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Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 14.06.02
Bocholts Weg in die Industrialisierung begann mit acht PS
'Fuckepott'-neue Ausstellung im LWL -Textilmuseum
Bocholt (lwl). "Fuckepott" - so hieß vor 150 Jahren im Westmünsterland ein beliebtes Instrument, mit dem die Menschen bei Festen ordentlich Krach machten. Es bestand aus einem Einmachtopf mit einer übergezogenen Schweinsblase. Ein eingestecktes Schilfrohr brachte den Topf zum Brummen. An dieses Instrument fühlten sich die Bocholter erinnert, als 1852 die erste Dampfmaschine die Baumwollspinnerei von August Cornelius Tangerding mit Lärm erfüllte.
"Fuckepott" nannten sie fortan die neuartigen Ungetüme, die in immer mehr Textilfirmen eingesetzt wurden. An den Beginn des Industriezeitalters erinnert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) jetzt in seinem Textilmuseum in Bocholt. "Fuckepott - Bocholts Weg in die Industrialisierung" heißt eine neue Ausstellung, die am Sonntag, 16. Juni, mit viel Dampf eröffnet wird und bis zum 1. September läuft.
In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Bocholt führt das Westfälische Industriemuseum in der Schau durch gut 100 Jahre Gewerbe- und Industriegeschichte - von den vor- und frühindustriellen Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg. In dieser Zeit wuchs Bocholt von einer kleinen Landstadt zu einem der bedeutendsten Standorte der deutschen Textilindustrie an. "Nahezu 10.000 Menschen verdienten hier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihr Brot als Spinner, Weber, Bleicher, Färber oder Drucker in zeitweise über 60 Betrieben", erzählt Dr. Arnold Lassotta vom Westfälischen Industriemuseum. Dabei fing alles ganz bescheiden an: Die Wiege der Bocholter Textilindustrie war ein kleiner Winkelbau an der Werther Straße und bot Raum für eine Balancierdampfmaschine von nur acht PS, die Dampfkesselanlage und die eigentliche Spinnerei mit einer einzigen Transmissionswelle zum Antrieb von 15 Maschinen. "Dem Unternehmen war keine glorreiche Zukunft beschieden; es teilte damit das Schicksal vieler Pionierbetriebe", so Lassotta. Weitaus erfolgreicher war die Spinnerei Driessen, die 1857 als erster großer Industriebetrieb der Stadt mit einer 40-PS-Maschine die Produktion aufnahm - und erst 120 Jahre später wieder einstellte.
Mit einer Vielzahl von Exponaten zeichnet die Ausstellung den Weg Bocholts in die Industrialisierung nach: Spinnrad und Handwebstuhl stehen für die handwerklichen Grundlagen; Dampfmaschinenmodelle und der Nachbau einer hölzernen Spinnmaschine aus der Frühzeit der neuen Technik markieren den technologischen Wandel als Voraussetzung für den Weg ins Industriezeitalter.
Akten der städtischen Behörden und frühe Abbildungen auf Briefbögen zeigen längst in Vergessenheit geratene Fabriken. Zeugnisse zum Arbeiterwohnungsbau und zur betrieblichen Krankenversorgung erinnern an soziales Engagement der Unternehmer. Streikakten belegen, dass die stürmische Entwicklung nicht ohne Arbeitskämpfe ablief.
Beispiele aus einer Mustersammlung zur Bocholter Deckenweberei zeigen die hohe Qualität dieses bis heute bedeutenden Bocholter Produkts. Ein abschließender Ausstellungsbereich gibt Einblick in die heutige Produktion.
Am Eröffnungstag und in den folgenden Monaten erwartet die Besucher ein interessantes Begleitprogramm mit Führungen, Stadtrundgängen, einer Exkursion und Familiensonntagen mit Aktionen für Erwachsene und Kinder. Pünktlich zur Ausstellungseröffnung ist auch der neue industriegeschichtliche Stadtplan fertig, den das Westfälische Industriemuseum anlässlich des Jubiläums herausgibt. Mit dem Plan können Besucher auf eigene Faust den Spuren der Textilgeschichte Bocholts folgen.
Das Programm im Einzelnen:
So, 16. Juni
11 Uhr
Eröffnung derAusstellung mit Vorführung
stationärer und mobiler Dampfmaschinen,
teilweise zum Mitfahren (Foto)
14 und 15.30 Uhr
Führungen durch dieSonderausstellung
14 und 15.30 Uhr
Für Kinder:
Experimente mit Feuer
und Wasser unter dem Motto "Wat is en Dampfmaschin?"
Sa, 29. Juni
15 Uhr
Geführter Stadtrundgang zur Industriegeschichte Bocholts
(mit dem Fahrrad), Anmeldung erforderlich
So, 7. Juli, 18. August, 1. September
14 Uhr Führung durch das Textilmuseum
15.30 Uhr Führung durch die Sonderausstellung
15.30 Uhr Für Kinder: Experimente mit Feuer und Wasser unter dem Motto "Wat is en Dampfmaschin?"n Dampfmaschin?"
So, 1. September
11 Uhr
Geführter Stadtrundgang zur Industriegeschichte Bocholts
(mit dem Fahrrad); Anmeldung erforderlich
So, 22. September
8.30-19 Uhr
Exkursion: Dem Dampf auf der Spur. Fahrt zur Luisenhütte in Balve-Woklum und zum Westfälischen Freilichtmuseum Hagen des LWL (Kooperation mit der Volkshochschule Bocholt-Rhede-Isselburg), Anmeldung erforderlich
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
Das Presseforum des Landschaftsverbandes im Internet: https://www.lwl.org/pressemitteilungen