Für die Menschen, für Westfalen-Lippe
Logo des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe

Landschaftsverband Westfalen-Lippe
https://www.lwl.org

URL dieser Seite: https://www.lwl.org/pm17751



Presse-Infos | Kultur

Mitteilung vom 30.11.07

Wenn Hase und Nikolaus sich treffen
LWL-Volkskundlerin zur Weihnachtsbäckerei

Westfalen (lwl). Nicht verkaufte Schokoladen-Nikoläuse werden zu Osterhasen umgeschmolzen: Hartnäckig hält sich dieses Gerücht, obwohl Hersteller alljährlich auf die Unwirtschaftlichkeit einer solchen ¿Wiedergeburt¿ hinweisen. Aber zwischen Nikolaus und Hase gibt es tatsächlich eine Verbindung: ¿Hasen waren ein übliches Figurengebäck der Adventszeit, bevor sich der Stutenkerl allgemein durchsetzte¿, erläutert Sonja Böder von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).

Die aus leicht gesüßtem Hefeteig gebackenen Hasen hatten etwa die Größe einer Männerhand und waren mit Rosinen verziert, wie Gewährsleute des Volkskundearchivs aus
Kreuztal-Krombach und Littfeld im Kreis Siegen berichten.
Der Begriff ¿Hase¿ umfasste aber auch andere Figuren,
wie Hühner, Männer, Pferde und Reiter. Da die Herstellung
der frei geformten Gebäcke nicht einfach war, wurden sie zumeist beim Bäcker gekauft. Für ein Hähnchen bezahlte man Anfang des letzten Jahrhunderts in Mettingen im Kreis Steinfurt zweieinhalb Pfennig und für ein Pferdchen fünf Pfennig. Im Märkischen Sauerland waren bis zu einem halben Meter große Reiterfiguren beliebt, wie für Kierspe belegt ist. Hingegen bevorzugte man in Recklinghausen-Suderwich Enten, ein in Schneckenform gedrehtes Hefegebäck mit einem Kopf, der eine Korinthe als Auge hatte.

Korinthen und Rosinen waren für die Kinder sehr wichtig, da sie das tier- oder menschenähnliche Aussehen der Figuren verstärkten. Außerdem waren sie teuer und daher ein seltenes Vergnügen.


Nicht weniger beliebt war die Tonpfeife, die der Stutenkerl häufig im Mund hat: ¿Die Pfeife wurde zum Seifenblasen benutzt, und größere Jungen rauchten darin wohl auch Pfefferminztee¿, erinnert sich ein Berichterstatter aus Coesfeld.

Der Stutenkerl ¿ auch Klaoskerl, Klogges, Klosmann oder Büxenwülfe genannt ¿ konnte bis zu 50 Zentimeter groß sein und wurde in mehreren Tagen gegessen. Der Rest war dann oft ziemlich trocken, eben ¿So dröge as Sünteklaos¿ Äß¿.

¿Spekulatius gibt es zu Weihnachten und Nikolaus. Ein Gabenteller ohne Spekulatius ist nicht
vollwertig¿, betont eine Gewährsperson aus Holtwick (Kreis Coesfeld). Auch in den alten Spekulatiusformen haben Hasen, Enten, Pferde und Hähnchen ihren festen Platz, denn für das Mürbeteiggebäck wurden besonders Tiergestalten bevorzugt, wie in einem Bericht aus Atteln im Kreis Paderborn zu lesen ist. Wurden die Spekulatien zu Hause gebacken, kamen meist metallene Ausstecher zum Einsatz, während der Bäcker hölzerne Model benutzte. ¿Spekulatius war das Hauptgebäck der Adventszeit, allerdings wurde die Bezeichnung erst im Laufe des 20. Jahrhunderts üblich¿, erklärt Böder. So heißt es im Siegeland ¿Konfekt¿, im Märkischen ¿Tedelittken¿ und in der Grafschaft Bentheim ¿Sünte-Klaos-Gut¿. Vermutlich hat sich der Spekulatius ebenso wie der Stutenkerl von den Niederlanden aus in Westfalen verbreitet.

Im Mindener Raum, wo der Spekulatius früher kaum bekannt war, gab es als besonderes Weihnachtsgebäck die ¿Weißen Bilder¿. Der Teig wurde ausgerollt und mit eisernen Formen ausgestochen, deren Motive denen der Spekulatien ähneln. Das Gebäck wurde dann bei geringer Hitze gebacken, damit es weiß blieb Anschließend wurden die Konturen der Figuren mit roter Farbe nachgezogen. ¿Der optische Genuss soll den geschmacklichen weit übertroffen haben¿, zitiert Böder die Quellen.

Hintergrund:

Dem Kulinarischen unserer Tage widmet sich das aktuelle Forschungsprojekt ¿Wie westfälisch isst Westfalen?¿ der Volkskundlichen Kommission des LWL. Wer an der Umfrage teilnehmen möchte, kann den Fragebogen im Internet (www.volkskunde-westfalen.de) ausfüllen oder ihn telefonisch anfordern (0251/8324406). Zu gewinnen gibt es auch etwas: Gutscheine der Aktion ¿Regionale Speisekarte: So schmeckt das Münsterland!¿ über ein Essen für zwei Personen.

Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



Foto zur Mitteilung
Ein solcher Hase aus Hefeteig wurde den Kindern im Siegerland geschenkt. Foto: LWL/VoKo

Foto zur Mitteilung
¿Weiße Bilder¿: Dieses Weihnachtsgebäck ist für den Mindener Raum typisch. Foto: LWL/VoKo


Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen