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Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 18.12.08
¿Zeit ist Geld¿ auf Zeche Zollern
Ausstellung zur Geschichte der Arbeitszeitkontrolle im LWL-Industriemuseum
Dortmund (lwl). Zeit ist Geld ¿ erst die Industrialisierung hat dieses Sprichwort zur ökonomischen Wahrheit und zur allgemein verbreiteten Einstellung im Umgang mit der Zeit werden lassen. Pünktlichkeit und Schnelligkeit werden damit angesprochen, beides Eigenschaften, die mit der Uhr messbar und von Uhren kontrollierbar wurden. In der neuen Ausstellung ¿Zeit ist Geld. Industrielle Arbeitszeit und Zeiterfassung¿ auf der Zeche Zollern in Dortmund lädt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ab Sonntag, 21. Dezember, zu einem Gang durch die Welt der Arbeitszeitkontrolle ein. Er beginnt mit den Wächtern in der Nacht, zeigt die Bedeutung der Fassaden- und Turmuhren, führt ein in die komplizierte Technik und Funktion der Kontrollapparate und endet in einer Installation, in der auch die aktuelle Diskussion um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit visualisiert wird. Zu sehen sind rund 80 Exponate aus zwei Jahrhunderten, darunter viele Zeiterfassungsgeräte aus dem Uhrenmuseum Villingen-Schwenningen.
¿Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?¿
Über Jahrhunderte bestimmten die Rhythmen der Natur den Arbeitstag. Er begann mit dem ersten Hahnenschrei und endete mit dem Einbruch der Nacht. Bei Eis und Schnee standen Mühlen und Hammerwerke still, und das Handwerk musste ruhen, wenn die Zeit zur Ernte gekommen war. Mit der Industrialisierung endete diese Ära. ¿Die Arbeitsteilung in der Fabrik erforderte einheitliche Arbeitszeiten und unterwarf die Menschen dem Rhythmus der teuren Maschinen. Nachdrücklich forderten Fabrikanten pünktlichen Arbeitsbeginn, striktes Einhalten von Pausen und regelmäßige Schichten¿, erklärte Museumsleiterin Dr. Ulrike Gilhaus am Donnerstag bei der Vorstellung der Schau. Der Wert der Arbeit bemaß sich jetzt nach der geleisteten Arbeitszeit: Zeit wurde Geld. Die Idee der Kontrolluhr war geboren.
Doch noch bevor die ¿Stechuhr¿ als Kontrollinstrument in den Fabriken und Kontoren Einzug hielt, konstruierten Uhrenfabrikanten aus dem Schwarzwald 1805 eine Kontrolluhr für Nachtwächter: Im Interesse der öffentlichen Sicherheit sollten die Nachtwächter nun nicht mehr nur durch regelmäßiges lautes Singen zeigen, dass sie selbst wach und wachsam waren, sondern zu festgelegten Zeiten diese Kontrolluhren bedienen, um nachzuweisen, dass sie ihre Rundgänge ordnungsgemäß absolvierten.
Im Takt der Maschine
Kontrolluhren, Arbeitszeitmessgeräte und Fabrikuhren belegen eindrücklich, dass die Industrialisierung Arbeiter und Angestellte in den Betrieben einer ¿fremdbestimmten¿ und immer gleichen Arbeitszeit unterwarf. Sie verdrängten vorindustrielles Brauchtum, etwa das Gebet vor der Arbeit. Stechuhr und Fabrikuhr wurden zu Symbolen einer anonymisierten Herrschaft des Unternehmens, die die bisherige Freiheit des Kommens und Gehens beendete. Heute prägen diese Rhythmen und Strukturen nicht nur die Arbeitswelt, sondern unsere gesamte Kultur: Pendlerströme, Ferientermine, Freizeitindustrie und ¿after work-parties¿ bezeugen, dass wir nicht mehr Herr unserer eigenen Zeit sind, sondern im Strom gesellschaftlicher Gezeiten schwimmen.
Technische Neuerungen ermöglichten die immer genauere Erfassung von Zeitabläufen, die Dokumentation von Arbeitsabläufen bis hin zur Kontrolle von Online-Arbeitsplätzen zu Hause. Die Darstellung der technischen Geschichte der Kontrolluhren reflektiert damit auch die aktuellen Diskussionen über Risiken und Folgen von Flexibilisierung, Bereitschaftszeiten oder die Anforderung, jederzeit ¿auf Abruf¿ zu arbeiten. ¿Es geht hier also auch um eine der wichtigsten Fragen der aktuellen Industriegesellschaft ¿ das Verhältnis von Arbeit und Freizeit, oder anders ausgedrückt die Frage: Wie wollen wir leben?¿, so Museumsleiterin Dr. Ulrike Gilhaus.
Begleitprogramm
Sonntag, 25.Januar, 15 Uhr
Metropolis. Deutscher Stummfilm von Fritz Lang aus dem Jahre 1927 (139Min.) über soziale Konflikte in einer von Maschinen gesteuerten Welt
Dienstag, 17.Februar, 19.30 Uhr
Arbeitszeit und Freizeit am Beispiel der Hüttenindustrie. Bildvortrag von Prof. Dr. Wessel
Sonntag, 1.März, 15 Uhr
Momo. Verfilmung des Märchenromans von Michael Ende über Zeitdiebe von Johannes Schaaf (1986). Für Kinder ab sechs Jahren
Zeit ist Geld.
Industrielle Arbeitszeit und Zeiterfassung
21. Dezember 2008 bis 1. März 2009
Eröffnung: So, 21.12., 11 Uhr
LWL-Industriemuseum Zeche Zollern
Grubenweg 5, 44388 Dortmund
Geöffnet Di ¿ So 10 ¿ 18 Uhr
Das Museum ist Weihnachten (24.-26.12.08), Silvester und Neujahr geschlossen.
Pressekontakt:
Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127 und Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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