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Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 25.11.09
Elch, Engel und Adventskalender
LWL-Volkskundler entschlüsseln alte und neue Weihnachtstrends
Westfalen (lwl). Schon seit einigen Wochen stehen sie wieder in den Regalen und warten auf den lang ersehnten Beginn der Vorweihnachtszeit: Adventskalender, mit weihnachtlichen Bild-Motiven hinter den Türchen, Schokolade zum Naschen oder kleinen Geschenken gefüllt. Für die Erwachsenen ist der Adventskranz mit Äpfelchen, roten Bändern und Kerzen verziert oder, ganz modern, aus künstlichem Grün mit elektrischen Lichtern in bunten Farben obligatorisch. Ohne Adventskalender und -kranz ist die Vorweihnachtszeit kaum vorstellbar. Dabei sind beide Elemente noch gar nicht so alt, wie Katrin Bauer, Kulturwissenschaftlerin der Volkskundlichen Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), berichtet: ¿Der Adventskalender entstand erst im 19. Jahrhundert, als Weihnachten sich immer mehr zum familiären Schenkfest entwickelte und langsam den Nikolaustag als bis dahin wichtigsten Geschenktermin für Kinder ablöste.¿
Zu Beginn verbreitete sich der Adventskalender vor allem in protestantischen Familien, die mit ihm auch eine erzieherische Funktion verbanden. ¿In christlichen Bildmotiven sollte den Kindern die Weihnachtsgeschichte vermittelt werden und Tugenden wie Geduldigkeit und Beherrschung geübt werden¿, so Bauer. In katholischen Familien war das Strohlegen bekannter: Wenn sie brav waren, durften die Kinder bis Weihnachten einen Strohhalm in die Krippe legen. Am Heiligen Abend war die Krippe dann gefüllt und das Christkind war weich gebettet. In Kamen (Kreis Unna) kannte man noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Adventsbaum: ¿Er war für uns Kinder eine große Freude, wir sangen und tanzten um den Baum¿, berichtet eine Gewährsperson. Der Adventsbaum war viel kleiner als der Weihnachtsbaum und mit Kerzen und Bibelsprüchen geschmückt. Diese Sprüche mussten häufig von den Kindern auswendig gelernt werden.
Auch der Adventskranz kam erst im 19. Jahrhundert auf: ¿Diese Erfindung von Johann Hinrich Wichern, dem Begründer des Rauhen Hauses für verwahrloste und verwaiste Kinder in Hamburg, breitete sich über die Bethel-Einrichtungen im Minden-Ravensberger Land nach Westfalen aus und gehört heute in nahezu jeder Familie zur adventlichen Grundausstattung¿, so Bauer. Gleiches gilt für den Weihnachtsbaum: ¿Obwohl er schon seit dem Mittelalter im kirchlichen Kontext bekannt war, setzte er sich als geschmückter Familienbaum erst im 19. Jahrhundert allmählich durch und wurde erst durch den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zum Symbol für Frieden, Heimat und Behaglichkeit¿, erklärt die Kulturwissenschaftlerin. ¿Weihnachten¿, so Bauer weiter, ¿war und ist auch immer Ausdruck des Zeitgeistes. Auch heute noch etablieren sich neue weihnachtliche Zeichen und Symbole. Vor allem durch Medien, Industrie und Handel werden Kulturmuster global verbreitet, bekommen überkonfessionelle Bedeutung, und der skandinavische Elch gehört mittlerweile auch bei uns fast genauso zu Weihnachten wie der Tannenbaum, der Engel oder die Krippe¿ meint Bauer.
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