URL dieser Seite: https://www.lwl.org/pm18484
Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 08.07.08
Wie im Märchen: ¿Hänsel¿ als Startkapital für den Westen
Wirkmaschine läuft Sonntag im LWL-Ziegeleimuseum
Lage/Wuppertal (lwl). Mit einem leichten Surren drehen sich die bunten Garnrollen am hölzernen Aufsatz, werden die Fäden und Kordeln Meter um Meter über längliche Führungsschienen direkt ins Innere der gusseisernen Maschine geleitet und hier zu farbigen Borten verarbeitet. Auch wenn die Wirkmaschine den fantasievollen Namen ¿Hänsel¿ trägt, hat sie keine Ähnlichkeiten mit einer Märchenfigur. Sie ist vielmehr eines der Objekte, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) derzeit in der Sonderausstellung ¿Aufbau West. Neubeginn zwischen Vertreibung und Wirtschaftswunder¿ in seinem Ziegeleimuseum in Lage zeigt. Am kommenden Sonntag (13.7.) können Ausstellungsbesucher sehen, wie ¿Hänsel¿ funktioniert.
Mitarbeiter der Werkstätten des LWL-Industriemuseums machten das gut 80 Jahre alte Relikt für die Ausstellung wieder flott. In den 1920er Jahren hatte Emil Paul Dietzsch das Gerät erstmalig in seiner Posamentenfabrik in Geyer/Erzgebirge eingesetzt. Der Familienbetrieb stellte hier Borten, Schnüren und Quasten für den Besatz von Kleidung und Textilien her. Nach der Enteignung durch die DDR-Regierung floh das Unternehmen 1950 nach Wuppertal-Barmen, um im Westen seine Produktion fortzusetzen. Mit im Gepäck war das Startkapital für den Neubeginn: Dietzsch gelang es, seine beiden Kettenwirkmaschinen ¿Hänsel¿ und ¿Gretel¿ aus der DDR zu schleusen und in Wuppertal wieder aufzustellen.
Mit ihrem Angebot an Borten und Bordüren ergänzte die Firma Dietzsch in den 1950er Jahren schnell das vorhandene Wuppertaler Produktionsspektrum an Bändern und Schmucktextilien: ¿Nach 1945 wäre die Versorgung der Bevölkerung allein durch die heimische Textilindustrie auch nicht möglich gewesen, weil in der Textilbranche schon immer eine weitgehende regionale Arbeitsteilung zwischen Ost und West herrschte¿, erklärt Dr. Arnold Lassotta, Textilfachmann im Ausstellungsteam.
Die neuen Unternehmen aus dem Osten trafen im Westen auf eine so hohe Nachfrage, dass sich die Firma Dietzsch im Laufe der folgenden Jahre wesentlich vergrößerte. In all den Jahren konnte sich der Familienbetrieb aber von einem besonderen Erinnerungsstück nicht trennen, auch wenn der technische Fortschritt längst bessere Maschinen hervorgebracht hat: ¿Hänsel¿ stand bis zur Betriebsschließung 1997 im Besucherraum der Firma und erinnerte an die mühevollen Anfänge im Westen. Dabei blieb die erste Wirkmaschine der Wuppertaler Produktion immer unangefochten die ¿Nummer Eins¿ und ist es scheinbar noch heute, wie ein kleines Schild am oberen Holzgerüst mit der Aufschrift ¿1¿ bezeugt.
Nach der Schließung der Firma Dietzsch gab Betriebsleiter Herbert Frickhöfer die geschichtsträchtige Maschine 1998 in die Obhut des LWL-Industriemuseums. Für die Präsentation in der Ausstellung Aufbau West wurde ¿Hänsel¿ dann restauriert und neu eingerichtet.
Schauvorführung ¿Wirkmaschine in Betrieb¿
Sonntag, 13.7.2008, 11-17 Uhr
Aufbau West ¿ Neubeginn zwischen Vertreibung und Wirtschaftswunder
bis 21.09.2008
LWL-Industriemuseum
Ziegeleimuseum in Lage
Sprikernheide 77 I 32791 Lage
Geöffnet Di ¿ So 10 ¿ 18 Uhr
Pressekontakt:
Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127 und Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen