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Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 26.11.02
Nach Schiffstransport in drei Teilen:
Ruhrnachen geht auf Zeche Nachtigall 'vor Anker'
Witten (lwl). Zwei Jahre lang haben Jugendliche im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnah-me auf der Mülheimer Bootswerft Hesse am ¿Ruhrnachen¿ für das Westfälische Industriemuseum Zeche Nachtigall gebaut. Jetzt geht das Projekt ¿ eine Kooperation der Fachstelle Beschäftigungsförderung der Stadt Mülheim und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ¿ dem Ende entgegen.
Drei Sattelschlepper brachten die Rekonstruktion des Kohlenschiffes, die nach Originalplä-nen von 1840 entstand, in der Nacht zu Dienstag (26.11.) nach Witten. Auf dem LWL-Museumsgelände an der Muttentalstraße wurde das insgesamt 35 Meter lange Exponat aus Eiche und Fichte am Morgen auf das Fundament gesetzt und zusammengefügt. Die Bootsbauer müssen jetzt noch die fehlenden Verbindungs-Planken mit geschmiedeten Schiffsnägeln annageln. Knapp eine halbe Tonne dieser in England hergestellten Spezialnägel mit vier Kanten halten den Nachen zusammen. Fehlt zum Schluss der 19 Meter hohe Mast: ein Lärchenstamm, der bis zum letzten Jahr im Mülheimer Stadtforst stand.
Danach übernimmt das Aufbauteam vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das Ruder, denn bis zur Museumseröffnung am 10. Mai 2003 ist noch vieles zu tun. Um den Ruhrnachen in der passenden Umgebung zu präsentieren, ensteht auf dem Außengelände in den nächsten Monaten eine Wasserlandschaft mit Anlegestelle. Der Ruhrnachen soll später auf Stützen einige Zentimeter über dem Wasser schweben. Die Inszenierung und eine Ausstellung an Bord werden einen lebendigen Eindruck von der Kohlenschifffahrt auf der Ruhr vermitteln. Ein Flussmodell, an dem Besucher ausprobieren können, wie die Ruhr durch Mühlenwehre und Schleusen reguliert und schiffbar gemacht wurde, und ein Wasserspielplatz für junge Besucher ergänzen den Ausstellungsbereich.
¿Die Ruhr war zwischen 1780 und 1870 der wichtigste Absatzweg für die Steinkohle aus den Zechen im Ruhrtal. Über 800.000 Tonnen wurden Mitte des 19. Jahrhunderts jährlich auf dem Fluss transportiert. Als die Eisenbahn kam und der Bergbau weiter nach Norden wanderte, verlor dieser Transportweg jedoch an Bedeutung. 1890 befuhr das letzte Schiff den Oberlauf der Ruhr¿, erklärt Dr. Olaf Schmidt-Rutsch vom LWL-Industriemuseum. Heute zeugen vor allem zahlreiche Schleusen von der Geschichte dieser einst wichtigen Wasserstraße.
Das typische Ruhrschiff war der sogenannte ¿Nachen¿. Dieses Segelschiff entstammt einer Bautradition, die im gesamten Einzugsbereich des Rheins, von den Niederlanden bis zum Neckar, weit verbreitet war. Mit Strömung und Wind gelangte die Fracht flussabwärts in etwa drei Tagen von Witten nach Mülheim, in ungekehrter Richtung mussten die Schiffe zumeist mit Muskel- und Pferdestärken ¿getreidelt¿ (gezogen) werden ¿ die Reise dauerte dann gut sechs Tage.
Obwohl der Ruhrnachen auf zahlreichen zeitgenössischen Bildern und durch einige Modelle überliefert ist, war bis vor kurzem wenig über seine Konstruktion und seine Benutzung auf der Ruhr bekannt. Erst gründliche Recherchen der LWL-Museumsmitarbeiter brachten neue Erkenntnisse zu Tage, die in die Rekonstruktion einflossen.
Das Gelände der Zeche Nachtigall ist in mehrfacher Hinsicht ein idealer Ort, um das Thema Kohlenschifffahrt wieder lebendig zu machen: das ehemalige Bergwerk liegt in unmittelbarer Nähe zur Ruhr. Wenige Schritte vom Museumsgelände entfernt findet der Besucher die Reste der zecheneigenen ¿Kohlenniederlage¿ - eines Lagerplatzes, auf dem die Förderkohle bis zum Abtransport zwischengelagert wurde. ¿Das dauerte manchmal monatelang, wenn Niedrigwasser oder Eis die Schiffe matt setzten¿, weiß Olaf Schmidt-Rutsch. Auch zeitlich passen Zeche und der Nachen aus der Zeit um 1840 gut zusammen: Nachdem Nachtigall im Jahr 1832 vom Stollenbau zum Tiefbau übergegangen war, erlebte sie eine Blütezeit und gehörte in den 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts zu den leistungsfähigsten Zechen des Ruhrtales.
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