URL dieser Seite: https://www.lwl.org/pm13612
Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 04.07.03
LWL-Sammelband ¿Zwischen Himmel und Erde" stellt weibliche Lebensentwürfe vor - Klöster waren keine Versorgungsinstitute für adelige Fräulein
Westfalen (lwl). In der Vergangenheit galten die Frauen als das ¿schwache Geschlecht", erst recht in der mittelalterlichen Kirche traut man ihnen aus heutiger Sicht überhaupt keinen Gestaltungsraum zu. Mit diesem modernen Vorurteil räumt der soeben erschienene Sammelband ¿Zwischen Himmel und Erde" zum Teil auf: "Nicht nur mit einem Zeitvorsprung von über 100 Jahren übernahmen in Westfalen die Frauenklöster die Vorherrschaft gegenüber den Männerklöstern. Sie waren ihnen bis zur Reformation auch zahlenmäßig und in der Vielfalt ihrer religiösen
Ausrichtung überlegen", nennt Herausgeberin Christa Paschert-Engelke überraschende Felder weiblicher Dominanz.
Die Aufsatzsammlung, die die Erfahrungen von Frauen behandelt, die zwischen dem späten Mittelalter und heute mit klösterlichem Leben in Berührung gekommen sind, ist als zehnter Band in der Reihe "Forum Regionalgeschichte" des Ardey-Verlages und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) erschienen. Dem Gedanken, dass sich Geschichte nicht nur in den großen Zentren abspielt(e), sondern jeder Ort seine eigene bedeutsame Geschichte aufweist, trägt das LWL-Institut für Regionalgeschichte mit dieser Reihe Rechnung.
Der Sammelband ist das Ergebnis eines vom Verein zur Förderung der Frauenerwerbstätigkeit im Kreis Warendorf (VFFE e.V.) 2002 durchgeführten ¿Salongesprächs" in der ehemaligen Abtei Freckenhorst. Er knüpft nahtlos an das dezentrale Kultur- und Ausstellungsprojekt "Vom Krummstab zum Adler - Säkularisation in Westfalen 1803 - 2003" an, mit dem LWL und die NRW-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege an die großen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Folgen erinnern, die die Aufhebung der Klöster und Fürstbistümer für die westfälische Landesgeschichte hatte.
Die sechs Autorinnen des Bandes widmen sich den Biografien von adeligen und bürgerlichen Frauen, Äbtissinnen und Schwestern, Lehrerinnen und Schriftstellerinnen, die an verschiedenen Orten Westfalens gewirkt haben. Sie fragen, in welcher Weise diese Frauen einerseits Macht und Einfluss ausübten und andererseits weltlichen und kirchlichen Vorgaben unterworfen waren. Dabei räumt Gisela Muschiols, deren Beitrag einen Überblick über die Frauenklöster in Westfalen vom Mittelalter bis 1803 liefert, mit dem Vorurteil auf, mittelalterliche Klöster seien lediglich Versorgungsinstitute für unverheiratete adelige Damen gewesen: "Das ist wohl mehr ein Ergebnis männlichen historischen Denkens des 19. Jahrhunderts als tatsächlich ein
Eintrittgrund für Frauen. Die mittelalterlichen Nonnen waren zwar keine Vorläuferinnen der Emanzipation, aber für sie stand an erster Stelle der Wunsch, ihren geistlichen und frommen Lebensentwurf umzusetzen", so die Theologin und Historikerin.
Ute Küppers-Braun erläutert am Beispiel dreier ausgewählter Stiftsdamen das Leben adeliger Frauen in freiweltlichen Damenstiften nach der Reformation. Für diesen Aufsatz hat die Autorin vor allem die überlieferten Briefe und andere Selbstzeugnisse der Äbtissinnen ausgewertet. Edeltraut Klueting porträtiert ausführlich Leben und Werk der baufreudigen Äbtissin des Klosters Freckenhorst, Clara Francisca von Westerholt.
Wie einschneidend die Zäsur der Säkularisation auf die einzelnen klösterlichen Gemeinschaften gewirkt hat, lässt sich am Beispiel verschiedener Biografien des 19. Jahrhunderts ablesen. Paschert-Engelke beschreibt in ihrem Beitrag "Stiftsfräulein - ein Lebensentwurf" die Beziehungen Annette von Droste-Hülshoffs zum Stift Freckenhorst und gibt dazu Einblicke in das Stiftsleben im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert.
Barbara Stambolis setzt sich kritisch mit dem überlieferten Bild der Dichterin Luise Hensel auseinander. In ihrem Beitrag entwirft sie die Skizze einer außerhalb von Ehe und klösterlicher Gemeinschaft lebenden Frau, die darum kämpft, ihren eigenen - zeituntypischen - Lebensentwurf verwirklichen zu können. Abgerundet wird die Aufsatzsammlung durch einen persönlichen Erlebnisbericht "aus erster Hand": Schwester Mirjam Ellinger, Benediktinerin im Kloster Vinnenberg, vermittelt einen Eindruck vom klösterlichen Leben in der heutigen Zeit und schildert die zukünftigen Perspektiven des unter Nachwuchsmangel leidenden Klosters.
Christa Paschert-Engelke (Hg.): Zwischen Himmel und Erde.
Weibliche Lebensentwürfe und Lebenswelten in Westfalen vom Mittelalter bis in die Gegenwart
(Forum Regionalgeschichte 10). Ardey-Verlag Münster 2003.
92 Seiten, kart., ¿ 9,90, ISBN 3-87023-082-7
3658 Zeichen
Pressekontakt: Markus Fischer, Telefon: 0251 591-235
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen