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Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 26.01.10
Bernd Rosemeyer als umstrittener Held in Hattingen
LWL-Industriemuseum zeigt ¿Zahnpokal¿ und Rennwagen
Hattingen (lwl). Beim renommierten Hohenstein-Bergrennen kam er 1932 auf einem NSU-Motorrad als Zweiter ins Ziel. Während des Rennens büßte Bernd Rosemeyer einen Zahn ein, den er auf einem silbernen Sieger-Pokal verewigen ließ. Die Auszeichnung wurde so zum Reliquiar - ein Objekt, das die Heldentat und ihren Preis gleichermaßen sinnfällig macht. Ab dem 12. März 2010 ist das symbolträchtige Erinnerungsstück als eins von über 800 Exponaten in der Ausstellung ¿Helden. Von der Sehnsucht nach dem Besonderen¿ zu sehen, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in Zusammenarbeit mit der Kulturhauptstadt Europas 2010 in seinem LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen zeigt. Für die Schau hat Professor Bernd Rosemeyer jr. erstmals private Erinnerungsstücke von seinem Vater dem LWL zur Verfügung gestellt.
Heute gilt Rosemeyer, der am 28. Januar 1938 mit seinem Rennwagen tödlich verunglückte, vielen als ¿Schumacher der 30er Jahre¿. Der wagemutige Rennfahrer und lässig-elegante Lebemann wurde 1909 in Lingen an der Ems geboren. Ab 1930 fuhr er Motorrad-Rennen, 1934/35 stieg er auf vier Räder um und wurde Werksfahrer für die Auto Union-Rennabteilung der Horch-Werke in Zwickau. Der ¿Silberpfeil¿, von dem das LWL-Industriemuseum einen Nachbau in der Ausstellung zeigt, hatte ein ungewohntes Fahrverhalten, denn der von Porsche entwickelte Motor wurde erstmals mittig im Fahrzeug angeordnet. So hatte das Auto zwar eine optimale Straßenlage, für die meisten Autofahrer war das schwierig. Der motorraderfahrene Rosemeyer kam auf Anhieb mit dem Mittelmotor-Fahrzeug zurecht und gewann am 29. September 1935 sein erstes Rennen im tschechischen Brünn.
Hintergrund:
Noch dem Grand-Prix-Triumph von Brünn war das Ausnahmetalent nicht mehr zu bremsen. Der Pilot gewann die Großen Preise von Deutschland, der Schweiz und Italien, er stand beim Eifelrennen auf dem Siegertreppchen und am Ende der Saison war er Europameister.
Dann der Schicksalstag 28. Januar 1938. ¿Kurz vor der Berliner Automobilausstellung - und wohl auch deswegen - kam es auf Drängen von Mercedes zum direkten Vergleich mit der Auto Union¿, erläutert Robert Laube, der für den Bereich Sport in der Heldenausstellung zuständig ist. Mit 432 Stundenkilometern brach Rudolf Caracciola den Rekord des Mannes, der Ende 1937 als erster Mensch die 400-Stundenkilometer-Marke überboten hatte. Der ehrgeizige Versuch Rosemeyers, noch am Tag der Niederlage zu kontern, endete in der Katastrophe. Bei Tempo 440 zerriss es die Außenhaut des ¿Typ R¿, das Fahrzeug überschlug sich, von einer Windböe erfasst, mehrfach, Rosemeyer wurde aus dem Wagen geschleudert und war auf der Stelle tot. Er wurde zur Legende stilisiert.
¿Seine Faszination gründet nicht zuletzt in seinem Heldentod. So blieb er ewig jung und ewig tragisch¿, sagt Laube. Rosemeyer - ein bis heute umstrittener Held, denn der blonde ¿Sonnenjunge¿ war Hauptsturmführer in der SS. Diesen Titel bekam er durch Beförderungen nach Rennsiegen, ohne je aktiv Dienst in Hitlers Schutzstaffel geleistet zu haben. ¿Der elitäre Anspruch der SS mag ihn fasziniert haben, und die Mitgliedschaft schien der richtige Schritt zu sein, den direkten Weg zum Ruhm zu pflastern. Das System gab ihm Gelegenheit und Mittel, seiner Passion zu folgen.¿ Für Fachmann Laube scheint sich der Rennfahrer jedoch kaum um die SS-Ideologie gekümmert zu haben. ¿Weder änderte er sein Verhalten gegenüber jüdischen Jugendfreunden noch schmückte er sich mit Uniformen.¿
Sein Unfalltod und die Beerdigung allerdings wurden vom NS-Staat, der um das propagandistische Potential des charismatischen Sportlers wusste, für eine fulminante Inszenierung genutzt. Hitler würdigte den ¿Pionier der Weltgeltung der deutschen Motoren- und Automobilfabrikation¿, der dafür gekämpft habe, ¿dem deutschen Arbeiter Brot zu schaffen.¿ Der Witwe spendete Hitler Trost mit den Worten, ¿dass er im Einsatz für deutsche Geltung fiel¿. Mitte der 1930er Jahre fanden sich die Sporthelden eingereiht bei Kriegern und Nationalhelden.
Wie hätte Rosemeyer sich spätestens ab 1938 zu den Verletzungen der Menschenrechte und zum Krieg verhalten? Eine Frage ohne Antwort. Bevor sein Image als Lichtgestalt Schaden nehmen konnte, fand er den ¿Heldentod¿.
Die Ausstellung
Mit über 800 wertvollen Exponate aus ganz Deutschland, den europäischen Nachbarländern und aus Übersee erzählt die Schau spannende Geschichten von großen und kleinen Helden, von Machern und Medien, mutigen Rittern, religiösen Vorbildern, gefeierten Sportlern und engagierten Helfern. Das Spektrum reicht von einer 2.000 Jahre alten Nuckelflasche bis zur Silberbüchse Winnetous. In Bronze glänzt der Fußballschuh vom Ruhrgebietshelden Helmut Rahn. Vom heutigen Heldenkult zeugen ein Baumhaus von ¿Robin Wood¿ und der Helm eines New Yorker Feuerwehrmannes, der beim Anschlag auf das World Trade Center ums Leben kam. Die Helden des Reviers haben in der Schau einen besonderen Platz: Typen wie der Bergmann Adolf Tegtmeier oder Ruhrgebietsmutter Tana Schanzara, aber auch verdiente Bürger des Ruhrgebiets als neue Helden der Region im Wandel und schließlich die zugewanderten Helden, die die vielen Einwanderer ins Revier mitgebracht haben.
Der Rundgang durch die 1.000 Quadratmeter große Ausstellungshalle bietet ausdrucksstarke Inszenierungen, bewegte Bilder und Hörstationen. Die innovative Ausstellungsarchitektur eröffnet mit Durchblicken und Sichtachsen an vielen Stellen überraschende Perspektiven und ermöglicht damit immer wieder neue Entdeckungen. Am Ende der Ausstellung können Besucher ihren ¿Helden des Tages¿ wählen, auf einem Sockel als Held oder Heldin posieren und sich in der Videoinstallation ¿Standing Ovations¿ bejubeln lassen.
HELDEN. Von der Sehnsucht nach dem Besonderen
12. März ¿ 31. Oktober 2010
LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen
Werksstraße 31-33 I 45527 Hattingen
Geöffnet: Di ¿ So 10 ¿ 18 Uhr, Fr 10 ¿ 21.30 Uhr
http://www.helden-ausstellung.lwl.org I Tel. 02324 9247-142 I E-Mail: helden@lwl.org
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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