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Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 25.10.11

Römisches Militärlager an der Lippe entdeckt
LWL-Film dokumentiert erste Grabungsarbeiten

Olfen/ Münster (lwl). Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) haben im Münsterland bei Olfen (Kreis Coesfeld) ein über fünf Hektar großes, 2.000 Jahre altes römisches Militärlager entdeckt. Vom Lager aus kontrollierten die Römer in der Zeit von 11 bis 7 vor Christus den Fluss-Übergang über die Lippe ¿ und damit eine der wichtigsten logistischen Landmarken der römischen Eroberer.

Die Archäologen fanden Keramik, Münzen, Gewandspangen und wiesen einen Graben rund um das Lager sowie eine Holzmauer nach, die rund 1.000 Legionäre auf einer Fläche von sieben Fußballfeldern vor Angriffen schützen konnte. Das letzte Mal war im Jahr 1968 ein fest ausgebautes, winterfestes Römerlager in Anreppen an der Lippe entdeckt worden.

¿Es ist der Sensationsfund für die Römerforschung in Westfalen¿, freut sich LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch. ¿Dieses Römerlager suchen die Archäologen seit mehr als 100 Jahren, es ist das fehlende Glied in der Kette römischen Militärlager an der Lippe.¿ LWL- Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind: ¿Olfen war für die Legionäre während der Drusus-Feldzüge in Germanien strategisch von größter Bedeutung.¿

Jahrzehntelange Schnitzeljagd
Die Suche nach dem Olfener Lager erinnert an eine jahrzehntelange Schnitzeljagd, die eigentlich am Ende des 19. Jahrhundert beginnt: In der Lippe bei Olfen wurde schon um 1890 ein römischer Bronze-Militärhelm entdeckt, der sich heute im LWL-Römermuseum in Haltern befindet. Dieser erste Hinweis ließ die Altertumswissenschaftler aufhorchen ¿ denn sie suchten Römerlager entlang der Lippe.

2011 endlich entdeckten ehrenamtliche Mitarbeiter der LWL-Archäologie für Westfalen bei Suchgängen auf einem Acker bei Olfen römische Keramikscherben und lösten damit ein ¿Maßnahmen-Paket¿ der LWL-Archäologen aus. Luftbildarchäologen der Ruhr-Universität Bochum machten Aufnahmen des Geländes aus einigen hundert Metern Höhe, um anhand von Veränderungen am Boden Hinweise auf eventuelle Baustrukturen unter der Erde zu erhalten.

Ein Suchschnitt von 13 Metern Länge und 2,5 Metern Tiefe wurde angelegt. Die Wissenschaftler forschten mit der sogenannten magnetischen Prospektion nach Magnetfeldstörungen, die auf Bodeneingriffe hindeuten können. Sondengänger, die mit den Fachleuten zusammenarbeiteten, suchten im Auftrag der LWL-Archäologen das Gelände nach Metallfunden ab.

Was als vager Verdacht begann, wurde im Laufe weniger Wochen zur Gewissheit: Es handelte sich tatsächlich um ein römisches Militärlager. Die Archäologen können den Spitzgraben, der die Anlage umgab, ebenso nachweisen wie die Fundamentspuren einer Holz-Erde-Mauer. Einzelfunde römischer Keramik, über 100 Münzen und Gewandspangen lassen eine sehr genaue Datierung des Lagers in die Zeit des Kaisers Augustus zu. Das Lager hatte eine Ausdehnung von zirka 230 mal 250 Metern. Es ist damit im Vergleich zu anderen römischen Lippelagern eine kleinere Anlage mit festen Baustrukturen.

Versorgungslager und Etappenstation
Die Größe des Lagers, die Beschaffenheit der Holz-Erde-Mauer und die Lage an der Lippe lassen die Wissenschaftler vermuten, dass es sich um ein Versorgungslager handelt, also eine Anlage, in der Nachschub bevorratet und gleichzeitig der Lippe-Übergang kontrolliert wurde. Das Lager Olfen könnte als Etappenstation zu den zirka 20 Kilometer entfernten Militärlagern in Beckinghausen und Oberaden gedient haben. Die Römer versorgten ihre Truppen hauptsächlich über den Wasserweg ¿ hierzu mussten die Schiffe allerdings die Lippe flussaufwärts getreidelt, das heißt vom Ufer aus von Menschen oder Zugtieren gegen den Strom gezogen werden. Niedrigwasser an der Lippefurt bei Olfen konnte eine Weiterfahrt für die Plattbodenschiffe unmöglich machen und eine Zwischenlagerung der Waren nötig werden lassen. Maximal zwei Kohorten, ungefähr 1.000 Legionäre, könnten in Olfen stationiert gewesen sein ¿ bis das Lager vermutlich nach rund vier Jahren wieder aufgegeben wurde.

Nicht nur historisch, sondern auch archäologisch ist der Fund vielversprechend: Denn nur in wenigen Fällen blieb das Gelände eines Römerlagers von moderner Überbauung nahezu verschont. ¿Das Denkmal dürfte daher seit über 2.000 Jahren weitgehend ungestört im Boden liegen ¿ eine absolute Seltenheit und aus archäologischer Sicht absolut ideal. Unser wichtigstes Anliegen ist es, dieses Denkmal zu schützen und für die Zukunft zu erhalten ¿ und nicht, es möglichst schnell komplett zu ergraben¿, meint Rind. Die Erforschung des Lagers werde wahrscheinlich einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen.


Hintergrund
Entdeckungen von Römerlagern an der Lippe

Dorsten-Holsterhausen

Zeit:
ca. 12 v. Chr. ¿ ca. 16 n. Chr. (militärische Gesamtsituation zur Zeit der römischen Feldzüge, Münzen, Terra Sigillata = moderne Bezeichnung für das rotglänzende Tafelgeschirr der Römer)

Entdeckung:
1952 (¿großes Lager¿), 1998 (Marschlager am Kreskenhof)

Grabungen:
1952¿1953, 1970, 1996 ff.
über 150.000m2 Flächengrabung: größte Grabung in Westfalen

Maße:
Spuren von bis zu 10 Marschlagern in verschiedenen Arealen, Marschlager nicht vollständig erhalten (moderne Überbauung, Lippeerosion)

Baustruktur:
keine Innenbebauung, Legionäre campierten in Zelten

Belegung:
Lagergröße wohl ausreichend für 1¿2 Legionen plus Auxiliartruppen

Funktion:
mehrere Marschlager mit kurzer Verweildauer der Truppen von wenigen Tagen bis Wochen, Zelte als Unterkünfte für die Soldaten (keine festen Innenbauten)

Haltern am See:
Zeit:
Hauptlager ca. 7/1 v. Chr. ¿ 9/16 n. Chr. (Münzen, Terra Sigillata militärische
Gesamtsituation zur Zeit der römischen Feldzüge), außerdem mehrere ältere Marschlager, die in die Zeit der Drususfeldzüge datieren könnten

Entdeckung:
1838

Grabungen:
ab 1900 bis heute

Maße:
560 x 380 m

Baustruktur:
Umwehrung mit 2 Spitzgraben (Breite bis 5,5¿6 m, Tiefe bis 3 m) und Holz-Erde-Mauer (Breite 3 m, Länge ca. 2 km) mit Türmen und Toren, Innenbebauung (Fachwerkbauten)

Belegung:
max. 1 Legion (= ca. 6000 Legionäre)

Funktion:
mehrere Anlagen unterschiedlicher Funktion und Zeitstellung am Stützpunkt Haltern
sog. Hauptlager als fest ausgebautes Standlager (Fachwerkbauten), nach Auflassung des Lagers Oberaden wird Haltern Hauptquartier der in Germanien stehenden Truppen
- mehrere Marschlager mit kurzer Verweildauer der Truppen (keine festen Innenbauten, Zeltunterkünfte), einige Marschlager sind älter als das Hauptlager und könnten in die Zeit der Drususfeldzüge datieren
- diverse weitere Anlagen (z. B. Uferkastell mit Schiffshäusern)

Bergkamen-Oberaden:
Zeit:
11 v. Chr. ¿ ca. 8/7 v. Chr., Drusus (dendrodatiert, antike Schriftquellen, militärische Gesamtsituation zur Zeit der römischen Feldzüge, Münzen, Terra Sigillata)

Entdeckung:
1905

Grabungen:
1906¿1914, 1938¿1947, 1962¿1964, 1977 ff.

Maße:
840 x 680 m, Innenfläche 54 ha

Baustruktur:
Umwehrung: Spitzgraben (4¿5 m Breite, 2¿3 m Tiefe), Holz-Erde-Mauer (Breite 3 m, Länge 2,7 km), Türme und Tore, Innenbebauung (Fachwerkbauten)

Belegung:
2 Legionen und div. Auxiliareinheiten

Funktion:
fest ausgebautes Standlager, Truppenstandort während der Feldzüge des Drusus

Lünen-Beckinghausen
Zeit:
11¿8/7 vor Chr. (Fundmaterial, militärische Gesamtsituation zur Zeit der römischen Feldzüge, Lage: gehört logistisch zu Oberaden)

Entdeckung:
1906

Grabungen:
1911¿1914, 1995¿1998

Maße:
Innenmaß 200 x 100 m, Innenfläche 1,6 ha

Baustruktur:
Umwehrung mit 3 Spitzgräben (Breite 1,8¿4,5 m, Tiefe 1,2¿1,7 m) und Holz-Erde-Mauer (Breite 3 m), Innenbebauung (Fachwerkbauten)

Belegung:
unbekannt

Funktion:
Uferkastell an der Lippe, Versorgungslager mit Speicherbau

Delbrück-Anreppen:
Zeit:
4 n Chr. ¿ ca. 6 n. Chr., Tiberiusfeldzug (Münzen, Terra Sigillata, zur Zeit der römischen Feldzüge; antike Schriftquelle: Velleius Paterculus berichtet vom Bau eines Winterlagers am Oberlauf der Lippe am Ende des Jahres 4 n. Chr.)

Entdeckung:
1968

Grabungen:
1968¿1969, 1988¿2004

Maße:
ca. 750 x 330 m = Innenfläche ca. 23 ha

Baustruktur:
Umwehrung mit Spitzgraben (Breite bis 7 m, Tiefe 2,3¿2,4 m) und Holz-Erde-Mauer (Breite 3 m, Länge ca. 1,9 km) mit Türmen und Toren, Innenbebauung (Fachwerkbauten)

Belegung:
1 Legion, evtl. Auxiliareinheiten

Funktion:
fest ausgebautes Standlager, Truppenstandort und Sicherung des Nachschubs für Feldzüge des Tiberius

Über folgenden Link gelangen Sie zum LWL-Film:
http://www.lwl.org/LWL/Der_LWL/PR/tv_audioservice/Filme_Kultur/roemerlager-olfen

Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Eva Masthoff, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-8920,
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



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Die Funde spiegeln das Alltagsleben der römischen Legionäre: vom Soldatensold, Ess- und Trinkgeschirr, Gewandspangen, Salbfläschchen bis hin zu Tierknochen. Die Funde datieren sämtlich in die Zeit des Kaisers Augustus.
Foto: LWL/S. Brentführer


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Lageplan.
LWL/Iris Buchholz


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Vor über 100 Jahren wurde dieser römsche Militärhelm aus der 2. Hälfte des 1. Jh. v. Chr. in der Lippe gefun-den - auf der Höhe des neu entdeckten Militärlagers.
Foto: LWL/S. Brentführer


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Luftbildaufnahme Olfen.
Foto: LWL/B. Song


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Für die Archäologen der endgültige Beweis, dass es sich bei ihrem Fund um ein Römerlager handelte: Dieser fast fünf Meter breite und zwei Meter tiefe Wehrgraben, der das Römerlager vor Angriffen schützte. Er ist ein absolut charakteristisches Baumerkmal römi-scher Militäranlagen.
Foto: LWL/D. Jaszczurok


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Einer der ersten Hinweise auf das Römer-lager bei Olfen: Diese Mantelspange römischer Legionäre aus dem 1. Jh. n. Chr. kam schon bei einem ersten Such-schnitt im Jahr 2010 zum Vorschein.
Foto: LWL/S. Brentführer


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Diese Kupfermünze aus Olfen sind das tyische Kleingeld römischer Legi-onäre. Sie zeugt von den frühesten Feldzügen der Römer in Westfalen, die 11 v. Chr. bis 9 n. Chr stattfanden. Auf der Vordereite: Kaiser Augustus mit seinem Schwiegersohn Agrippa.
Foto: LWL/S. Brentführer


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Dargestellt ist ein an eine Palme gekettetes Krokodil - ein Sinnbild für die Unterwerfung Ägyptens durch Kaiser Augustus.Geprägt wurde diese Münze im südfranzösischen Nîmes.
Foto: LWL/S. Brentführer


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Diese Bronzeverzierung des Helms eines römischen Legionärs aus dem 1. Jh. n. Chr. fanden die Wissen-schaftler mit anderen römischen Funden in einer Abfallgrube.
Foto: LWL/S. Brentführer


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Der bislang älteste Fund in Olfen: eine spätrepublikanische Silbermünze, circa 90 v. Chr. Auf der Vorderseite der Gott Apollo...
Foto: LWL/S. Brentführer


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...und auf der Rückseite (unten) eine Quadriga (Vierer-Pferdegespann).
Foto: LWL/S. Brentführer


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Bruchstück von typisch römi-schem Tischgeschirr, der soge-nannten Terra sigillata aus Italien. Sie trägt den Na-mensstempel des Töpfers, der in der heutigen Toskana arbei-tete. Rechts daneben: Fragmente eines Glasfläschchens für Duftöl.
Foto: LWL/S. Brentführer


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Modells des Lagers von Anreppen. Vergleichbar mit Olfen ist die Lage an der Lippe und die Holz-Erde-Mauer, es kann auch eine ähnliche Innenbebauung vermutet werden.
Foto: LWL/Brentführer


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Modells des Lagers von Anreppen. Vergleichbar mit Olfen ist die Lage an der Lippe und die Holz-Erde-Mauer, es kann auch eine ähnliche Innenbebauung vermutet werden.
Foto: LWL/Brentführer



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