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Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 23.03.05
Das Osterfeuer ¿heidnischer Brauch, christliches Glaubenszeugnis oder ein Feuer wie jedes andere?
Westfalen (lwl). Am Abend des Ostersonntags (27.03.) sind sie wieder weithin zu sehen: die Osterfeuer, die seit Jahrhunderten einen Höhepunkt unter den österlichen Bräuchen bilden. Sie werden oft als Beweis für einen germanischen Ursprung des Osterfestes angeführt, nicht selten wird sogar ein Zusammenhang mit heidnisch-germanischen Sonnenkulten gesehen. ¿Das ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, vielmehr sind vor allem christliche Bezüge festzustellen¿, stellt Lutz Volmer, Volkskundler beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), fest.
Schon der älteste bekannte Beleg eines Osterfeuers aus Westfalen hatte einen christlichen Hintergrund: In Hörde in der Grafschaft Mark sollte 1342 mit dem Feuer Gott für die Erlösung von den Sünden und für die Zurückweisung des Teufels gedankt werden. Das Feuer sollte aus kirchlicher Sicht die Freude über die Auferstehung Jesu symbolisieren, man schrieb ihm auch eine erneuernde Kraft zu. Häufig spiele, so Volmer weiter, auch der Gedanke an eine Judasverbrennung eine Rolle, da nach biblischer Überlieferung Judas Jesus verrate habe. Manchmal werde daher auf dem Feuer eine Judaspuppe verbrannt.
Die Haltung der Kirche zum Osterfeuer war aber nicht frei von Konflikten. Ein Beispiel von 1646 macht die Gegensätze zwischen dem Autoritätsanspruch der Geistlichkeit und den Brauchhandlungen deutlich: Ein Pfarrer aus dem lippischen Langenholzhausen berichtet, es hätten ¿die Leuthe hierselbst eine heidnische, barbarische, ja teuflische Gewohnheit, daß sie häuffig am Heiligen Ostertage mit der Sonnen Untergang am gewissen Ortt zusamben lauffen und ein großes Fewer machen¿. Dabei sei vor allem zu beklagen, dass die Dorfbewohner ¿darumbher einer uff dem andern hüpfen, ein großes Geschrei mit ruffen, schießen, fluchen¿ machen und überdem ¿allerhand Leichtfertigkeiten treiben¿.
Als 1794 in Lippe das ¿Halten des Osterfeuers¿ vollends verboten wurde, war dies auf den ¿ letztlich vergeblichen ¿ Wunsch des lippischen Grafen zurückzuführen, jegliche Zusammenrottungen seiner Untertanen zu unterbinden. In einem Zeitungsartikel der gleichen Zeit wurde eine tiefergehende, als ¿abergläubisch und irrig¿ angesehene Bedeutung des Osterfeuers zurückgewiesen: Es sei ¿nur ein Feuer, wie jedes andere, und weiter nichts¿. Diese Meinung muss schon damals als provokativ und zugespitzt empfunden worden sein.
Typisch für die häufigen Bedeutungswandlungen und -verschiebungen der Osterfeuer ist auch die wiederholte Umdeutung des sogenannten Osterräderlaufs in Lügde (Kreis Lippe). Bei diesem außergewöhnlichen Brauch rollen große Spezialräder brennend vom sogenannten Osterberg ins Tal. Die Räder sind mit Stroh gestopft und in der Mitte durch eine lange Stange für den Lauf stabilisiert. Das Geschehen hatte sich um 1900 zu einem regelrechten Schaubrauch entwickelt, den vornehme Kurgäste aus dem benachbarten Bad Pyrmont zur Unterhaltung besuchten. In der Zeit des Nationalsozialismus wollten die Machthaber den Brauch unmissverständlich mit vermeintlichen vorchristlich-heidnischen Ursprüngen verbinden: Die Nazis beschränkten sich nicht nur darauf, auf den Rädern die Embleme und Parolen ihres Regimes anzubringen, sondern machten sogar mithilfe von Lautsprecherwagen darauf aufmerksam, dass der Brauch wie das Osterfest auf die, von dem Romantiker Jacob Grimm erfundene, Göttin Ostara zurückgehe. ¿Dies stieß im Ort jedoch auf rigorose Ablehnung. So errichteten 1935 einige Bauern auf einem privaten Grundstück des Osterberges ein weithin sichtbares Holzkreuz als Antwort auf die nationalsozialistische Vereinnahmung. Für sie stand der christliche Hintergrund des Brauches unausweichlich fest¿, so Volmer.
In den einzelnen Regionen Westfalens sahen die Osterfeuer unterschiedlich aus. Im Sauerland schichtete man eindrucksvolle, geradezu turmartige Stapel aus Brennmaterial auf, die nicht selten eine Höhe von zehn Metern erreichten und manchmal mit einem Kreuz bekrönt waren. Im Münsterland und in den übrigen nördlicheren Teilen Westfalens begnügte man sich mit eher konventionellen, kegelförmigen Holzstapeln.
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