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Presse-Infos | Der LWL

Mitteilung vom 17.06.02

Kunsthistorikerin auf den Spuren alter Adelsgeschlechter
Behinderte Wissenschaftlerin arbeitet im LWL-Archivamt


Münster (lwl). Simone Epking ist es gewohnt, sich durch Berge von Akten zu arbeiten. Denn die Kunsthistorikern hat über mittelalterliche und frühneuzeitliche Altäre in Florenz promoviert und dafür viele alte Urkunden und Manuskripte in florentinischen Archiven entziffert. Das Studium historischer Schriften macht ihr Spaß - inzwischen auch beruflich. Heute bestimmen Archivalien den Großteil ihrer Arbeit. Dr. Epking arbeitet seit fast zwei Jahren beim Westfälischen Archivamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) und erschließt dort den Bestand eines Adelsarchives.

Dass die Wissenschaftlerin sich im Westfälischen Archivamt so wohl fühlt, hat aber nicht nur mit ihrer Arbeit zu tun. In der LWL-Einrichtung trifft Simone Epking auf keine Barrieren, die ihr das Leben als Rollstuhlfahrerin schwer machen. Außerdem sind die Kollegen "offen und interessiert", das Arbeitsklima sei sehr gut. Keine Selbstverständlichkeit, wie die Kunsthistorikerin aus eigener Erfahrung weiß. Seit ihrer frühen Kindheit ist sie spastisch gelähmt.

Die Lähmung äußert sich darin, dass die 35jährige unter Koordinationsproblemen leidet und unter anderem ihre Hände nicht so gut bewegen kann. Doch dank einiger technischer Hilfsmittel kann sie ohne Beeinträchtigung arbeiten: Eine spezielle PC-Tastatur mit großen Feldern und tiefer gestellten Tasten gibt ihr Sicherheit beim Schreiben auf dem Computer.

Die Aufgabe der Kunsthistorikerin im LWL-Archivamt ist es, ein privates Adelsarchiv zu erschließen. Eine trockene Materie? "Keineswegs", meint Simone Epking. Denn während sie die Akten aus vergangenen Jahrhunderten liest, verzeichnet und ein Register erstellt, stößt sie mitunter auch auf lebendige Alltagsgeschichte. "Als ich die Quittungen und Rechnungen des Freiherrenhauses katalogisiert habe, wusste ich, was die Familie im 18. Jahrhunderten gekauft hat", erzählt die Münsteranerin. Eines Tages fielen ihr sogar kleine Stoffproben in die Hände. So konnte sie anhand der Rechnungen erschließen, welche Kleider die Damen des Hauses getragen haben.

Jahrzehntelang lag die Arbeit an den rund 3000 Akten dieses westfälischen Adelsarchivs brach, weil kein Mitarbeiter Zeit dafür fand. Dabei bietet das Archiv insgesamt Dokumente vom 13. bis zum 20. Jahrhundert und damit eine nahezu lückenlose Überlieferung der Geschichte eines Adelsgeschlechts. "Das gibt es so gut wie nie und dürfte für die Forschung sehr interessant sein", so die Einschätzung der Mitarbeiterin. Denn in den Adelsarchiven liegen Urkunden und Dokumente, die für die westfälische Geschichte grundlegend sind. "Die Geschichte von Westfalen vor 1800 ließe sich ohne die Adelsarchive nicht schreiben."

Deshalb sei die Arbeit von Simone Epking so wichtig. Das betont auch der Leiter des Westfälischen Archivamtes, Dr. Norbert Reimann: "Dr. Epking leistet eine ganz wertvolle Arbeit für uns. Außerdem hat sie hier einen Arbeitsplatz, an dem sie trotz ihrer Behinderung vollwertige Arbeit leistet." Allerdings läuft ihre Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Ende August aus. Nun hofft das Team des Archivamtes, Simone Epking dort langfristig beschäftigen zu können. "Es gibt noch andere Archivbestände, die wir noch nicht erschlossen haben." Diese Arbeit würde auf Dauer dazu führen, dass die über 100 privaten Archive in Westfalen-Lippe für wissenschaftliche Zwecke besser genutzt werden könnten.

Simone Epking blickt optimistisch in die Zukunft. Das ist eine Lebenseinstellung, die sie sich im Lau-fe der Jahre erarbeitet hat. Sie ist Sopranistin, singt unter anderem im Kammerchor der Universität, spricht mehrere Sprachen, darunter Italienisch und Russisch, und hat an der Europaratsausstellung zum Jubiläum "350 Jahre Westfälischer Friede" mitgearbeitet. Das alles mache sie nicht trotz ihrer Behinderung, sondern mit ihr. Fehlt nur noch der feste Job. "Mir ist es wichtig, in das normale Arbeitsleben integriert zu werden."







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Foto zur Mitteilung
Dr. Simone Epking arbeitet im LWL-Archivamt. Dank technischer Hilfsmittel kann sie dort ohne Beeinträchtigung arbeiten.
Foto: LWL



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