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Presse-Infos | Der LWL

Mitteilung vom 25.10.02

'Zerbrochen sind die Fesseln des Schlendrians':
Ausstellung des LWL-Landesmuseums zeigt Westfalens Aufbruch in die Moderne


Münster (lwl). Grün ist die Publikation, der Internetauftritt und nicht zuletzt auch der Ballon auf dem Logo. Grün ist auch die Hoffnung, der Aufbruch, der Neubeginn aus dem Alten. Die Ausstellung "Zerbrochen sind die Fesseln des Schlendrians", die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) vom 27. Oktober bis zum 16. März in seinem Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster zeigt, handelt von Westfalen um 1800: Eine Region im Aufbruch, die als Teil der europäischen Landschaft gerade in dieser Zeit vielen Anregungen, Reibungen und Neuerungen ausgesetzt war. Die Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution, die Impulse des napoleonischen Frankreich und des Großbritanniens der Industrialisierung und nicht zuletzt die Säkularisation von 1803, die die geistlicher Herrschaft aufhob und die politische Landkarte neu ordnete, sowie die enormen Umwälzungen auf fast allen Gebieten des täglichen Lebens ¿ sie alle führten Westfalen in die Moderne.

"Vor 200 Jahren begann eine bewegte Phase der Umbrüche und Aufbrüche, die in die neue bürgerliche Gesellschaft mündete. Ein einschneidendes Ereignis in dieser Entwicklung war die Säkularisation. An dieses wichtige Datum erinnern der Landschaftsverband und die NRW-Stiftung mit dem Geschichtsprojekt ¿Vom Krummstab zum Adler'. Unsere Ausstellung ist Auftakt und zentrale Veranstaltung dieses Projektes. Im kommenden Jahr gibt es westfalenweit über 300 Veranstaltungen zum Thema, die wir noch in einem Veranstaltungskalender vorstellen werden", sagte Prof. Dr. Karl Teppe, LWL-Kulturdezernent am Donnerstag (24.10.) in Münster.
¿Die Fesseln des Schlendrians sind zerbrochen¿, verkündete zum ¿Saeculartage¿ 1801 der Westfälische Anzeiger: ¿An die Stelle der trägen Behaglichkeit im alten, ungeprüften Geleise und bei ergrauten Vorurtheilen ist ein allgemeines Streben und Treiben und Wirken getreten.¿ Die Aufbruchstimmung der Zeit um 1800 wird deutlich: Am Ende dieser Zeit existierte erstmals ein Westfalen als politisch-administrative Einheit, als Provinz des Großstaates Preußen. Der Wandel erfasste alle Bereiche: die Kirche, die Verwaltung, den Agrarsektor, Handel und Gewerbe, Familie und Geselligkeit, Schule und Universität, Recht und Verfassung. Frühindustrielle Prozesse im Bergbau, den ersten Einsatz von Dampfmaschinen thematisiert die Ausstellung ebenso wie den Westfälischen Provinziallandtag, die Einrichtung von Feuerversicherungen oder die Gründung der ¿Westfälischen Provinzial-Hülfskasse¿ (1830), der späteren Landesbank.

Die Ausstellung zeigt die Verfassungsurkunde des Königreiches Westfalen, die die erste moderne Verfassung auf deutschem Boden war, den Ausbau des Post- und Wegenetzes, die Verbesserungen medizinischer Versorgung. Neue Formen sozialer Bindung und Geselligkeit und die Herausbildung bürgerlicher Öffentlichkeit sind zentral für diese Zeitenwende und werden über Vereine ¿ vom geselligen Klub über die kulturelle Vereinigung (Kunst-, Altertums- oder Musikverein) und den Schützenverein bis zur korporativen Verbindung eines ¿Vereins der Kaufmannschaft¿ anschaulich inszeniert.

Der Ausstellung geht es um die aktuelle Perspektive: In jüngster Zeit fragen Skeptiker, ob Westfalen in absehbarer Zeit überhaupt noch existiert. Auf der anderen Seite erleben die Regionen im zusammenwachsenden Europa ein starkes Interesse. Wichtige Modernisierungsprozesse sind angesprochen, die schon um 1800 den tiefgreifenden Wandel von der Stände- zur bürgerlichen, modernen Gesellschaft prägten. Die Bezüge zwischen den Anfängen der Moderne um 1800 und ihrem häufig zitierten ¿Ende¿ sind vielfältig. Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Demokratisierung, Partizipation als Möglichkeit zur Mitgestaltung und Kontrolle, erfreuen sich heute als Formeln europäischer Identitätsbildung allgemeiner Zustimmung, waren aber bereits Forderungen der Zeit um 1800.


Anhand von insgesamt 800 Exponaten, Alltagszeugnissen, hochkarätigen Kunstwerken und auto-biographischen Reiseberichten, will die LWL-Ausstellung Lebenswelten von Männern wie Frauen erzählen und zugleich aktuelle Fragen thematisieren: die Neubewertung von Bildung und sozialer Mobilität, regionale Identität, neue Kommunikationsformen und technische Innovationen, Experimentierfreudigkeit und Veränderungen der Arbeitswelt durch Maschinen und freien Arbeitsmarkt, die veränderte Rolle der Kirche in der Gesellschaft, die Forderungen nach Gleichheit vor dem Gesetz und politischer Partizipation, die Polarisierung der Geschlechter, die neuen Raum- und Zeiterfahrungen etwa durch die Eisenbahn oder die ersten Heißluftballone. Die Originalobjekte werden ergänzt durch Ton-, Video- und Computerinstallationen. ¿Eine Herausforderung für die Ausstellungsgestaltung stellt der Versuch dar, die Umbruchzeit in eine ästhetische Dimension zu transformieren, dabei den neuesten fachwissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen und doch zugleich eine breites Publikum - mit unterschiedlichen Kenntnissen und Interessen - zu erreichen.¿, so Prof. Dr. Klaus Bußmann, Direktor des Westfälischen Landesmuseums. Dafür habe das LWL-Landesmuseum den renommierten Ausstellungsdesigner Klaus-Jürgen Sembach aus München gewonnen. Ihm sei es gelungen, dem Besucher nicht nur eine informative, sondern auch eine ebenso eindrücklich-intensive wie augen-zwinkernd-vergnügliche Zeitreise zu bescheren.

Die Publikation
Die ausstellungsbegleitende Publikation (350 Seiten, 750, meist farbige Abbildungen) kostet 29 Euro.

Das Begleitprogramm

Details im Internet unter den Adressen www.fesseln-des-schlendrians.de und www.saekularisation-westfalen.de.





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Pressekontakt:
Markus Fischer, Telefon: 0251 591-235 und Dr. Daniel Müller Hofstede, Telefon: 0221 5907-168 oder -220
presse@lwl.org



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.



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Napoléon Bonaparte auf der Brücke von Arcole, nach 1797, Öl auf Leinwand
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Sitzmöbel waren Insignien von Macht und Herrschaft: Der Richterstuhl des Hohenlimburger Bürgermeisters (1779), der Thron der Äbtissin des Walburisklosters Soest (15. Jahrhundert) und der Faltstuhl des letzten Erzbischofs und Kurfürsten von Köln, Maximilian Franz (1784 ¿ 1790) aus der Propsteikirche Arnsberg, der als Accessoire auf einem Herrscherporträt gezeigt wird, stehen in der Ausstellung für die Zeit vor der Modernisierung Westfalens.
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Stanhope-Druckerpresse aus Iserlohn, um 1830/40.
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Dieser multifunktionaler Bibliothekslesestuhl (um 1815) sollte dem Leser mit seinem sattelförmigen, auch rittlings benutzbaren Sitz, einem verschiebbaren Bücherpult , zwei Fächer für Feder und Tinte sowie den Messing-Kerzenhaltern größtmögliche Bequemlichkeit bieten.
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Huldigung des Volkes an König Jérôme Napoléon in Gegenwart von Hof, Ministern und Reichsständen vor der Orangerie in Kassel, um 1808/1813, Öl auf Leinwand. Dass das Bild unvollendet blieb, erscheint wie eine Metapher auf die napoleonischen Modellstaaten in Westfalen.
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Die gezeigten Fotos stehen im Presseforum des Landschaftsverbandes zum Download bereit.



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