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Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 27.06.02
LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte zeigt Kupferstiche zum 500. Geburtstag Heinrich Aldegrevers
Münster (lwl). Heinrich Aldegrever ¿ in Paderborn 1502 geboren, in Soest zu Anerkennung und künstlerischem Erfolg gelangt ¿ war in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der bedeutendste Kupferstecher Nordwestdeutschlands. Aus Anlass seines 500. Geburtstages zeigt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe vom 30. Juni bis 8. September in seinem Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster eine umfangreiche Auswahl seines graphischen Werkes. Es bildet einen Schwerpunkt innerhalb der Graphik-Sammlung des Museums, das von den ca. 300 Kupferstichen Aldegrevers 260 Blätter besitzt.
Die Kupferstiche Heinrich Aldegrevers spiegeln in ihrer Themenwahl, die durch den Humanismus und die Antike geprägten neuen künstlerischen Leitwerte der Renaissance ebenso wider wie die Erschütterungen, die die Glaubensspaltung in der Zeit hinterließ. Hierbei wurde die Technik des Kupferstichs, durch die - gemessen am Holzschnitt - eine um ein vielfaches erhöhte Auflage eines Blattes erreicht werden, vor allem im deutschsprachigen Raum zu einem ¿Massenmedium¿ der Zeit. In ihm fand nicht nur ein neues Kunstverständnis Ausdruck und einen hohen Verbreitungsgrad, sondern es wurde auch - häufig verstärkt durch die Kombination von Bild und Wort ¿ zu einem Mittel der religiösen und politischen Auseinandersetzung.
So wählte Aldegrever, der als Bürger der 1531 protestantisch gewordenen Stadt Soest früh ein überzeugter Anhänger des neuen Glaubens wurde, bei seinen Bildfolgen zum Alten und Neuen Testament solche aus, die als moralische Lehrstücke für ein sittlich richtiges Leben im Sinne von Luthers Bibelinterpretation stehen. Zu diesem pädagogischen Impuls in den Szenen zur Lazarusgeschichte oder dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter gesellen sich pamphlethaft drastische Darstellungen, die die Missstände innerhalb der katholischen Kirche anprangern. Hierzu zählen etwa Aldegrevers Totentanzfolge und sein berühmtes Blatt, in dem sich ein Mönch und eine Nonne in umissverständlicher Umarmung begegnen.
In vergleichbarem, wenngleich auch moderaterem Sinnzusammenhang, steht auch die 14 Blätter umfassende Folge der ¿Tugenden und Laster¿, die sich an den Betrachter mit der Aufforderung wendet, in einem tugendvollen Leben die Laster zu besiegen. Die Modellierung dieser allegorischen Figuren und ihre Umhüllung mit großen Stoffbahnen, unter denen sich die Körperformen deutlich abheben und breite, helle Flächen mit einer Fülle kleinteiliger Knitterfalten abwechseln, erinnert an antike Statuen. Diese am Formenkanon der Antike und den zeitgenössischen Proportionslehren, die vor allem auch Studien am nackten Körper einschlossen, orientierten Darstellungen entfaltet Aldegrever virtuos in den Blättern zu Themen aus der römischen Historie und griechischen Mythologie.
Eine kulturhistorisch interessante Studie zur eigenen Zeit lieferte er mit der Folge der ¿Hochzeitstänzer¿, in der sich auf 14 Blättern ausgesucht gekleidete und geschmückte patrizischen Paare im gemessenen Tanzschritt bewegen.
Aldegrevers gesamtes Schaffen bleibt Zeit seines Lebens einem künstlerischen Leitstern verpflichtet ¿ dem Vorbild Albrecht Dürer ¿, dessen graphische Bildwelt für ihn zu einem Fundus wird, den er in freier oder motivisch sehr enger Anlehnung in seine Graphik einfließen lässt. Als Hommage an Dürer gestaltet Aldegrever sein Monogramm in augentäuschender Analogie zu dem des großen süddeutschen Künstlers.
Wie dieser wurde auch der Westfale vom Porträt, dem neuen Bildthema des 16. Jahrhunderts, angezogen und schuf mit seinen beiden Selbstbildnissen einen bemerkenswerten, frühen Beitrag zur Geschichte des Künstlerbildnisses. Sein spektakulärster Bildnisauftrag, der ihn endgültig über die Grenzen der Region bekannt machen sollte, weist ihm die Rolle des Bildjournalisten oder Gerichtsreporters zu. Es sind die beiden in den folgenden Jahrhunderten oft kopierten Bildnisstiche von Jan van Leyden und Bernt Knipperdolling. Sie waren die Anführer der Täufer in Münster, einer radikalreformerischen Religions- und Sozialbewegung, die 1534/35 die Stadt Münster in ihre Gewalt brachte. Nach deren Rückeroberung durch den Bischof ließ dieser die Hauptprotagonisten von Aldegrever im Stich porträtieren, bevor ihnen der mit Verhängung der Todesstrafe endende Prozeß gemacht wurde.
Besondere Bedeutung erlangte Aldegrever als Ornamentstecher - etwa ein Drittel des Oeuvres wird von Ornamentstichen eingenommen. Es sind Vorlageblätter, die zu einem Teil Entwürfe für Schmuck, Besteck und Waffen zeigen und für Goldschmiede gedacht waren; ein anderer Teil besteht aus meist symmetrisch aufgebauten, rein ornamentalen Entwürfen zur Ausschmückung unterschiedlicher kunsthandwerklicher Gegenstände. In den Ornamentstichen entwickelt der vielseitige Künstler die italienische Renaissanceornamentik phantasievoll weiter und lässt in den späteren Blättern manieristische Stilelemente einfließen. Eine Besonderheit sind seine von starker Bewegung und Räumlichkeit geprägten Friese mit nackten Kindergestalten.
Zur Ausstellung erscheint ein Bildheft mit einer umfangreichen Auswahl der Kupferstiche des LWL-Landesmuseums.
Heinrich Aldegrever - Kupferstiche
Aus der Sammlung des Westfälischen Landesmuseums zum
500. Geburtstag des Künstlers
30. Juni bis 8. September 2002, Öffnungszeiten: Täglich außer Montag 10 - 18 Uhr
Eintritt: 2.60 ¿, Ermäßigungen bitte erfragen
ca. 6076 Anschläge
Pressekontakt:
Dr. Daniel Müller Hofstede, Telefon: 0251 5907-168
Markus Fischer, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
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