URL dieser Seite: https://www.lwl.org/pm13982
Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 19.03.04
Abschied von den Katastrophen?
75 Jahre Westfälisches Institut für Regionalgeschichte
Münster (lwl). Seit 75 Jahren erforscht das Westfälische Institut für Regionalgeschichte in unterschiedlichen Projekten die Geschichte von Land und Leuten in Westfalen. Der Landschaftsverband Westfalen Lippe feierte das Jubiläum seines Forschungsinstitutes mit einem Festakt und einen Symposium am Donnerstag (18.03.) und Freitag (19.03.) in Münster. Mit Professor Ulrich Herbert von der Universität Freiburg hielt einer der profiliertesten Vertreter der aktuellen deutschen Zeitgeschichtsschreibung den Festvortrag zum Thema ¿Abschied von den Katastrophen? Entwicklung und Perspektiven der deutschen Zeitgeschichtsforschung¿.
¿Das Westfälische Institut für Regionalgeschichte hat beispielsweise bei seinem Psychiatrie-Projekt innovativen Forschungsdrang bewiesen: Unsere Historiker haben untersucht, wie sowohl unsere westfälischen Heil- und Pflegeanstalten wie auch die im münsterschen Landeshaus angesiedelte Verwaltung des LWL-Vorgängers in die nationalsozialistische Sterilisations- und Euthanasie-Politik eingebunden waren. Damit hat das Institut einen wichtigen Beitrag zu einem lange vernachlässigten Feld der Erinnerungskultur geleistet. Als konkrete Ergebnisse haben wir Mahnmale in unseren Kliniken errichtet und sind in einen für mich erschütternden Dialog mit noch lebenden Opfern der Sterilisation eingetreten¿, nannte LWL-Direktor Wolfgang Schäfer ein Beispiel für die Arbeit der Historiker.
Das LWL-Institut für Regionalgeschichte wurde vor 75 Jahren am 15. März 1929 als Provinzialinstitut für Westfälische Landes- und Volkskunde gegründet. Bis in die 1950er Jahre setzte es in der Kulturraumforschung Maßstäbe und legte grundlegende Arbeiten zur Geographie und Geschichte Westfalens vor.
In den 1980er Jahren zeigte sich ein Nachholbedarf an zeithistorischer Forschung, in der die Katastrophen der Geschichte ¿ vor allem die der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ¿ aufgearbeitet werden mussten. Hierbei wurden zum einen die Sozial- und die Zeitgeschichte zunehmend miteinander verknüpft, zum anderen setzte ein ¿Trend zur regionalen Differenzierung¿ ein. ¿Die Wechselwirkungen von Politik und Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft ließen sich am Beispiel und im Vergleich überschaubarer Räume sehr viel schärfer und präziser bestimmen als auf der makrohistorischen Ebene¿, erklärte Prof. Dr. Karl Teppe, LWL-Kulturdezernent und ehemaliger langjähriger Leiter des Westfälischen Instituts für Regionalgeschichte.
Heute konzentriert sich die Arbeit der LWL-und 1960, die Geschichte von Konsum und Massenkultur, die kommunale Neugliederung der 1960er und 1970er Jahre oder die kulturellen und gesellschaftlichen Folgen von ¿1968". Die 20 Mitarbeiter sind bereit, ¿noch manches Tor zu öffnen, um neue Dimensionen westfälischer Regionalgeschichte zu erschließen¿, so Professor Dr. Bernd Walter, seit 1999 Leiter des Westfälischen Instituts für Regionalgeschichte, ¿sie machen sich der Chancen und Erkenntnismöglichkeiten bewusst, die in der regionalhistorischen Forschung liegen. ¿Das LWL-Institut will seine Forschungsergebnisse in Zukunft noch leichter zugänglich machen, indem es im Sommer das Internet-Portal ¿Westfälische Geschichte¿ startet.
Regionalgeschichte: Was ist das eigentlich? Eine eigenständige Disziplin oder eine Methode? Wie ist das Selbstverständnis? Wie kann zwischen strukturellen und kulturellen Dimensionen, zwischen
Makro- und Mikrogeschichte vermittelt werden?
Das LWL-Institut sucht diese und andere Fragen innerhalb eines wissenschaftlichen Symposiums am Freitag (19. März) im Westfälischen Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte in Münster zu klären. Redner zu Perspektiven und zur Bestandsaufnahme von Regionalgeschichte waren unter anderem Dr. Reiner Praß aus Erfurt, der über die ¿Regionalhistorische Forschung in sozial- und kulturhistorischer Perspektive¿ ¿ von der ¿Alphabetisierung¿ zur ¿Schriftkultur¿ referierte, und Professor Dr. Bernd Schönemann aus Dortmund, der den Zusammenhang zwischen Regionalgeschichte und Geschichtskultur darlegte. Seine Grundthese: Regionen und Geschichtskulturen sind keine natürlich vorhandenen Phänomene, sondern historische und soziale Konstrukte mit einer langen Eigengeschichte. Aufgabe der modernen Regionalgeschichtsforschung sei es, diese Konstrukte analytisch zu erfassen und lesbar zu machen.
Achtung Redaktionen --- Achtung Redaktionen --- Achtung Redaktionen
Die Reden von LWL-Direktor Wolfgang Schäfer, LWL-Kulturdezernent Prof. Dr. Karl Teppe und Prof. Dr. Bernd Walter (Leiter des Westfälischen Instituts für Regionalgeschichte) senden wir Ihnen gerne auf Anfrage zu.
Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen