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Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 15.09.04
Erstmals Führer über Haus Horst erschienen
Gelsenkirchen (lwl). Die Altertumskommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) hat den ersten Führer über Haus Horst in Gelsenkirchen herausgegeben. Der LWL-Archäologe Hans-Werner Peine und die Historikerin Cornelia Kneppe vom LWL schildern auf 35 Seiten mit 29 farbigen Abbildungen nicht nur die bewegte Baugeschichte eines der frühesten und prachtvollsten Renaissanceschlösser Deutschlands, sondern auch die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen.
Die Anfänge des Schlosses gehen bis ins 11. Jahrhundert zurück. Dies ergaben die Untersuchungen, die seit 1990 im Rahmen der historisch sensiblen Wiederherstellung des Schlosses durch die Stadt Gelsenkirchen auf dem Gelände stattfinden.
Demnach bestand hier im 11. Jahrhundert eine größere Hofstelle. Besonders erwähnenswert, so der Führer, ist das Wohnhaus, ein zweiräumiger Ständerbau, das neben einer Herdstelle auch mit einem Kachelofen ausgestattet war. Kachelöfen waren in dieser Zeit in Westfalen eine Neuheit und erlaubten es erstmals, Räume ohne starke Rauchentwicklung zu heizen. Bauweise, Ausstattung und Inventar des Hofes sind Anhaltspunkte dafür, dass es nicht um herkömmliche Landwirtschaft, sondern eher spezielle wirtschaftliche Aufgaben wie die Pferdehaltung im Emscherbruch ging.
Im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts wurde ein künstlicher Hügel aufgeworfen und darauf eine hölzerne Wehranlage errichtet. Neben dem Hauptgebäude und einem Torturm auf dem oberen Plateau zählten zur Bebauung des Burghügels zwei weitere Häuser auf seiner unteren Stufe. Wahrscheinlich wurde die Holzburg im Verlauf der Unruhen, die auf die Ermordung Erzbischofs Engelbert von Köln (1225) folgten, durch Brand zerstört.
Nach dem Brand wurde der Burghügel erhöht. Die alte Holz-Erde-Befestigung am Fuße des Hügels wurde durch eine steinerne Ringmauer ersetzt und in der Mitte des erhöhten Hügelplateaus ein fes-tes Haus bzw. ein Wohnturm errichtet. Aus den Fußbodenhorizonten des Wohnturmes wurden vor allem Sachgüter des 14./15. Jahrhunderts geborgen. Mit dieser Burganlage, der eine kleine Freiheit vorgelagert war, konnten sich die Herren von Horst 1412 einer Eingliederung in das erzbischöfliche Vest Recklinghausen erfolgreich widersetzen.
Spätestens in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert hatte Horst eine Kapelle, die die Archäologen auf der Vorburg zusammen mit zugehörigem Kirchhof ausgegraben haben. Im ältesten Chor der mehrphasigen Kirche fanden sich zwei leicht versetzt übereinander eingetiefte Gräber in zentraler Lage. Bei ihnen dürfte es sich um Grabstellen des Horster Geschlechtes handeln, vermutlich um den Kirchenstifter und eine(n) Verwandte(n). Obwohl die Kapelle bis um 1600 der Pfarrei Gladbeck unterstellt war, wurden bei ihr bereits im späten Mittelalter auch die Leute der Siedlung Horst bestattet. Ein Geistlicher wird 1295 erstmals erwähnt.
Am Wohnturm wie auch an der Kirche baute man bis zum Brand von 1554 mit Backstein an. So wurde die Kirche eingewölbt, der Wohnturm erweitert, ein Kloakenanbau kam dazu. Vervollständigt wurde dieses Ensemble weiter durch einen zweigeschossigen Backsteinbau und einen Rundturm. Die im Bereich der alten Gräfte auf Pfahlfundamenten errichteten Gebäude ummantelten vor allem im Süd-osten und -westen den alten Burghügel. 1554 wurde die Hauptburg durch Brand zerstört.
1547 gelangte Rutger von der Horst (1519-1582) durch Erbteilung in den alleinigen Besitz der Burg und entschloss sich nach deren Zerstörung zum Bau eines der frühesten und prachtvollsten Renaissanceschlösser Deutschlands. Eine vorteilhafte Heirat, erfolgreiche Handelsverbindungen und sein gesellschaftlicher Aufstieg im Dienst des kölnischen Landesherrn ermöglichten und erforderten den repräsentativen Wohnsitz.
Zwei mehrgeschossigen Gebäuden im Norden an der Eingangs- und Schauseite entsprachen nach Süden hin zwei schmale und eingeschossige Flügel. Das architektonische Konzept erschloss erstmalig in Westfalen die einzelnen Innenräume der beiden mehrstöckigen Hauptflügel nach dem Vorbild italienischer Palazzoarchitektur durch hofseitig vorgelagerte Galerien.
Zur außergewöhnlich reichen bauplastischen Gestaltung der Fassaden und Innenräume zog Rutger namhafte Künstler und Bildhauer aus dem deutsch-niederländischen Grenzgebiet hinzu.
Hans-Werner Peine/Cornelia Kneppe, Haus Horst im Emscherbruch, Stadt Gelsenkirchen. Frühe Burgen in Westfalen 21. Münster (2004).
ISSN: 0939-4745; 2 ¿
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