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Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 03.04.12
Aufklärer auf dem Lande
Mit Johann Moritz Schwager wird ein Publizist und satirischer Romanautor wiederentdeckt
Bielefeld (lwl). Er war ein Trotzkopf, ging keiner Fehde aus dem Weg und schrieb mit spitzer Feder. Seine Feinde überzog er mit Spott und Polemik, und wenn es sein musste, schrieb er auch einen Roman. Johann Moritz Schwager (1738-1804) hatte sich in seinem Amt als protestantischer Landpfarrer in Jöllenbeck bei Bielefeld ganz der Aufklärung verschrieben und entsprechend groß waren die Angriffsflächen, die sich ihm boten. Lange Zeit war Schwager vergessen, jetzt wird er von der Literaturkommission beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) wiederentdeckt: Nach einer umfangreichen wissenschaftlichen Monografie legt Frank Stückemann nun ein Johann Moritz Schwager-Lesebuch vor, das einen Überblick über das Schaffen des Querdenkers bietet.
Darunter finden sich ¿ neben Auszügen aus Schwagers Romanen ¿ Beiträge über Kindererziehung, die medizinische Versorgung auf dem Lande und die dort verbreitete Trunksucht. Auch ein Schreiben von Friedrich II. von Preußen an J. M. Schwager ist abgedruckt. In ihm bedankt sich der König ausdrücklich für Schwagers Einsatz im Geiste der Aufklärung.
Aberglaube, pietistische Frömmelei, aber auch Korruption und ignorantes Obrigkeitsdenken waren Zielscheibe seiner Pamphlete, die in Zeitungen und Journalen abgedruckt wurden. Insgesamt veröffentlichte Schwager über 20.000 gedruckte Seiten. ¿In literarischer Hinsicht sind seine satirische Romantrilogie ¿Martin Dickius` (1775/76) und seine Werther-Parodie ¿Die Leiden des jungen Franken, eines Genies` (1777) hervorzuheben. Sie bieten noch heute köstlichen Lesegenuss¿, urteilt Prof. Dr. Walter Gödden, Geschäftsführer der LWL-Literaturkommission.
Schwager war Teil eines intellektuellen Netzes, das sich über ganz Westfalen erstreckte. Zusammengehalten wurde es durch einen regen Briefaustausch und die Mitarbeit an aufgeklärten Zeitschriften. Als Redaktionsleiter der "Mindenschen Beiträge zum Nutzen und Vergnügen" tat sich Schwager auch hier hervor. Rund dreißig Jahre lang hatte er bei dem Intelligenzblatt eine exponierte Stellung inne und veröffentlichte dort zahlreiche eigene Beiträge. Hierüber avancierte er zu einem der profiliertesten Publizisten Westfalens jener Jahre.
Schwagers Wirken reichte jedoch weit über die Grenzen Westfalens hinaus. So stand er beispielsweise mit dem Berliner Herausgeber Friedrich Nicolai in Kontakt. Als Kosmopoliten engagierten sich beide für die Emanzipation der Juden. 2013 plant die LWL-Literaturkommission eine große Moritz-Schwager-Ausstellung unter anderem in Oelde und Münster. Sie soll die vielen Tätigkeitsfelder dieses bemerkenswerten "Aufklärers auf dem Lande" detailliert beleuchten.
Frank Stückemann (Hg.):
Johann Moritz Schwager Lesebuch.
Bielefeld: Aisthesis. 164 Seiten. 8,50 Euro. ISBN 978-3-89528-904-0.
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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