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Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 10.04.08
LWL und Ruhruniversität geben Tagungsergebnisse zum Raumbewusstsein in Nordrhein-Westfalen heraus
Ruhrgebiet (lwl). ¿Die traditionelle Vorstellung vom Ruhrgebiet als montanindustriellem Raum ist nur noch ein Mythos. Neue raumübergreifende, identitätsstiftende Funktionen sind noch kaum erkennbar. Ein Hauptzentrum, das die übrigen Zentren überstrahlt, hat sich ebenso wenig herausgebildet wie wichtige zentrale Funktionen von weltstädtischem Format. Es mangelt auch an der Bereitschaft der Städte, sich zugunsten eines Zentrums oder der Region Ruhrgebiet zurückzunehmen¿, so fasst der Historiker Karl Ditt die Ergebnisse einer Tagung zum Raumbewusstsein in Nordrhein-Westfalen zusammen, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und das Institut für soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum Ende 2005 in Dortmund veranstaltet haben. Sie liegen jetzt unter dem Titel ¿Das Ruhrgebiet in Rheinland und Westfalen. Koexistenz und Konkurrenz des Raumbewusstseins im 19. und 20. Jahrhundert¿ als Buch vor.
Allenfalls bei Teilen der Jugend existiere das Ruhrgebiet als städteübergreifender Konsum- und Freizeitraum. Charakteristisch seien Zerfallstendenzen des Ruhrgebiets, wobei die traditionellen Bindungen zu den angrenzenden Regionen, etwa dem Niederrhein, dem Sauerland oder dem Münsterland wiederbelebt würden, so Ditt, Mitarbeiter des LWL-Instituts für Westfälische Regional-geschichte, weiter.
Ausgangsfrage der Tagung war, wie sich im Ruhrgebiet während des 19. und 20. Jahrhunderts ein eigenes Regionalbewusstsein gegenüber dem bereits bestehenden Raumbewusstsein in den beiden ¿Mutterprovinzen¿ Rheinland und Westfalen herausbildete. Wann trat es auf, worin bestanden seine Charakterika, und wie reagierte man darauf in den übergeordneten politischen Räumen Preußen bzw. Nordrhein-Westfalen, Rheinland und Westfalen? Die Bevölkerung im Ruhrgebiet nahm erst seit dem späten 19. Jahrhundert die Gemeinsamkeiten ihrer Region wahr. Dabei gingen bürgerliche Gruppen, insbesondere Journalisten, Dichter und Künstler voran. ¿Deutlich wurde auch, dass die etablierten Kreise des Rheinlands und Westfalens die Besonderheiten des frühen Ruhrgebiets, nämlich die schwerindustriell geprägten Wirtschafts- und Sozialordnungen, lange nicht wahrgenommen oder missachtet haben. Sie passten nicht in die traditionellen Wahrnehmungs- und Wertkategorien. Erst seit den 1960er Jahren entwickelte sich ¿ nicht zuletzt unter dem Einfluss der an den neuen Universitäten des Ruhrgebiets tätigen und hier ausgebildeten Intellektuellen sowie der wachsenden Akzeptanz der Wirtschafts- und Sozialgeschichte ein eigenes räumliches Selbstbewusstsein¿, so Ditt.
Demgegenüber baute das Raumbewusstsein in Rheinland und Westfalen auf langen kulturellen Tra-ditionen auf, die zu zahlreichen Stereotypen von Land und Leuten führten. Die Entwicklung neuer kultureller Vorstellungen blieb im 20. Jahrhundert jedoch weitgehend aus, so dass nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in Rheinland und Westfalen das Raumbewusstsein nachließ. Nutznießer dieser Traditionsabschwächungen könne das Land Nordrhein-Westfalen werden, dass sich seit den 1950er Jahren um die Konstruktion eines Landesbewusstseins bemühe, wagten die Tagungsteilnehmer ei-nen Blick in die Zukunft.
Mit diesen Fragestellungen und Ergebnissen greift der Tagungsband sowohl wissenschaftlich als auch politisch aktuelle Fragen auf. 20 Beiträge geben einen Überblick darüber, wie Rheinländer, Westfalen und ¿Ruhris¿ sich selber sehen und wie sich ihr Raumbewusstsein im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt hat. Abschließend skizziert Ditt in einer Gesamtinterpretation das aktuelle Raumbewusstsein in Nordrhein-Westfalen und seinen Teilräumen und deutet Entwicklungsmöglichkeiten an.
Karl Ditt/Klaus Tenfelde (Hg.):
Das Ruhrgebiet in Westfalen und Rheinland
Koexistenz und Konkurrenz des Raumbewusstseins im 19. und 20. Jahrhundert
Forschungen zur Regionalgeschichte, Band 57
20 Beiträge, 511 Seiten, ISBN 978-3-506-75748-7, 49,- Euro
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