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Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 15.03.07
Prosecco in Dosen
Münster (lwl). Koma-Saufen, Kampftrinken, urplötzlich die öffentliche Debatte: Konsumieren Jugendliche Alkohol heute bis der Arzt kommt? Oder kippen allzu besorgte Mahner nur neuen Wein in alte Schläuche? Suchtexperte Wolfgang Rometsch vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ordnet ein.
Herr Rometsch, welches Ausmaß hat das Problem ¿Jugend und Alkohol¿?
Rometsch: Hierzulande, also auch in Westfalen-Lippe, haben junge Menschen zwischen zwölf und 25 Jahren ihren ersten Rausch mit durchschnittlich 15,5 Jahren. 39 Prozent von ihnen hatten in den letzten zwölf Monaten einmal oder mehrmals einen Rausch. Mehr als ein Drittel dieser Altersgruppe haben in den letzten 30 Tagen mindestens einmal fünf oder mehr Gläser Alkohol bei einer Gelegenheit getrunken. Immerhin fünf Prozent von ihnen geben ¿binge drinking¿, also das Kampftrinken, mit sechs Mal oder häufiger im Monat an. Mit diesen Daten liegen junge deutsche Trinker unter den Industrienationen in einer Spitzenposition.
Sollten Altersgrenzen für den Konsum von Alkohol angehoben werden?
Rometsch: Nach Auswertung aller aktuellen Studien sind die wirksamsten Maßnahmen und Interventionen unter anderem Festlegung eines Mindestalters für den Erwerb von Alkohol, Beschränkung der Verkaufszeiten sowie die Besteuerung und die Preisgestaltung. Vor diesem Hintergrund sollte meines Erachtens ernsthaft überlegt werden, die Altersgrenze für den Konsum von Alkohol durch Jugendliche heraufzusetzen.
Sollte es ein Werbeverbot geben?
Rometsch: In den vergangenen Jahren war zu beobachten, dass durch witzige Werbespots vor allem Jugendliche und junge Frauen angesprochen werden sollen, bestimmte alkoholische Getränke zu konsumieren. Diese jugendspezifischen Marketingstrategien verstoßen zwar nicht gegen den Wortlaut der vereinbarten freiwilligen Verhaltensregelung des deutschen Werberates, sie unterlaufen aber eindeutig die ihnen zugrunde liegenden ethischen Prinzipien. Da freiwillige Selbstkontrollen bisher offensichtlich kaum Wirkung gezeigt haben, stellen rechtliche Mittel die wirksamste Maßnahme der Alkoholkontrollpolitik dar.
Flatrate-Party ¿ was geht denn unter diesem denglischen Zeitgeist-Schlagwort ab?
Rometsch: Das ¿All inclusive¿-Trinken zu Pauschalpreisen, früher hieß das schlicht Freitrinken, ist kein neues Phänomen. Das gab es schon immer in fast jedem Schützenfestzelt. Besonders auffällig ist aber, dass eine kleine Gruppe Jugendlicher derart exzessiv trinkt, dass sie einer stationären Krankenhaus-Behandlung bedürfen. Ihr Anteil ist in den vergangenen Jahren leider immens angestiegen.
Alkopop gleich Alkoflop ¿ ist die gesundheitspolitisch gefeierte Sondersteuer gescheitert?
Rometsch: Insgesamt ist festzustellen, dass durch diese steuerpolitische Maßnahme der Konsum von Alkopops deutlich zurück gegangen ist. Die Alkoholindustrie hat aber die Situation geschickt ausgenutzt, indem sie nun ähnliche Getränke ¿ diesmal als weinhaltige Getränke zum Beispiel als Prosecco in Dosen, die nicht unter die Sondersteuern fallen ¿ nachgeschoben hat. Für junge Mäd-chen und Frauen sind diese bunten und süßen Getränke nach wie vor das beliebteste Getränk.
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