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Karl-Heinz Brosthaus


Karl-Heinz Brosthaus: Mit Händen oder "Mit Sinnen"?
Das Angebot für sehbehinderte und blinde Menschen im Skulpturenmuseum Glaskasten Marl

Fußnoten

1 Helen Keller (1880-1968), die im Alter von 19 Monaten erblindete, zit. nach: Hans Körner: Geschichtliches zum Thema "Der Blinde und die bildende Kunst", S. 47, in: Stadt Mainz (Hrsg.), Ein blinder Bildhauer, der Mainzer Jakob Schmitt, Mainz 1984 (Kleine Mainzer Bücherei, Bd. 16), S. 44-47

2 So äußerte der Bildhauer Ewald Mataré 1928: "...wie die Malerei durch das Auge, so sollte die Plastik durch die Hand als etwas Abtastbares wahrgenommen werden können... auch ein Blinder kann eine Plastik genießen oder... es ist keine." (Mataré zit. nach: Joachim Büchner, Vorwort, S. 7, in: Skulptur begreifen, Katalog Kunstmuseum Hannover mit Sammlung Sprengel, Hannover 1981, S. 7-8) und schon Johann Gottfried von Herder konstatierte die Bedeutung des Tastsinnes für Blinde: "Der blinde, selbst der blindgeborene Bildner wäre ein schlechter Maler, aber im Bilden gibt er dem Sehenden nicht nach und müsste ihn, gleich gegen gleich gesetzt, wahrscheinlich gar übertreffen." (Herder zit. nach: Hans Körner, a.a.O., S. 45)
Ferner belegen die Ausstellungen für sehbehinderte Museumsbesucher stets die Betonung der haptischen Wahrnehmung, was schon ihre Titel zeigen, z.B. "Skulptur begreifen 1 und 2" (Sprengel Museum, Hannover 1981 und 1989/90) oder auch "Please Touch" (British Museum, London 1983)

3 Tastausstellungen fanden in Europa seit 1949 (`Exhibition for the blind and the partially sighted´, Gallery 1, Science Museum, London) mehr oder weniger regelmäßig statt. Als die wohl wichtigsten Ausstellungen dieser Art in Deutschland gelten: `Mit den Händen sehen´, Landgrafenschloß Marburg, 1980, und die beiden von Udo Liebelt organisierten und im Sprengel Museum Hannover gezeigten Ausstellungen `Skulptur Begreifen´ der Jahre 1981 und 1989.

4 Die Produktion des `Kreisechos´ wurde 1994 offiziell durch die Kreisverwaltung Recklinghausen eingestellt; seither wird die Tonbandzeitung ausschließlich ehrenamtlich produziert.

5 Marler Zeitung vom 1.11.1979.

6 Eingehender werden konservatorische Fragen im Zusammenhang mit dem Betasten von Skulpturen behandelt in: Anne Pearson, Please Touch. An Exhibition of Animal Sculptures at the British Museum, in: The International Journal of Museum Management and Curatorship, Vol. 3, 1984, S. 373-378

7 Es ist festzuhalten, dass die Definition einer Sehbehinderung aus der subjektiven Sicht der betroffenen Person und nicht nach messbaren Werten erfolgen sollte. Sonja Baus stellt hierzu fest: "So kann z.B. eine Person, die aufgrund eines plötzlichen Sehverlustes nur noch 50% sieht, sich stärker eingeschränkt fühlen als jemand, der schon längere Zeit mit einem Sehrest von 10% lebt und sich damit arrangiert hat" (Sonja Baus, Augenblick – psychologische Aspekte von Sehbehinderung, Referat, gehalten beim Sehbehindertenbeaufttragten des Deutschen Blindenverbandes am 01.03.1997 in Valbert, zit. Nach: horus #3, 1997, Zeitschrift des Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V., www.dvbs-online.de/horus/horus397.htm, 27.02.2003)

8 Auf die Verwendung von dünnen Handschuhen wurde bewusst verzichtet, um den direkten Kontakt mit der Oberfläche und damit mit dem Material der Skulptur zu gewährleisten, gerade weil Sehbehinderte Handschuhe als Hindernis einer direkten und präzisen Erfahrung der Skulptur betrachten.

9 Zur Betrachtung der Außenskulpturen mittels der Hände – diese Art der Betrachtung wird übrigens seitens des Skulpturenmuseums Glaskasten Marl auch für Sehende als wünschenswerte Form des Begreifens von Plastik erachtet – bietet sich die wärmere Jahreszeit an, da die im Winter kalten Skulpturen das Ertasten zumindest unangenehm, wenn nicht gar unmöglich machen.

10 So war es z.B. auffällig, dass Sehende das Wort "sehen" zu Beginn des Zusammentreffens mit Blinden zu vermeiden suchten und sich während der Veranstaltung oftmals erstaunt zeigten, dass die Blinden ihre Wahrnehmung von Skulpturen als "sehen" bezeichneten. Immer wieder war festzustellen, dass die anfängliche Scheu einer lockeren Gesprächsatmosphäre wich und die Behinderung eigentlich nebensächlich wurde.

11 Vgl. z.B. Karin Maaß, "Ja, es war insgesamt sehr, sehr interessant und keinesfalls antiquarisch, wie man sich das sonst immer vorstellt im Museum...".`Behinderte Besucherinnen und Besucher an Kunstmuseen`, unveröffentlichte Abschlussarbeit des berufsbegleitenden Lehrgangs Museumskommunikation "QuamPlusPerfekt 1999-2001" an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 2002

12 Vgl. Josef Fellsches, Pädagogik der Sinne. Aussichten auf menschliche Beziehungen. Folkwang-Texte I, Beiträge zu Theorie und Kultur der Sinne, Essen 1991, bsd. S. 65-70

13 Julia Jacobi, Museumspädagogik mit und für Blinde anhand von dreidimensionalen Kunstobjekten des 20. Jahrhunderts, dargestellt am Beispiel des Skulpturenmuseums Glaskasten Marl, unveröffentlichte Diplomarbeit im Studiengang Erziehungswissenschaft, Fachbereich Sondererziehung und Rehabilitation, Dortmund 1995

14 Vgl. z.B. das `Pyrophon´ von Frédéric Kastner, das dieser in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte und das `singende Flammen´ produzierte (s. Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800 (Katalog), Zürich / Düsseldorf / Wien 1983, S. 197-199), oder das `Optophonische Klavier´ des Bildhauers Vladimir Baranoff-Rossiné, das Klang- und Lichteffekte in direkten Zusammenhang stellte und erstmals 1923 in Moskau öffentlich vorgestellt wurde. (s. Galerie Jean Chauvelin, Vladimir Baranoff-Rossiné (Katalog), Paris 1970, o.S. und Musée National d’Art Moderne, Baranoff-Rossiné (Katalog), Paris 1972, S. 17 zu Kat.-Nr. 40)

15 Vgl. Umberto Boccioni, Die futuristische Bildhauerkunst (11. April 1912), in: Christa Baumgarth, Geschichte des Futurismus, Reinbek 1966, S. 194-200, Carlo Carrá, Die Malerei der Töne, Geräusche und Gerüche (11. August 1913), in: ebda., S. 184-187 und Luigi Russolo, Die Geräuschkunst (11. März 1913), in: ebda., S. 223-225

16 Aber auch für Sehende ist die Bedeutung der Akustik bei der Rezeption von Kunstwerken nicht zu unterschätzen, wie Helga de la Motte-Haber mit Blick auf die Klangkunst feststellt: "Im Unterschied zu anderen im 20. Jahrhundert neu entstandenen Kunstgattungen... kennt die Klangkunst keine mediale Bindung. Sie ist für Augen und Ohren bestimmt, wird als tönende Skulptur raumausfüllend... das enge Wechselspiel von Augen und Ohren und ihre partielle Stellvertreterfunktion erlaubt es, an Klängen gegenständliche Qualitäten, zum Beispiel ein Volumen, eine Textur wahrzunehmen. Daher können Klänge Orte, die man glaubt mit den Augen vermessen zu können, seltsam unwirklich machen. Optische Eindrücke ihrerseits besitzen aber auch akustische Qualitäten. Selbst im Alltag sprechen wir beispielsweise von `schreienden´ Farben." (Helga de la Motte-Haber, Klangkunst, S. 10, in: Deutscher Klangkunst-Preis 2002 (Katalog), Skulpturenmuseum Glaskasten Marl, 2002, S. 10-11)