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Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 14.04.04
Erwachsenetaufe in hellen Gewändern gab dem 'Weißen Sonntag' den Namen ¿ LWL-Bildband geht der Bedeutung der Frömmigkeit nach
Westfalen (lwl). Der Sonntag nach Ostern (18.4.) ist in den katholisch geprägten Gegenden Westfalens als ¿Weißer Sonntag¿ bekannt. ¿Diese Bezeichnung stammt wohl daher, dass an diesem Tag in vielen katholischen Kirchengemeinden die Erstkommunion gefeiert wird, bei der die Mädchen heute weiße Kleider tragen. Der Name erinnert vielmehr an den altchristlichen Taufritus in der Osternacht. Zu diesem Anlass kleideten sich die Getauften mit weißen Gewändern, die sie eine Woche lang zu jedem Gottesdienst trugen. Als die Erwachsenentaufe längst abgeschafft war, blieb der Begriff ¿Weißer Sonntag¿ im Sprachgebrauch erhalten¿, erklärt Dr. Jutta Nunes Matias, Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
Seit dem 17. Jahrhundert feiern viele Gemeinden am ¿Weißen Sonntag¿ die Erstkommunion. Bei der Kommunionfeier empfangen die Kinder erstmals die Eucharistie und werden dadurch in die Mahlgemeinschaft der katholischen Kirche aufgenommen. Bis um 1900 war die Erstkommunion ein rein kirchliches Fest, erst danach wurde sie auch privat gefeiert. Ein wichtiges Element der Erstkommunion ist die Kleidung der Mädchen: ¿Sie richtet sich nach der Brautmode und hat sich im Laufe der Zeit mit ihr geändert. Bis in die Zeit um 1930 trugen sowohl die Mädchen bei der der Erstkommunion als auch die Bräute noch lange dunkle Kleider¿, so Nunes Matias.
Diese Entwicklung hat Christine Aka, Mitglied der Volkskundlichen Kommission des LWL in ihrem vor kurzem erschienenen Bildband ¿Nicht nur sonntags. Vom Leben mit dem Glauben 1880 ¿ 1960¿ dokumentiert. In dem Buch, das die neue Reihe ¿Alltagsgeschichte in Bildern¿ eröffnet hat, zeigt Aka nicht nur den Wandel der Kommunionkleidermode sie geht auch auf die zahlreichen Pflichten der Kinder ein, die nach ihrer Erstkommunion regelmäßig den Gottesdienst besuchen und auch an verschiedenen Andachten, Betstunden, Bußübungen, Kreuzwegen und Wallfahrten teilnehmen mussten. Dazu gehörte auch die regelmäßige Beichte: ¿Nach der Gewissenserforschung anhand der zehn Gebote kamen die Kinder oft zu dem Schluss: ¿Genascht, gelogen, gezankt ¿ und fertig.¿ Wenn ihnen der Priester zu viele Gebete als Buße auferlegte, ging der eine oder andere in einem anderen Beichtstuhl noch einmal beichten ¿ vielleicht gab es da ja weniger Buße¿, so Aka.
In ihrem Buch wirft Aka einen Blick auf den alltäglich gelebten Glauben der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern. Sie berichtet von frommen Kindern und wallfahrenden Familien, von Prozessionnen und einsamen Betern und vom religiösen Brauchtum zwischen Geburt und Tod. ¿Ein Dorf oder eine Stadt ohne Kirchtürme kann man sich in unserer Region ebensowenig vorstellen wie einen Weg ohne Kreuz. Über Frömmigkeit wird aber trotzdem kaum geredet, Kirche, Religion und Gott sind nicht nur unmodern, sondern geradezu tabu. Wer allerdings die traditionell wichtige Rolle der christlichen Religion in unserer Gesellschaft nicht zu Kenntnis nimmt, kann die vielen Bildstöcke, Kapellen und Kreuze nicht einordnen, die Bilder in alten Häusern und öffentlichen Gebäuden nicht mehr lesen und die Normen und Werte, das Denken und Handeln seiner Eltern und Großeltern nicht verstehen¿, erklärt Aka, warum sie sich dem Thema wissenschaftlich genähert hat.
Nicht nur sonntags. Vom Leben mit dem Glauben 1880 ¿1960.
Von Christine Aka
Band 1 der Reihe Alltagsgeschichte in Bildern
Herausgegeben von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen
120 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 3-7843-3233-1
Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon 0251 591-235
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