Landschaftsverband Westfalen-Lippe - 11.05.18 - 15:23 Uhr

URL: https://www.lwl.org/LWL/Kultur/fremde-impulse/die_impulse/Impuls-Gartenstadt

Arts and Crafts – Eine englische Idee im Ruhrgebiet

Als der „Bochumer Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation“ 1908 die Zeche Teutoburgia plante, stand schon fest, dass in den Bauernschaften Börnig und Holthausen nicht genügend Wohnraum für die Bergleute und ihre Familien vorhanden sein würde. Der Architekt Otto Berndt aus der Bauabteilung des Bochumer Vereins entwarf daher gleichzeitig mit der Zeche eine Arbeitersiedlung. Er plante 21 rationelle Typenhäuser und versuchte ihnen ein individuelles Gesicht zu geben, indem er vorindustrielle Handwerkstechniken zitierte und den Eindruck rationeller Serienfertigung sorgsam vermied. Auffällig sind die aufwändigen steilen Dächer und viel Fachwerk, abwechslungsreich gemischt mit Ziegel- und Putzflächen. Als die Siedlung 1923 mit damals etwa 460 Wohnungen fertiggestellt war, erinnerte die Kolonie vom Reißbrett durchaus beabsichtigt an ein malerisches Dorf. Ab 1988 wurde dieses „Dorf“ im Rahmen der IBA Emscher Park saniert.

Otto Berndt war schon vor 1900 Angestellter des Bochumer Vereins gewesen; als solcher hatte er etwa die 1903 in Bochum errichtete Jahrhunderthalle geplant. Eine wesentliche Inspiration zur Gestaltung der Teutoburgia-Siedlung hatte Berndt aus England erhalten: Mitglieder des Arts and Crafts Movement übten dort seit etwa 1860 Kritik an Industrialisierung und Verstädterung. Sie propagierten das einfache Leben in einer Arbeits- und Lebensgemeinschaft. Man baute Wohnhäuser auf dem als gesund empfundenen Land; die Gebäude gingen in ihrer Einfachheit auf mittelalterliche, gotische Architektur zurück. Einige Elemente der Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser in Herne erinnern an diese englischen Vorbilder.
Die Teutoburgia-Siedlung, die, wie die Zeche, ab 1909 erbaut wurde, entsprach den typischen Gartenvorstädten dieser Jahre: Angenehm grün und abwechslungsreich, kaum eine Straßenansicht glich der anderen. Die Zeit der Arbeiterkasernen und der monoton aufgereihten Vierfamilienhäuser war vorbei. Im Hausinneren hatte sich allerdings nichts geändert: Die meist kinderreichen Bergmannsfamilien mussten auch hier mit den üblichen vier kleinen Räumen auskommen – in einem wohnten oft die Großeltern und in einem weiteren Kostgänger, deren Miete und Kostgeld dringend benötigt wurden.
 

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