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Presse-Infos | Der LWL
Mitteilung vom 19.10.01
Die Welt einfach nicht mehr verstehen
Schizophrene Psychosen zählt zu den häufigsten psychischen Krankheiten Immer noch Vorurteile
Paderborn (lwl) - Sie fühlen sich unverstanden oder verfolgt, kapseln sich von ihrer Umwelt ab und ziehen sich mehr und mehr in eine eigene Welt, eine Art von Privatwirklichkeit, zurück. Die Persönlichkeit von Menschen, die an einer schizophrenen Psychose erkrankt sind, ist zersplittert. Die Wahrnehmung wird ¿verrückt¿. Fühlen und Handeln, Erleben und
Denken bilden keine Einheit mehr. ¿Erst wenn die Signale eskalieren, nimmt die Umwelt des Erkrankten wahr, dass es sich um eine psychische Störung handeln kann", erklärt Dr. Bernward Vieten, Leitender Arzt des Westfälischen Zentrums für Psychiatrie und Psychotherapie Paderborn (WZPP). ¿Und Schizophrenie ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern. Sie kann bei demselben Patienten zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich verlaufen. Man spricht deshalb auch nicht von `der Schizophrenie', sondern von Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis¿, so Vieten weiter. Als Ursachen gelten unter anderem eine erbliche Vorbelastung, traumatische Erlebnisse und außergewöhnliche Empfindlichkeit für Reize als Folge einer Störung der Informationsverarbeitung.
Stabilität mit Sektorstationen
In Paderborn hat man speziell für die Gruppe der Patientinnen und Patienten mit schizophrenen Störungen ein Konzept entwickelt, dass Angehörigen wie Erkrankten helfen soll, die Frühwarnzeichen zu erkennen und rechtzeitig darauf zu reagieren. Hat eine Patientin oder ein Patient z.B. im Kontakt zu anderen Menschen besondere Probleme mit der Regulierung von Nähe und Distanz, zielt die Therapie darauf ab, den Erkrankten zu bestärken, bei Beziehungen seine eigenen Grenzen kennenzulernen. ¿Wir sehen die Patienten nicht isoliert von ihrer Umwelt, sondern versuchen, Biografie und beispielsweise auch Beruf und Arbeitsplatz bei der Heilung miteinzubeziehen. Wir schauen genau hin, welche Umstände stabilisierende Wirkung haben und welche sich eher destabilisierend auswirken¿, erläutert der Leitende Arzt. Zum Therapieplan gehören ebenso Ergo- und Bewegungstherapie, Medikation und sozial- und psychotherapeu-tische Behandlung. Damit Patienten oder Patientinnen auch bei einer Wiederaufnahme eine vertraute, beständige Umgebung vorfinden, hat die LWL-Klinik in Paderborn so genannte Sektorstationen eingerichtet. Die drei möglichst offen geführten Stationen bedienen jeweils einen festen Teilbereich des Einzugsbereichs der Klinik. ¿Mit dem Vorteil, dass Patienten nicht durch neue Reize überfordert werden und an einmal geschlossene Kontakte zum Pflegepersonal anknüpfen können¿, legt Vieten dar.
Krankheitsverlauf ist ungewiss
Schizophrene Erkrankungen sind nicht selten. Zirka ein Prozent der Bevölkerung ist betroffen. Allein 25 bis 30 Prozent der in Paderborn eingelieferten Patienten leiden unter schizophrenen Psychosen. Über den Krankheitsverlauf gibt es inzwischen viele Studien mit gesicherten Erkenntnissen. Einzelne Erkrankte werden nur ein- oder zweimal in ihrem Leben von schizophrenen Symptomen angegriffen. Andere kämpfen mit langen Krankheitsprozessen oder schubweisem Voranschreiten. ¿Zwei Drittel der Patientinnen und Patienten verlassen unsere Klinik mit sehr guten bis befriedigenden Werten¿, kommentiert der Klinikchef. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren stetig verbessert.
Verzerrtes öffentliches Bild
Nicht wesentlich verändert hat sich dagegen das negative Bild von Schizophrenie in der Öffentlichkeit. ¿Wir legen Wert darauf, besonders jungen Menschen die Vorurteile gegenüber psychiatrischen Krankheiten zu nehmen¿, erklärt Vieten. Das WZPP bietet unter anderem Führungen für Schülergruppen an. Kulturelle Veranstaltungen, zu denen auch Bürgerinnen und Bürger eingeladen werden, sind ein weiterer Schritt, das verzerrte Bild in der Öffentlichkeit zu ändern. ¿Bislang¿, bedauert Vieten, ¿leider noch mit geringem Erfolg.¿
Informationen
Westfälisches Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie Paderborn
Agathastraße 1
33098 Paderborn
Tel.: (0 52 51) 2 95 ¿ 0
Fax: (0 52 51) 2 95 ¿ 3 00
Aufgabe: Behandelt werden alle Formen seelischer Erkrankungen wie Psychosen und Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, körperlich begründbare psychische Erkrankungen, Suchterkrankungen und psychische Störungen im Alter
Plätze: 261 voll- und teilstationäre
Versorgungsgebiet: Kreis Paderborn, Stadt Geseke
Zur Sache
Welche Anzeichen weisen auf eine schizophrene Psychose hin? Folgende Merkmale können Anhaltspunkte geben. Allerdings ist das Krankheitsbild Schizophrenie nicht immer klar abgrenzbar. Symptome einer Schizophrenie können sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar machen. Verlässliche Diagnosen sind deshalb nur über einen Facharzt zu erfahren.
¿ Störung der äußeren Wahrnehmung, z. B. Licht- und Farbüberempfindlichkeit
¿ Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Gerüchen und Geschmack
¿ Veränderung des Zeiterlebens
¿ Veränderung in der Stimmung:
Vermehrte Angst und Unruhe oder nicht nachvollziehbare Heiterkeit
¿ Äußerungen darüber, sich völlig unverstanden und verfolgt zu fühlen
¿ Zunehmender Rückzug in eine eigene Welt
ca. 5127 Anschläge
Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon 0251 / 591-235
presse@lwl.org
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