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Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 29.06.04
"Die Helden der Arbeit": Propaganda in Sandstein
LWL zeigt zum Jubiläum seines Industriemuseums "Schätze der Arbeit"
Dortmund (lwl). Mit einer großen Ausstellung feiert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in diesem Jahr das 25-jährige Bestehen des Westfälischen Industriemuseums (WIM). Mehr als 250.000 Objekte hat das Museum in dieser Zeit zusammengetragen - ein Gedächtnis der Region: Die Objekte liefern einmalige Einblicke in die Arbeits- und Alltagsgeschichte der Industrialisierung. Das Spektrum reicht vom Abortkübel bis zur Dampflok, von der Glasmacherpfeife bis zum Henkelmann. Nur ein Bruchteil der Stücke ist normalerweise in den Dauerausstellungen an den acht Standorten des Museums für die Öffentlichkeit zugänglich. Zum Jubiläum packt das Westfälische Industriemuseum sein Lager aus und zeigt ab dem 20. Juni in der Zentrale auf der Zeche Zollern II/IV in Dortmund rund 500 "Schätze der
Arbeit". In einer Serie stellt der LWL die originellsten, ältesten und bedeutsamsten Exponate der Ausstellung vor.
Das Sandsteinrelief "Bergmann, Soldat, Hüttenmann"
So hat sich der Diktator sein Volk vorgestellt: als eine Ansammlung von Arbeiterhelden und mutigen Kämpfern. Die Kunst war im Nationalsozialismus ein beliebtes Mittel, um Ideologien zu transportieren. So auch die propagandistische Bauplastik "Bergmann, Soldat, Hüttenmann" von 1939.
Überlebensgroß ragten diese drei Figuren an der Fassade eines Dortmunder Kasernengebäudes auf, bis sie 1997 beim Abbruch der Kaserne zerlegt und dem Westfälischen Industriemuseum übergeben wurden. Mehr als 50 Jahre lang erinnerte die Sandsteinplastik am Westfalendamm/Ecke Nussbaumweg an Deutschlands dunkle Geschichte und Dortmunds Status als Garnisonsstadt.
Das monumentale Relief ist ein typisches Beispiel für Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus: der Mann als Held der Arbeit mit einer kräftigen Statur, der schwere körperliche Arbeit verrichten kann. Die Arbeit als solche erklärte der Nationalsozialismus für heilig, solange sie dem Wohle des ganzen Volkes diente. Der Mensch, der sie voller Pflichterfüllung ausübte, war fleißig, stark und kritiklos - Teil einer Kette, die das Dritte Reich verband. Deshalb sind die Arbeiterhelden in der Kunst des Nationalsozialismus auch keine Individuen, sondern immer nur Typen. Der einzelne Arbeiter tritt hinter die Arbeit an sich zurück.
Die monumentale Plastik "Bergmann, Soldat, Hüttenmann" zeigt noch mehr: Hitlers Ideologie von der Kameradschaft aller Arbeitenden und Kämpfenden. "Das Wandrelief inszeniert die ,Volksgemeinschaft' von Soldaten und Arbeiterhelden", erklärt Anja Kuhn, wissenschaftliche Referentin des LWL-Industriemuseums. Dass der Soldat in der Mitte der Gruppe steht, drückt seine Vormachtstellung aus, den Führungsanspruch des Militärs. "Er schützt die Arbeiter, ist Garant für Sicherheit und Ordnung."
Neben Bauern waren Bergleute und Stahlarbeiter beliebte Motive in der nationalsozialistischen Kunst. Auf diesem Weg sollte die für Rüstung und Krieg so wichtige Schwerindustrie ins rechte Licht gerückt werden. Damit waren die Künstler in Dortmund am richtigen Ort: Die Stadt hatte sich vor dem Ersten Weltkrieg zu einem der wichtigsten Standorte der Industriewirtschaft im Deutschen Reich entwickelt. Ab 1937 spürte Dortmund die intensiven Kriegsvorbereitungen: Die Produktion im Bergbau und der Stahl- und Eisenindustrie stieg stark an, gleichzeitig sank die Zahl der Arbeitslosen rapide. Nur sechs Jahre später musste die Stadt dafür büßen. Die Alliierten stuften Dortmund als eine der "Rüstungsschmieden" im Ruhrgebiet ein und bombardierten die Stadt in mehreren Großangriffen. Im März 1945 war der Stadtkern zu 95 Prozent zerstört.
Geschaffen wurde das Wandrelief von dem Münchener Bildhauer Georg Friedrich Hartje, unterstützt von Alois Pendl. Hartje wohnte seit 1926 in Dortmund und arbeitete für öffentliche Auftraggeber. Seine Arbeiten aus den 30er Jahren sind ganz dem Nationalsozialismus verpflichtet.
Schätze der Arbeit
25 Jahre Westfälisches Industriemuseum
20. Juni bis 12. September 2004
Zeche Zollern II/IV, Grubenweg 5,
Dortmund-Bövinghausen
Geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr
Eintrittspreise: Erwachsene: 3,50 ¿, ermäßigt: 2,10 ¿, Familienkarte: 8 ¿
www.industriemuseum.de
Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
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