicht erforscht
Westfalen (lwl). 22 Mann auf dem Platz und Millionen Deutsche vor den Bildschirmen: Passend zur Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine informiert die Volkskundliche Kommission beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) über die Geschichte des Kickens in Westfalen. Neben einer umfassenden Publikation bietet eine neue Online-Datenbank zahlreiche Zeitzeugenberichte und Fotos zum Lieblingssport der Deutschen.
Manche Erlebnisse prägen fürs Leben. Ein Zeitzeuge aus Haltern am See-Lavesum (Kreis Recklinghausen) erinnert sich in einem Bericht aus dem Archiv der Volkskundlichen Kommission für Westfalen an seine erste Begegnung mit dem Ballsport: ¿Im Sommer 1912 spielten junge Bauernknechte und junge Männer aus dem Dorf in vereinsmäßiger Gemeinschaft sonntags Fußball. Bei dieser Gelegenheit sah ich im Alter von fast 10 Jahren zum ersten Mal einen Fußball.¿ Das Kicken auf der Viehweide unterschied sich jedoch deutlich von heutigen Spielformen: Von den Spielern ¿hielten nur die beiden Torwarte und die jeweils zwei Verteidiger ihre Plätze inne, alle andern rannten als geschlossener ¿Haufen` hinter dem Ball her, und immer stießen sie auch in Richtung des Tors der Gegenmannschaft. Eine Kombination ließ sich nicht herausfinden, und ein ganz gewaltiger Schuss galt mehr als ein erzieltes Tor, obwohl die Anzahl der Tore über Sieg und Niederlage entschied. Bei diesem wilden Durcheinander kamen unwahrscheinlich hohe Torergebnisse heraus, denn die Verteidiger wurden förmlich niedergewalzt. Es gab auch kein Faul, kein Abseits und keinen Schiedsrichter.¿
Genau wie heute waren in den 1920er Jahren Glasscheiben der Hauptfeind des Lederballs. Ein Freizeitkicker aus Bochum-Laer berichtet: ¿Dass oftmals eine Fensterscheibe zersplitterte, lag in der Natur der Sache. Dann musste der Übeltäter eben seine Sparpfennige herausrücken und den Schaden begleichen. Nur in den seltensten Fällen half eine eilige Flucht vor der gerechten Strafe, denn man war ja weit und breit bekannt, und herauszubekommen, wer den Schaden angerichtet hatte, fiel dem Geschädigten in den allermeisten Fällen nicht allzu schwer.¿
¿Fußball hat in den letzten 100 Jahren auf viele Menschen eine unglaubliche Faszination ausgeübt¿, erklärt Frederik Grundmeier von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen. ¿Gerade internationale Turniere mobilisieren unglaubliche Men¬schenmassen. Man denke nur an das ¿Sommermärchen` während der Weltmeisterschaft 2006.¿ Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die Verbreitung von Radio- und Fernsehgeräten. Ein Berichterstatter aus Oelde-Lette (Kreis Warendorf) erinnert sich an die Situation in den 1950er Jahren: ¿Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz wurden in unserer Gegend die ersten Fernsehgeräte aufgestellt. In Oelde stand ein solches Gerät in einer Gastwirtschaft. Aus der Umgebung strömte damals das fußballbegeisterte Volk nach Oelde. Das Haus soll förmlich belagert worden sein. Ein Teilnehmer dieser ¿Wallfahrt` berichtete mir, die ersten Interessenten hätten sich schon drei Stunden von Beginn der Übertragung eingefunden.¿
Bereits 2006 veröffentlichte die Volkskundliche Kommission mit dem Bildband ¿Fußball in Westfalen ¿ Eine illustrierte Geschichte¿ ein Zeugnis der regionalen Sportgeschichte. ¿Vom Bolzplatz im Hinterhof zu den großen Stadien, vom Nachwuchskicker zum Fußballgott, vom britischen Export zum Massenphänomen, von der Freizeitbeschäftigung zum Lebensunterhalt: Über 200 Fotos dokumentieren eindrucksvoll und lebensnah die Geschichte des westfälischen Fußballs. Texte und ausführliche Bildunterschriften kommentieren das Geschehen und erzählen von Rasen, Spielfeldrand und Tribüne¿, so Dr. Christiane Cantauw, Geschäftsführerin der Volkskundlichen Kommission.
Das Online-Archiv und weitere Informationen zur Publikation ¿Fußball in Westfalen ¿ Eine illustrierte Geschichte¿ von Sebastian Scharte und Martin Wörner finden Interessierte auf der Internetseite der Volkskundlichen Kommission für Westfalen: http://www.lwl.org/LWL/Kultur/VOKO.
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
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