[WestG] [AKT] In Westfalen brachte frueher nicht nur Meister Lampe die Eier
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Die Apr 11 11:58:45 CEST 2006
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 11.04.2006, 10:39
AKTUELL
In Westfalen brachte früher nicht nur Meister Lampe die Eier
Der Ostersonntag ist heute der Tag, an dem der Osterhase
bunte Eier bringt und für die Kinder im Garten oder in der
Wohnung versteckt. Das war aber noch nicht immer so, weiß
Dr. Lutz Volmer, Volkskundler beim Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL) in Münster.
"Die Westfalen haben um 1900 oft ganz anders Ostern gefeiert.
Oft gab es sehr schlichte Osterfeste, dabei stellte die Hausfrau
eine Schüssel mit Eiern auf den Tisch, und das war es auch schon."
Das eigentliche Ereignis bildete die Mahlzeit mit den zahlreichen
Eiern. Besonders münsterländische Bauern haben um 1900 am
Osterfest eine aus heutiger Sicht bemerkenswert große Zahl Eier
gegessen, oft fünf bis zehn Stück. "Manchmal soll es beim
Kirchenbesuch zu Blähungen gekommen sein", kennt Volmer eine
negative Begleiterscheinung des Osterfests. So viele Eier zu essen
war nicht alltäglich, obwohl fast jeder Haushalt Hühner hatte. Die
Hühnerbesitzer haben die Eier meist nicht selbst verspeist, sondern
verkauft.
Die Ursprünge des Osterhasenbrauches liegen in evangelischen
Familien des 17. Jahrhunderts. Die heutigen Vorstellungen von
Ostern finden sich bereits in einer Schrift des Mediziners Georg
Franck aus der Pfalz. Dort ist von "Haseneiern" die Rede: Diese
hießen so "nach der Fabel, die man den Naiveren und den Kindern
einprägt, dass der Osterhase solche Eier lege und in den Gärten im
Grase, in den Obststräuchern usw. verstecke, damit sie von den
Knaben um so eifriger gesucht würden". Der Arzt wusste * passend
zu den Gebräuchen im Münsterland * auch von Todesfällen durch
übermäßigen Eierkonsum zu berichten.
"Das Beschenken mit Schokoladenhasen und -eiern ist eine Erfindung
der bürgerlich-städtischen Bevölkerung, die um 1800 aufkam. Hiermit
sollte offenbar den Stadtkindern die Herkunft der Eier erklärt werden.
Den Landkindern war die Herkunft der Eier ohnehin bekannt, ihnen
war die Geschichte vom eierlegenden Hasen nicht so einfach plausibel
zu machen", so Volmer.
Obwohl der Osterhase schon lange durch einige westfälische Gärten
hoppelte, hatte sich die Vorstellung vom ostereierlegenden und
-versteckenden Hasen in Westfalen bis 1900 noch nicht flächendeckend
durchgesetzt. Vielmehr traten an die Stelle des Hasen in einigen
Regionen oder Orten andere Tiere: Im Nordosten Westfalens und
den angrenzenden niedersächsischen Gebieten brachte außer dem
Hasen oft auch der Fuchs ("Voss") die Eier, so etwa in Bielefeld-Schildesche,
Versmold, Versmold-Bockhorst, Spenge und Kirchlengern-Südlengern.
Der Fuchs taucht ansonsten in Erzählungen und Bildern des 18. und
19. Jahrhunderts oft als Hühner- oder Wurstdieb auf. Nördlich von
Münster brachte ein Kranich die Eier; im Südwesten Westfalens wurde in
einzelnen Orten auch ganz schlicht die Henne als Urheberin der Eier
angesehen.
Die Kommerzialisierung des Osterfestes hat ein anderes Tier mehr
und mehr in den Hintergrund gedrängt: das Osterlamm. Dieses Tier
ist fester Bestandteil des christlichen Osterfestes. Es wird auf jüdischen
Ursprung zurückgeführt. Denn am Passahfest pflegten die Juden ein
Lamm zu schlachten und zu essen. Zugleich steht das Lamm stellvertretend
für Jesus Christus. ("Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt
hinwegnimmt", Johannesevangelium 1, 29). Außer im kirchlichen Bereich
nimmt das Osterlamm auch bei österlichen Speisen einen festen Platz ein:
"Lamm findet sich heute an Ostern auf dem Speiseplan vieler Menschen in
Deutschland. Außerdem gibt es aufwändig verzierte Gebildbrote in Form
eines Lammes", so Volmer.
Einen Zusammenhang zwischen Lamm und Sonnenaufgang am
Ostersonntag überliefert der Publizist von Cölln in einem Artikel des
"Westphälischen Magazins" von 1784. Dem Volksglauben nach sei das
Lamm am ersten Ostertag bei Sonnenuntergang am Himmel zu sehen
und tanze, so von Cölln. Diese Vorstellung ist nur wenig verändert noch
für die Zeit um 1900 für das Sauerland und den Minden-Ravensberger
Raum bezeugt: Zum Beispiel in Liesen (Hochsauerlandkreis) und Versmold
(Kreis Gütersloh) zeigten um 1900 viele Eltern am Ostersonntag ihren
Kindern den Sonnenaufgang und sagten, die Sonne mache an diesem
Morgen vor Freude über die Auferstehung Christi drei Freudensprünge. Da
die aufgehende Sonne durch Luftspiegelungen oft so aussah, als würde
sie sich hin und her bewegen, bedurfte es keiner besonderen Phantasie,
die Sonne wirklich tanzen zu sehen.