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Presse-Infos | Kultur
Mitteilung vom 10.04.08
LWL gibt ersten Band des Handbuches der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe heraus
Artikel zu 72 Orten im Münsterland
Münster (lwl). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat mit seiner Historischen Kommission für Westfalen und dem Institut für vergleichende Städtegeschichte der Universität Münster ein vierbändiges historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe erarbeitet. Neben Überblicksartikeln enthält das Werk Texte über 270 Orte. Der erste Band, der sich mit den 72 ehemaligen jüdischen Gemeinschaften im heutigen Regierungsbezirk Münster beschäftigt, ist jetzt im Ardey-Verlag erschienen. ¿Das Zusammenleben zwischen Deutschen und Juden war, über die Jahrhunderte gesehen, meist problematisch und endete in der NS-Zeit mit dem Holocaust in der Katastrophe¿, sagte LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch bei der Vorstellung des ersten Bandes am Donnerstag (10.04.) in Münster. ¿Die Forschung hat sich erst rund 30 Jahre nach dem Zeiten Weltkrieg intensiv mit dem Holocaust beschäftigt. Das Mittelalter, die frühe Neuzeit, das 19. Jahrhundert und die Gegenwart wurden darüber meist vernachlässigt.150 Autorinnen und Autoren haben sich seit dem Jahr 2000 daran gemacht, diese Lücken zu füllen.¿
¿Bei dem ehrgeizigen Projekt, neben dem Holocaust auch die jüdische Geschichte vom Mittelalter über die Frühe Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert und zur Gegenwart zu betrachten, ist ein lexikalisches Nachschlagewerk entstanden, das alle 270 Orte auflistet, in denen es jüdische Gemeinschaften gegeben hat. Dennoch ist das Handbuch kein abgeschlossenes Werk, sondern ein lebendiges Buch, das zu weiteren Forschungen der jüdischen Geschichte anregen will¿, fuhr Kirsch fort.
Paul Spiegel, der in Warendorf geborene und 2006 verstorbene Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte 2003 die Schirmherrschaft über das Gesamtprojekt angenommen. Charlotte Knobloch hat als seine Nachfolgerin die Schirmherrschaft übernommen. Sie betont im Vorwort, dass ¿das Leitmotiv Paul Spiegels mit dem vorliegenden Werk weitergeführt wird. Denn wer die Geschichte kennt, wird Freiheit und Demokratie immer verteidigen¿.
Das Handbuch ist als vierbändiges Werk konzipiert mit einem Grundlagenband und drei weiteren Bänden für die Regierungsbezirke Münster, Arnsberg und Detmold. Neben den Artikeln zu allen 270 Orten in denen es jüdische Gemeinden gab oder gibt, stellt das Handbuch auch die Politik der bis 1802/03 im Alten Reich bestehenden Territorien vor. Denn deren Politik hatte Einfluss auf die Juden und ihre Rechtsstellung.
¿Vor 30 Jahren, als sich die Pogromnacht vom 9. November 1938 zum 50. Mal jährte, begann in Deutschland in größerem Umfang die Auseinandersetzung mit den Fragen, wie es zu dieser Vernichtung hat kommen können. Überall fanden sich Historiker und Nichthistoriker zusammen, um die jüdische Geschichte in der eigenen Umgebung zu erkunden¿, berichtete Kirsch. Die Zahl der Einzelstudien sei fast unüberschaubar. Die Leistung des Handbuches liege darin, diese weit verstreuten Kenntnisse zusammenzufassen und die lange deutsch-jüdische Geschichte vor dem Holocaust einzubeziehen, so der LWL-Direktor weiter.
¿Der erste Band enthält 72 Artikel zu Orten im Regierungsbezirk Münster sowie Überblicksartikel zur Geschichte der Juden in sechs bis 1802/3 selbständigen Territorialherrschaften in dieser Region wie zum Beispiel das Fürstbistum Münster und das Vest Recklinghausen. Alle Ortsartikel folgen einem Schema, so dass die Leser leicht vergleichen können¿, erläuterte Prof. Dr. Jakobi, Herausgeber des jetzt vorliegenden Bandes und Vorstandsmitglied der Historischen Kommission.
Schnell wurde der LWL-Kommission klar, dass sie mir ihren üblichen Mitteln das Projekt nicht bewältigen konnte. In dem Institut für vergleichende Städtegeschichte der Universität Münster hat sie einen Kooperationspartner gefunden, mit dem sie das Handbuch gemeinsam herausgibt. ¿Das Institut ist seit langem ein Partner des LWL und verfügt über Erfahrungen bei der Erarbeitung von Handbüchern, zum Beispiel bei dem 2006 erschienenen Handbuch der Historischen Stätten¿, erläuterte Prof. Dr. Johanek, bis 2003 selbst 1. Vorsitzender der Historischen Kommission für Westfalen und bis 2007 wissenschaftlicher Vorstand des Instituts für vergleichende Städtegeschichte.
¿Eine besondere Herausforderung war es, jüdische Geschichte in regionaler Perspektive zu schreiben¿, berichtete Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, Vorsitzender der Historischen Kommission. ¿Denn Jüdisches Leben ist in einem nach heutigen Grenzen gegliederten Handbuch nur schwer zu erfassen, da damit die spezielle Mobilität und der weitreichende Aktionsradius einzelner Personen und Verwandtenkreise in ihrer ganzen Komplexität nicht in den Blick kommt¿, ergänzt Jakobi.
Hintergrund:
Die Historische Kommission für Westfalen ist eine der sechs vom LWL getragenen wissenschaftlichen Kommissionen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1896 hat sie ca. 500 Einzelveröffentlichungen zu Spezialthemen und Urkundenpublikationen wie dem Westfälischen Urkundenbuch herausgegeben. Ihre Mitglieder und zahlreiche engagierte Kollegen übernehmen Arbeiten und veröffentlichen sie in Handbuchform, wie beispielsweise die große, vierbändige ¿Westfälische Geschichte¿ oder ¿Westfälische Klosterbuch¿ und nun das ¿Historische Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe¿. ¿Wissen so zu bündeln, Grundlagenwerke zu erstellen und so gewonnene Erkenntnisse zu verbreiten, sind die der Hauptaufgaben der Historischen Kommission¿, so deren 1. Vorsitzender Prof. Dr. Wilfried Reininghaus.
Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe
Teilband 1: Die Ortschaften und Territorien
im heutigen Regierungsbezirk Münster
Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen XLV: Quellen und Forschungen zur jüdischen Geschichte in Westfalen, Band 2,1
780 Seiten, eine Übersichtskarte, 69 Euro,
Münster 2008, Ardey-Verlag, ISBN 978-3-87023-282-5
Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen