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Mitteilung vom 14.11.01

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Doppeljubiläum (1) '175 Jahre Westfalenparlament, 100 Jahre Landeshaus

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Westfalen (lwl). Am Mittwoch (14.11.) feiert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sowohl die 175jährige Geschichte seines "Westfalenparlamentes" als auch die 100jährige Existenz seines Parlamentssitzes, des Landeshauses Westfalen-Lippe in Münster.

Die Geschichte begann vor 175 Jahren: Am 29. Oktober 1826 eröffnete der Oberpräsident und Landtagskommissar Freiherr von Vincke den 1. Westfälischen Provinziallandtag im Schloß zu Münster. Damit erhielt Westfalen erstmals eine politische Gesamtvertretung, die lediglich zwischen 1933 und 1950 gleich fünf mal ihren Namen änderte, ehe sie 1953 ihre heute gültige Bezeichnung, Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe erhielt.

1901 wurde der Vorgängerbau des heutigen Landeshauses am Rande der Innenstadt von Münster fertiggestellt. 2001 gibt es daher ein Doppeljubiläum zu feiern: sowohl die 175jährige Geschichte des Westfalenparlamentes als auch die 100jährige Existenz des Parlamentssitzes des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).


Auf dem Weg zum Westfalenparlament
Mit den preußischen Reformen und der Gestaltung der regionalen Selbstverwaltung ist eng der Name des Freiherr vom Stein verbunden. Bereits im Mai 1826 war er zum Landtagsmarschall, dem Vorsitzenden des Provinziallandtages ernannt worden. Über den 1. Provinziallandtag urteilte er: "Unser Landständisches Institut hat sich nützlich bewährt, viele Angelegenheiten sind mit Ernst und großem Fleiß behandelt und beraten [worden...]. Es ist eine mit Interesse und Unbefangenheit beratende und vorstellende Behörde, aber es ist in seiner Kindheit, bedarf Leitung und Entwicklung."

Hingegen wetterte 1841 Annette von Droste Hülshoff: "Gutsbesitzer - Kaufmann - Städter - Jeder stimmt für sein Interesse, so machen sie sich einander kaputt, und das Resultat ist, daß Alle mit gleicher langer Nase abziehn". Besonders ihren adeligen Standesgenossen warf die Dichterin fehlende Kooperationsbereitschaft vor: "Man ist jetzt am Regulieren der Jagdgerechtigkeiten, und Wernern [gemeint ist ihr Bruder] stehen die Haare zu Berge vor Wichtigkeit. - Das ist Alles ganz gut, man soll sich Nichts nehmen lassen, aber ich wollte, die Herren dächten auch zuweilen an
allgemeinere Landesinteressen, - es empört den Bürger- und Bauernstand, daß sie, auf den letzten Landtagen, Nichts als ihre Jagdgeschichten haben zur Sprache kommen lassen, weder Schulen, Pfarreyen noch Sonstiges"(1844).

Das Dilemma wird offensichtlich: Trotz formaler Gleichstellung blieb in der Gesellschaft die ständische Aufteilung in Bauern, Bürger und Adel noch lange spürbar und der Provinziallandtag besaß nur geringe Möglichkeiten, gestalterisch tätig zu werden. Für die Provinz bestimmte Gesetze konnten lediglich begutachtet und beraten sowie Petitionen und Beschwerden, die die Provinz betrafen, an den König gerichtet werden.

Mochte die Droste ansprechen, was ihrem Bruder wichtig war, so einseitig kann die Arbeit im westfälischen Provinziallandtag nicht gewesen sein. Zum Beispiel hatte 1831 der Abgeordnete Friedrich Harkort den Bau einer Lippe-Weser-Eisenbahn beantragt: Im selben Jahr veranlaßten mangelnde Fortschritte im staatlichen Chauseebau Freiherr vom Stein, eine Mitwirkung der Stände am Straßenbau und der Straßenunterhaltung zu beantragen, die 1875 dann tatsächlich erfolgte. Ein Jahr später wurde die Viehseuchenkasse eingeführt, womit nach 50 Jahren endlich auch ein Vorschlag bereits des 1. Provinziallandtages umgesetzt werden konnte.

In den 1870er Jahren kamen weiterhin zu den Aufgaben der Provinz die gesamte Sozialpflege, die Provinzial-Feuersozietät und die Provinzial-Hilfskasse - Vorläufer der Westdeutschen Landesbank.

Seit 1842 gewährleistete ein von den Abgeordneten gewählter "Ständeausschuß" - quasi der Vor-gänger des LWL-Landschaftsausschusses - eine kontinuierliche Arbeit und überbrückte die zumeist zweijährige Spanne zwischen den Landtagen. Neben dem Wunsch nach eigenen Räumlichkeiten in repräsentativem Rahmen kam die Notwendig-keit der Unterbringung einer anwachsenden Verwaltung. 1855 wurde nach langem Drängen den Provinzialständen am Domplatz in Münster die Kurie der Domdechanei überlassen und an dieser Stelle das Ende 1862 fertiggestellte so genannte Ständehaus errichtet. Der strenge, fast quadratische Bau mit Ecktürmchen und Formen der romantischen Neugotik blieb ein Fremdkörper am Domplatz, sollte aber 25 Jahre ausreichend Platz bieten.

Das Recht auf Selbstverwaltung
Eine neue Qualität der Selbstverwaltung wurde mit der Provinzialordnung vom 1. August 1886 erreicht, die den Dualismus von staatlichem Verwaltungsbezirk (der Provinz) und kommunalem Selbstverwaltungskörper (dem Provinzialverband) einführte. Das in der Provinzialordnung festgeschriebene Recht des Kommunalverbandes auf Selbstverwaltung provinzieller Aufgaben durch die gewählten Organe Provinziallandtag, Provinzialausschuß und Provinzialbeamte, deren oberster der Landeshauptmann war, hat die späteren politischen Änderungen überdauert und wurde 1953 in die Landschaftsverbandsordnung übernommen.

Zum ersten Landeshauptmann wurde August Overweg gewählt, der sich vor allem Verdienste um die innere Organisation der Provinzialverwaltung erwarb. Die Beratungen des neuen Provinziallandtages waren nunmehr bis auf wenige Ausnahmen öffentlich, ein Zeichen zunehmender Bürgernähe.

Viele Aufgaben, wenig Platz
Mit der Übernahme weiterer Zuständigkeiten und der Festschreibung des Rechtes auf Selbstverwaltung kommunaler Aufgaben entstand in kürzester Zeit weiterer großer Raumbedarf. Dieser konnte durch Erweiterungen in Münsters Innenstadt nur unzureichend aufgefangen werden. Am 29. Februar 1896 beschloss daher der Provinziallandtag den Neubau eines Landeshauses auf einem Grundstück vor dem Mauritztor in Münster. 27 Entwürfe waren das Ergebnis des ausgelobten Wettbewerbs. Im Februar 1897 fiel die Entscheidung zugunsten der Vorstellungen der Architekten Klingenberg und Weber aus Oldenburg und Bremen. Wesentliche Teile der Pläne wurden dennoch umgearbeitet und die Bauausführung dem Landesrat für Hochbau übertragen.

Baubeginn war Anfang März 1898 und im Sommer 1901 wurden die Innenarbeiten abgeschlossen. Mit der Schlüsselübergabe für den Sitzungssaal wurde das Landeshaus am 12. Oktober 1901 feierlich eingeweiht.

Das "Rathaus von Westfalen"
Im Grunde bestand das Landeshaus aus zwei Gebäuden: Dem repräsentativen, nahezu kubischen Bau mit der Hauptfront zur Warendorfer Straße und dem über die einspringende Südwestecke mit Verwaltungszugang angegliederten langgestreckten Verwaltungsbau entlang der Fürstenbergstraße. Dieser enthielt auch die Dienstwohnung des Landeshauptmannes. Mit den Stilelementen der Neorenaissance passte sich der Gebäudekomplex durchaus seiner Umgebung an. Die Hauptfassade wurde bestimmt durch den Zentralgiebel, flankiert von zwei kupfergedeckten Türmen und geprägt im Untergeschoß von der Unterfahrt mit der breiten Zugangstreppe. Etwa auf halber Höhe des Giebels waren die Wappen der ehemals neun selbständigen Landesteile angebracht, aus denen die Provinz Westfalen zusammengewachsen ist. Dieser Gebäudeschmuck hat dazu beigetragen, das Landeshaus auch das "Rathaus von Westfalen" zu nennen.

Besonders erwähnt wurden an dem Gebäude das Vermeiden von Höfen, wodurch alle Zimmer Tageslicht und Frischluft erhielten, die Warmwasserheizung mit zentraler Kesselanlage und die Tatsache, dass sämtliche Räume über elektrisches Licht verfügten. Lichthof und Sitzungssaal wurden durch Oberlicht erhellt. Den Sitzungssaal erreichten die Abgeordneten über eine mächtige Granittreppe, die bald "Beamtenlaufbahn" genannt wurde. Die Gesamtaufwendungen für den Bau des Landeshauses betrugen 1,7 Millionen Mark.

Auch die Landesbank war zunächst im Landeshaus untergebracht. Namentlich der Tresorraum war bald zu klein, und so bezog bereits im Frühsommer 1910 die Landesbank ein eigenes, neu errichtetes Gebäude in Münster.

Weimar und Nationalsozialismus
Durch die neue Verfassung von 1919/20 wurde in der Weimarer Republik die provinzielle Selbstverwaltung demokratisiert und ihre Stellung im Staat gestärkt. Da passive Wahlrecht wurde stark ausgeweitet. Durch die Neuwahlen im September 1919 gelangten erstmals sozialdemokratische Abgeordnete in den Provinziallandtag. Dass der Landeshauptmann noch wenige Jahre zuvor Mitgliedsbeiträge an den "Reichsverband gegen die Sozialdemokratie" zahlte, läßt die politischen Spannungen dieser Zeit erahnen. Bei den folgenden Wahlen im Februar 1921 eroberten erstmals drei Frauen einen Platz im Proviallandtag.

Mit Beginn der Nationalsozialistischen Diktatur wurde die regionale Selbstverwaltung beseitigt. Das Landeshaus erlitt durch Bomben im Oktober 1943 schwere Schäden.

Nach 1945 begannen in Westfalen die Bemühungen zur Wiederherstellung der landschaftlichen Selbstverwaltung, ausgehend vor allem von dem am 2. Juni 1945 von der britischen Militärregierung zum Landeshauptmann ernannten Landesrat Bernhard Salzmann und der westfälischen Provinzialverwaltung.

Der Landschaftsverband entsteht
Bereits im Juni 1946 regte die Stadt Bielefeld einen Beirat der Stadt- und Landkreise zur Beratung der Provinzialverwaltung an. Aus der von Salzmann im Oktober 1946 einberufenen Versammlung westfälischer Oberbürgermeister, Landräte und Oberkreisdirektoren entwickelte sich ein Gremium der Stadt- und Landkreise, das sich am 26. April 1948 als sogenannter Vorläufiger Ausschuß der Provinzialverwaltung konstituierte und im Juli 1949 schließlich durch den Innenminister als Beratender Ausschuß des Provinzialverbandes de facto anerkannt wurde. Vehement forderten dieser Ausschuß, die Provinzialverwaltung unter Führung von Landeshaupt-mann Salzmann und zahlreiche Politiker eine gesetzliche Grundlage für die landschaftliche Selbstverwaltung. Unterstützung erhielten sie dabei von den kommunalen, wirtschaftlichen und karitativen Spitzenverbänden sowie den führenden Parteien nicht nur in Westfalen. Es dauerte jedoch bis zum Mai 1953, bis die Landschaftsverbandsordnung nach mehreren Verzögerungen und der Auseinandersetzung um Einzelheiten und Formulierungen unter der Landesregierung Arnold verabschiedet werden konnte. Dabei erhielt sie im Landtag die überwältigende Zustimmung nahezu aller Parteien.
Die Landschaftsverbandsordnung trat zum 1.10.1953 in Kraft, und bereits am 4. November kam die Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe als Vertreterversammlung der Stadt- und Landkreise in diesem Raum des wiedererrichteten und neugestalteten Landeshauses zusammen.

Parallel zu dem politischen Bemühen um den Wiederaufbau einer kommunalen Selbstverwaltung stand der Wille zur Wiedererrichtung des Landeshauses. War zur Jahrhundertwende vor allem die Gestaltung der Fassade des alten Landeshauses als Ausdruck des Formenreichtum deutscher Re-naissance gerühmt worden, so wurde nun "die Erneuerung von Torsen aus einer wirklich stillosen Epoche selbstverständlich und grundsätzlich abgelehnt".

Obgleich alte Bausubstanz genutzt werden sollte, wurde also die noch weitgehend erhaltene Fassade des alten Landeshauses abgerissen. An die Stelle des Repräsentativen sollte das Schlichte treten, unzweckmäßiger Pomp der nützlichen Einfachheit weichen.

Bei identischer Bauhöhe entstand das neue Landeshaus mit vier Stockwerken, vergrößerte sich die Nutzfläche von knapp 5.000 auf fast 6.500 Quadratmeter. Architekt war Werner March, der sich nach den Kriegswirren in Minden niedergelassen hatte und dort an Wiederaufbauprojekten wie dem Dom und dem Rathaus beteiligt war. March entstammte der Speer-Schule und sein bekanntestes Werk ist sicherlich das Reichssportfeld mit Olympiastadion und
Olympischem Dorf in Berlin.

Hier ist wohl die Wurzel zu suchen, dass Kunsthistoriker heute in der Architektur des Landeshauses den Geist der dreißiger und vierziger Jahre fortleben sehen, nur ins Biedere gewendet, während die Erbauer als Richtschnur ihrer Arbeit "Wahrheit, Einfachheit und Gediegenheit" sahen, in der Verwendung von rotbraunem Ziegel und Fensterrahmungen aus Sandstein eine Reminizenz an den Baumeister des westfälischen Barocks, Conrad Schlaun.

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Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Telefon 0251 / 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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